Weißes Haus:Eine Meisterin der Fake News tritt ab

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Für Sarah Huckabee Sanders entspricht Donald Trump der göttlichen Vorsehung. (Foto: Bloomberg)

Sie hat nachweislich gelogen und das Vertrauen der Presse zum Weißen Haus zerstört. Jetzt gibt Sarah Huckabee Sanders ihr Amt als US-Regierungssprecherin ab.

Von Thorsten Denkler, New York

Es ist der 11. Mai 2017. US-Präsident Donald Trump hat gerade den FBI-Chef James Comey gefeuert. Den Mann also, der die Ermittlungen in der Russland-Affäre führte. Und der zu untersuchen hatte, ob Trump oder seine Leute die Hilfe der Russen angenommen haben, um die Wahl 2016 zu gewinnen. Im Briefing-Raum des Weißen Hauses tritt an jenem Donnerstag die damals noch stellvertretende Pressesprecherin Sarah Huckabee Sanders vor die Journalisten. Sie wird in den kommenden Minuten mehrfach lügen.

Sie wird erklären, dass James Comey höchst unbeliebt gewesen sei im FBI, dass "zahllose FBI-Mitarbeiter" ihr "persönlich" erklärt hätten, wie unzufrieden sie gewesen seien mit ihrem früheren Boss. Und wie glücklich mit Trumps Entscheidung, Comey zu feuern. Die Reporter können es kaum glauben. Sie fragen nach, geben ihr die Möglichkeit, ihre Aussage zu revidieren, sie abzuschwächen. Sanders bleibt dabei. "Zahllose" FBI-Mitarbeiter hätten ihr gegenüber den Rücktritt von Comey begrüßt.

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Das teilte der US-Präsident am Donnerstag auf Twitter mit. Demnach werde Sanders in ihre Heimat Arkansas zurückkehren. Zunächst nannte er keinen Ersatz.

Ob jemand gelogen hat, lässt sich oft schwer nachweisen. Zur Lüge gehört der Vorsatz. Eine Unwahrheit muss nicht gleich eine Lüge sein, sie kann einer Unwissenheit entspringen. Hier aber ist der Fall klar. Dass Sanders damals gelogen hat, geht aus dem kürzlich veröffentlichten Abschluss-Bericht von Sonderermittler Robert Mueller hervor, der nach Comey die Russland-Untersuchungen übernommen hatte. Muellers Leute haben auch Sanders verhört. Den Ermittlern gegenüber gestand sie, dass sie die Öffentlichkeit damals belogen hat.

Nach 22 Monaten im Amt wird Sanders, 36, ihren Job jetzt aufgeben. Zum Ende des Monats hört sie auf, kündigte Trump am Donnerstag auf Twitter an. Sie habe einen "unglaublich" guten Job gemacht. Und werde in ihren Heimatstaat Arkansas zurückkehren. "Ich hoffe, sie wird sich für das Amt des Gouverneurs von Arkansas bewerben", schreibt Trump. Sie würde damit ihren Vater beerben, Mike Huckabee, der dort bis 2007 mehr als zehn Jahre lang Gouverneur war.

Mit ihm ist sie in die Politik gekommen. 1992 half sie ihrem Vater bei seinem erfolglosen Wahlkampf für den Senat in Washington. Die damals Neun- bzw. Zehnjährige verschickte Wahlwerbung, klopfte an Haustüren und stellte Plakate in Vorgärten auf. Sie baute sich danach eine Karriere als politische Beraterin für konservative Politiker auf, koordinierte 2002 die erfolgreiche Gouverneurs-Wiederwahlkampagne ihres Vaters. 2016 wurde sie Beraterin im Stab der Trump-Kampagne. Der Posten brachte sie schließlich ins Weiße Haus.

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Sanders hat im Amt Grenzen überschritten, die ein Pressesprecher einhalten sollte. Es verging kaum ein Auftritt, bei dem sie nicht nachweislich die Unwahrheit sagte oder die Wahrheit verdrehte. Sanders ging zu Journalisten auf maximale Distanz. Und sie tat alles, um Trump zu gefallen. Im Januar hat sie einem christlichen Sender gegenüber klargestellt, was sie in Trump sieht: "Gott wollte, dass Donald Trump Präsident wird. Darum ist er im Amt."

Im Briefing-Raum hielt sie keine Pressekonferenzen ab, sondern zog in die Schlacht. Sanders betrachtete kritische Nachfragen gewissermaßen als Gotteslästerung. Sie reagierte mit Sarkasmus und Gegenfragen und schnitt manchem Reporter das Wort ab.

Natürlich, Pressesprecher sind die Sprachrohre ihrer Vorgesetzen. Sanders aber war ein 1000-Watt-Verstärker. Immer wieder haben sich Journalisten bei ihr beschwert, von Trump als "Fake News" bezeichnet zu werden oder als "Enemy of the People", als Feinde des Volkes.

Sanders hat auf solche Fragen allergisch reagiert. Es seien die Medien, die absichtlich falsche Informationen über Trump verbreiteten und damit das Volk in die Irre führten, sagt sie. Einer direkten Aufforderung, zu erklären, dass die Medien nicht die Feinde des Volkes sind, entgegnete sie mit einem vorbereiteten Statement, wo überall Trump oder sie selbst angeblich vorsätzlich falsch widergegeben oder gar beleidigt worden seien. Sie mahnte gar an, dass es ein " Mindestmaß an Verantwortungsgefühl" in den Redaktionen geben sollte.

Ein solches "Mindestmaß an Verantwortungsgefühl" scheint sie von ihrem Boss nicht eingefordert zu haben. Dabei ist es Trump, der das Volk in die Irre führt. Die Washington Post, aus Trumps Sicht wie CNN oder die New York Times Teil der "Fake News", zählt am 7. Juni 10 796 falsche Aussagen von Trump in 869 Amtstagen. Das sind im Schnitt zwölf falsche Angaben pro Tag.

Die Post misst die Qualität der Falschaussagen mit "Pinocchios". Ein Pinocchio für eher harmlose Übertreibungen, vier Pinocchios für Aussagen, die an harte Lügen grenzen. Äußerungen, die mit drei bis vier Pinocchios bewertet werden, bekommen neuerdings das Attribut "bodenloser Pinnochio" wenn Trump sie mehr als 20 Mal wiederholt. Er hat bereits 21 "bodenlose Pinocchios" gesammelt.

Sanders würde vermutlich auf einen ähnlichen Wert kommen, wenn sie ihren Job gemacht hätte wie andere Sprecher unter früheren Präsidenten. Bis zur Amtsübernahme Trumps war es üblich, dass die Presse wochentäglich über Vorgänge im Weißen Haus unterrichtet wurde und Gelegenheit bekam, ihre Fragen zu stellen. Schon Trumps erster Sprecher Sean Spicer hielt das nicht lange durch. Briefings einmal, vielleicht dreimal die Woche wurden üblich. Schnell bürgerte es sich ein, Kameras auszuschließen und bis auf Ausnahmen nur noch Tonaufnahmen zuzulassen.

Sanders aber setzt Abwesenheitsrekorde, seit sie im Juli 2017 von der Stellvertreterin zur Sprecherin aufgestiegen ist. Im Januar vergingen 41 Tage zwischen zwei Briefings, ein Novum in der jüngeren Geschichte der USA. Im Mai waren es 42 Tage. Aber selbst das erscheint vergleichsweise wenig. Bis zu diesem Donnerstag hat sie 94 Tage lang keine Pressekonferenz mehr abgehalten. Allenfalls nahm sie zuletzt auf der Zufahrt zum Weißen Haus ein paar Fragen entgegen. Um dann wieder im Weißen Haus zu verschwinden.

Sanders hat ihren Job getan, sie hat ihren Chef bis zur Selbstdemontage verteidigt. Der wird es ihr danken. Dass mit einem Nachfolger etwas mehr Normalität in die Pressestelle des Weißen Hauses kommt, ist nicht zu erwarten.

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels haben wir fälschlicherweise die erfolglose Kampagne von Mike Huckabee im Jahr 1992 als Gouverneurs-Wahlkampf bezeichnet. Richtig ist, dass sich Sarah Huckabee Sanders' Vater damals um einem Senatssitz in Washington bewarb.

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