USA:Sanktionen gegen die Türkei

S-400 Raketenabwehrsystem der Türkei

Teile des Raketenabwehrsystems S-400 aus Russland werden auf dem türkischen Luftwaffenstützpunkt Mürted entladen.

(Foto: Turkish Defense Ministry/dpa)

Washington bestraft den Nato-Partner wegen der Tests eines russischen Raketenabwehrsystems

Von Tomas Avenarius, Istanbul

Die USA bestrafen die Türkei wegen der Anschaffung und Aktivierung eines russischen Luftabwehrsystems. Betroffen von den Sanktionen ist das türkische Direktorat für die Verteidigungsindustrie; es ist die Regierungsbehörde, die sich um Entwicklung und Beschaffung von Waffensystemen kümmert und Staatschef Recep Tayyip Erdoğan direkt unterstellt ist. Ankara habe das russische Raketenabwehrsystem S-400 getestet, obwohl es Alternativen zum Kauf der Waffen gegeben habe, welche die Verteidigung des Landes ebenso garantieren könnten, erklärte US-Außenminister Mike Pompeo: "Ich rufe die Türkei auf, das S-400-Programm sofort in Absprache mit den USA aufzugeben. Die türkische Führung reagierte scharf. Sie sprach von einer "ungerechten"und "unvernünftigen" Entscheidung und warf Washington "Arroganz" vor.

Die USA und die gesamte Nato, der die Türkei angehört, hatten die Anschaffung der hochmodernen russischen Luftabwehrraketen von Anbeginn an kritisiert. Ankara und Moskau hatten den Vertrag über den Kauf des Systems im September 2017 unterzeichnet. Die Lieferung der ersten Raketen-Batterien erfolgte 2019. Washington hatte der Türkei wegen des Kaufs der S-400 bereits die Teilnahme am F-35-Programm gestrichen und Bau sowie Lieferung dieses seit Langem zugesagten US-Tarnkappen-Jets für die Türkei annulliert. Der Höhepunkt des Streits war die probeweise Aktivierung des Systems im Oktober durch die Türkei: Danach waren US-Sanktionen fast schon unausweichlich.

Mithilfe des russischen Waffensystems könnten Daten von US-Kampfjets ausgelesen werden.

Die Nato befürchtet, dass Moskau mithilfe des russischen Waffensystems in der Hand eines Nato-Staats die Daten von US-Kampfflugzeugen wie der F-16 oder der F-18, vor allem aber auch der hochmodernen F-35 auslesen und die Bekämpfung dieser Jets optimieren kann: Wichtige Waffensysteme der Nato-Staaten sind im Datenaustausch miteinander vernetzt. Ankara, das bei seinen Rüstungsgeschäften größten Wert auf die Teilhabe am Know-How und die inländische Produktion legt, hatte argumentiert, die USA hätten der Türkei den Kauf des US-Luftabwehrsystems Patriot verweigert. Auch europäische Anbieter von Luftabwehrraketen hätten gemauert. Daher sei man gezwungen gewesen, die russische S-400 zu kaufen.

Die nun verhängten Washingtoner Sanktionen beinhalteten ein Verbot aller US-Exportlizenzen und -genehmigungen für das Direktorat der Verteidigungsindustrie, erklärte US-Außenminister Pompeo. Vermögenswerte von Direktoratschef Chef Ismail Demir und anderen Führungskräften in den USA würden eingefroren. Zudem würden Einreisebeschränkungen verhängt.

Grundlage für die US-Sanktionen ist das Caatsa-Gesetz ("Countering America's Adversaries through Sanctions") aus dem Jahr 2017. Demnach kann der US-Präsident Strafmaßnahmen gegen eine dritte Partei bei einer "bedeutenden Transaktion" mit dem russischen Verteidigungssektor verhängen. Unter anderem kann der Präsident - wie nun geschehen - anordnen, dass Betroffenen US-Exportgenehmigungen verwehrt werden, dass US-Finanzinstitute keine Kredite an sie vergeben dürfen, dass ihr etwaiger Besitz in den USA eingefroren wird oder dass sie mit Einreisesperren in die USA belegt werden.

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