Geheimdienst-Affäre:Spione zur Sommerzeit

In Russland und den USA fühlten sich einige an den Kalten Krieg erinnert, die alten Reflexe funktionieren noch. Aber die Affäre um einen russischen Spionagering ist nicht viel mehr als ein kurzes Fest für die Konservativen auf beiden Seiten.

Frank Nienhuysen

Hübsch anzusehen sind die Häuschen der Spione, so gepflegt im Grünen, mit Garten und Bäumen davor. Die Bilder passen jedoch gar nicht zur politischen Idylle, die Russland und die USA eigentlich gemeinsam erschaffen wollen. Gerade erst waren zum Beispiel nette Aufnahmen der beiden Präsidenten Dmitrij Medwedjew und Barack Obama aus einer amerikanischen Hamburger-Bude durch die Welt gegangen.

Und nun dieser Affront! Wenigstens hatten die US-Geheimdienste genug Pietät, den hohen Gast aus Russland erst einmal in Ruhe nach Hause fliegen zu lassen, ehe sie die Nachrichten über den angeblich ausgehobenen russischen Spionagering lancierten.

Die Aufregung wird schnell wieder abkühlen

Für die Moskauer Diplomatie war die Anstandsfrist allerdings nicht lang genug. Bitterböse Ironie von Außenminister Sergej Lawrow war noch die charmanteste Form des Zornausbruchs. Andere fühlten sich gleich an den Kalten Krieg erinnert, die alten Reflexe funktionieren also noch - hüben wie drüben.

Vermutlich aber ist die Affäre nicht viel mehr als ein kurzes Fest für die Konservativen auf beiden Seiten, ein kalter Regenguss im politischen Sommer.

Weder der Kreml noch Ministerpräsident Wladimir Putin haben derzeit ein gesteigertes Interesse daran, dass ein Dutzend enttarnter Agenten mit einem Schlag die mühsame Entspannungspolitik der vergangenen Monate erledigen.

Moskau macht auf Appeasement, es will das heruntergewirtschaftete Russland dringend modernisieren. Und dazu braucht es auch die Hilfe der USA und amerikanischer Investoren, dazu war Medwedjew gerade in Silicon Valley. Vieles spricht also dafür, dass die Aufregung sich nach einigen heißen Tagen schnell wieder abkühlt.

© SZ vom 30.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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