USA-Russland:Treffen auf neutralem Boden

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Zumindest aus US-Sicht nicht ganz auf Augenhöhe: Joe Biden (l.) und Wladimir Putin bei einem Treffen in Moskau 2011. (Foto: Alexander Zemlianichenko/AP)

Joe Biden und Wladimir Putin wollen sich im Juni in Genf begegnen, erstmals in der Amtszeit des US-Präsidenten. Er und das russische Staatsoberhaupt haben eine Menge Konfliktstoff zu besprechen.

Von Hubert Wetzel, Washington

US-Präsident Joe Biden wird kommenden Monat zu seinem ersten Gipfeltreffen mit seinem russischen Kollegen Wladimir Putin zusammenkommen. Wie das Weiße Haus am Dienstag mitteilte, werden die beiden Staatschefs sich am 16. Juni in Genf treffen - auf neutralem Boden sozusagen. Die Präsidenten "werden die gesamte Bandbreite an dringlichen Themen besprechen, und wir haben vor, in den russisch-amerikanischen Beziehungen wieder Verlässlichkeit und Stabilität herzustellen", hieß es in einer Pressemitteilung. Der Kreml teilte mit, Ziel des Treffens sei die Entwicklung der russisch-amerikanischen Beziehungen. Erörtert werden sollten zudem internationale Fragen, so der Kampf gegen die Corona-Pandemie und regionale Konflikte.

"Dringliche Themen" gibt es viele. Das Verhältnis zwischen den beiden Atommächten ist so schlecht wie seit Jahrzehnten nicht mehr, die USA und Russland liegen mit Blick auf praktisch alle wichtigen Themen und Konflikte überkreuz. Das beginnt mit der russischen Aggression gegenüber der Ukraine, setzt sich mit Putins Intervention in Syrien fort und hört mit den Versuchen Moskaus, sich in amerikanische Wahlen einzumischen, nicht auf.

Auch die Attacken russischer Computer-Hacker auf Regierungsbehörden und Unternehmen belasten die Beziehungen, ebenso die Anschläge auf und Schauprozesse gegen Putin-Kritiker. Insgesamt herrscht in Washington die Ansicht vor, dass Russland sich in den vergangenen Jahren zu einer Diktatur entwickelt hat, die nach Innen repressiv und nach Außen aggressiv auftritt. Als Hauptverantwortlicher für diese Entwicklung wird Putin gesehen.

Während der vergangenen Jahre konnte der Kreml die Beziehungen dadurch halbwegs stabil halten, dass Putin eine gute persönliche Beziehung zu Trump aufbaute. Der russische Präsident, ein gelernter Agentenführer des KGB, kannte die Schwachstellen seines US-Kollegen, dessen Eitelkeit, Gefallsucht und Paranoia, sehr genau. Er brachte Trump immer wieder dazu, Positionen zu beziehen, die eher den russischen Interessen dienten als den amerikanischen, zum Beispiel was die Nato anging. Gelegentlich geschah das zum Entsetzen ranghoher Mitarbeiter im Weißen Haus, die durchaus sahen, wie Putin Trump manipulierte.

Russland ist eher Störfaktor als Konkurrent

Mit dem Amtsantritt von Biden hat sich das geändert. Der neue US-Präsident lässt keinen Zweifel daran, dass er Putin für einen gewalttätigen Autokraten hält. Vor einigen Monaten ging Biden so weit, in einem Interview die Frage, ob er Putin einen "Killer" nennen würde, mit Ja zu beantworten. Der russische Präsident reagierte darauf sichtlich zornig.

Was Putin wohl auch verärgert, ist die Tatsache, dass die Beziehungen zu Moskau in Washington allenfalls noch als zweitrangig gesehen werden. Barack Obama bezeichnete Russland 2014 während der Ukraine-Krise abfällig als "Regionalmacht", die aus Schwäche handele, nicht aus Stärke. Biden war damals Vizepräsident. Und seither hat Biden klargemacht, dass er China, nicht Russland, als den größten geopolitischen, wirtschaftlichen und ideologischen Rivalen der USA sieht. Russland wird in Washington als Störfaktor in der Weltpolitik gesehen, aber nicht als ernsthafter Konkurrent. Wenn das Weiße Haus sagt, man wolle "Verlässlichkeit und Stabilität" in den Beziehungen, dann meint es: Die USA wollen, dass Moskau aufhört, ständig Ärger zu machen.

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Darüber hinaus gibt es allerdings zwei Themen, bei denen die USA tatsächlich an einer Zusammenarbeit mit Moskau interessiert sind. Erstens: die nukleare Abrüstung. In dieser Hinsicht gibt es Fortschritte - gleich zu Beginn von Bidens Amtszeit haben die beiden Länder den New-Start-Vertrag verlängert, ein wichtiges Rüstungskontrollabkommen.

Zweitens hofft Biden, zu einer neuen Vereinbarung mit Teheran zu kommen, um das iranische Atomprogramm einzudämmen. An diesen Verhandlungen ist Russland beteiligt. Und die USA haben ein Interesse daran, dass Moskau Druck auf Teheran ausübt, sich mit Washington zu einigen. Dass Biden vor einigen Tagen auf scharfe Sanktionen gegen die russisch-deutsche Ostseepipeline Nord Stream 2 verzichtet hat, um Berlin zu schonen, ist vielleicht Teil dieser Kalkulation.

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