USA: "Rede zur Lage der Nation":Obamas Kampfansage

Nach dem Attentat von Tucsons betonten Republikaner und Demokraten ihre Einigkeit und saßen ausnahmsweise nicht getrennt. Doch der Schein trog - Präsident Obama ließ keinen Zweifel daran, dass der Streit nun grundsätzlich wird.

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Obama Delivers State Of The Union Address To Joint Session Of Congress

Quelle: AFP

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Unsicher und aufgedreht fand die Washington Post die Abgeordneten des Kongresses - und verglich sie mit jungen Paaren, die miteinander Eislaufen gehen. Die Parlamentarier saßen bei der Rede zur Lage der Nation von Präsident Barack Obama nämlich zum ersten Mal nicht nach Parteien getrennt. Stattdessen hatten sich Republikaner und Demokraten zu Paaren zusammengefunden und setzten sich nebeneinander.

Im Bild: Senator Max Baucus (Demokrat) unterhält sich mit Senator Orrin Hatch (Republikaner), daneben steht Senator Jim Webb (Demokrat)

Obama Delivers State Of The Union Address To Joint Session Of Congress

Quelle: AFP

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Die meisten Senatoren und Abgeordneten des Repräsentantenhauses trugen außerdem schwarz-weiße Schleifen am Revers - zum Gedenken an das Attentat von Tucson, bei dem sechs Menschen ums Leben kamen und die Kongressabgeordnete Gabrielle Giffords schwer verletzt wurde. Ihr hielten die Kollegen einen Platz frei - und auch Obama erwähnte den leeren Stuhl mehrmals in seiner Rede.

Obama Delivers State Of The Union Address To Joint Session Of Congress

Quelle: AFP

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In die Ehrenloge der First Lady waren Angehörige der Opfer von Tucson eingeladen, hier im Bild: Michelle Obama mit John, Dallas und Roxanna Green, der Familie der bei dem Attentat getöteten neunjährigen Christina-Taylor Green.

In dieser Atmosphäre erwarteteten viele eine ähnliche Rede wie jene, die Präsident Obama nach dem Attentat gehalten hatte: staatsmännisch, versöhnend, parteiübergreifend. Doch inmitten der einenden Symbolik warf Obama den Republikanern den Fehdehandschuh hin - "er bereitet die Bühne für den kommenden Zusammenprall unterschiedlicher Regierungsideale", kommentierte die New York Times. Das Onlinemagazin Politico schrieb: "Obama ist auf Streit aus."

U.S. President Barack Obama makes a point as Vice President Joe Biden and Speaker of the House John Boehner look on during his State of Union address in Washington

Quelle: REUTERS

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"Wir sollten uns bei Kürzungen wirklich sicher sein, dass wir nur Überflüssiges wegschneiden", sagte er in Anspielung auf die Forderungen der Republikaner, Steuern zu senken und die Staatsausgaben massiv zu kürzen. "Unsere Verschuldung zu bekämpfen, indem wir Investitionen bei Innovation und Bildung streichen, ist wie bei einem Flugzeug mit Überlast den Motor auszubauen. Es scheint erst mal so, als bekäme man Auftrieb, doch es wird nicht lange dauern, bis man die Auswirkungen bemerkt."

President Barack Obama delivers his State of the Union address on Capitol Hill in Washington

Quelle: Reuters

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In Ton und Stil erinnerte der Präsident die New York Times dabei an den Kandidaten von 2008 - cool und abgeklärt. Doch in der etwas mehr als eine Stunde dauernden Ansprache machte Obama klar, dass es in der Wirtschaftspolitik um eine Grundsatzfrage geht. Muss die Regierung - wie er glaubt - in die Wirtschaft eingreifen, Unternehmen fördern, Jobs schaffen? Oder sollte der Staat sich - wie die Republikaner glauben - raushalten und die Marktwirtschaft alles regeln lassen?

Obama Delivers State Of The Union Address To Joint Session Of Congress

Quelle: AFP

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"Dies ist der Sputnik-Moment unserer Generation", sagte Obama in Anspielung auf 1957, als die USA geschockt feststellen musste, dass die Sowjetunion einen Satelliten ins All gebracht hatte. Heute sieht der Präsident die USA auf wirtschaftlichem Gebiet von China und Indien bedroht. "Auf dem Spiel steht, ob neue Jobs und Industrien in diesem Land Fuß fassen oder woanders. (...) Ob wir die Führungsrolle behalten, die Amerika nicht nur zu einem Ort auf der Landkarte gemacht hat, sondern zu einem Licht für die Welt." Was dieses Ziel betrifft, zeigte er sich zuversichtlich - allerdings nur, solange die Republikaner nicht "sinnlos" die Staatsausgaben streichen.

President Obama addresses Joint Session of Congress

Quelle: dpa

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Trotz solcher Passagen voller Pathos bewertete Politico die Rede als "herkömmlichen Waschzettel, der die Leidenschaft seiner Rede zu Tucson vermissen ließ". Zu wenig konkrete politische Ankündigungen, kritisieren US-Medien unisono. Als Folge der ungewöhnlichen Sitzordnung gab es dennoch häufiger als sonst Applaus von beiden Parteien gleichzeitig - zum Beispiel, als Obama anregte, das Steuersystem zu vereinfachen und Amerikas Unternehmen wieder wettbewerbsfähig zu machen.

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Quelle: AFP

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An sich löste die Rede allerdings wenig Begeisterung aus - zumindest wenn man dem demokratischen Kongressabgeordneten Peter DeFazio glauben will. Der behauptet, seit Jahren die Dauer und Häufigkeit von stehenden Ovationen während "State of the Union"-Reden zu erheben. Sein Fazit: Obama habe für seine Rede vom Dienstag  "weniger Standing Ovations bekommen als irgendein Präsident in den vergangenen 25 Jahren". Wie verlässlich diese Aussage ist, sei jedoch dahingestellt.

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Quelle: AP

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Die Republikaner antworteten gleich zweimal auf die Äußerungen des Präsidenten - ein Zeichen für die innerparteilichen Differenzen zwischen dem etablierten Lager und den Vertretern der radikalkonservativen Tea-Party-Bewegung. Der von der Parteiführung als Redner ausgewählte und auf Etatfragen spezialisierte Kongressabgeordnete Paul Ryan bekräftigte die republikanische Forderung nach einschneidenden Sparmaßnahmen. Zugleich bescheinigte er Obama einige "beruhigende" Äußerungen in Sachen Schuldenabbau.

Michele Bachmann, Steve King

Quelle: AP

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Ryans Kollegin Michele Bachmann von der erzkonservativen Tea Party (hier auf einem Archivbild von 2010) zeigte sich deutlich aggressiver und machte Obama für eine "noch nie dagewesene Explosion von Regierungsausgaben und Schulden" verantwortlich. Obama habe eine Bürokratie geschaffen, die sogar bestimme, welche Glühbirnen man noch kaufen dürfe.

Obama Delivers State Of The Union Address To Joint Session Of Congress

Quelle: AFP

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Über den neuen, sachlichen Ton freuten sich dennoch einige. "Ich bin ein alter Bergsteiger", sagte der demokratische Senator Mark Udall aus Colorado. "Meiner Meinung nach ist der Gang, der uns teilt, so unüberquerbar wie ein Berg. Es ist Zeit, dass wir auf diesen Berg steigen und gemeinsam auf Amerika schauen." Die gemischte Sitzordnung von Demokraten und Republikanern war Udalls Idee. Ob sein Wunsch nach parteiübergreifender Zusammenarbeit - die er mit einer Mehrheit des amerikanischen Volkes teilt - in Erfüllung geht, ist auch nach Obamas Rede zur Lage der Nation ungewiss.

Im Bild: John McCain, Mark Udall, Joe Lieberman (v.l.n.r.)

© sueddeutsche.de/bavo/mikö
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