USA: Rassismus:Verdächtige Hautfarbe

Rasse als Faktor: Harvard-Professor Henry Louis Gates hatte nur Schwierigkeiten, seine Haustür aufzuschließen. Damit machte er sich aber bereits verdächtig - und wurde verhaftet.

Reymer Klüver, Washington

Was, sagte Barack Obama, würde wohl passieren, wenn er, der erste schwarze Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, versuchte, die verschlossene Tür zu seinem eigenen Haus aufzustoßen?

USA: Rassismus: Verdächtige Hautfarbe: Harvard-Professor Henry Louis Gates wurde wegen "ungebührlichen Verhaltens" verhaftet.

Verdächtige Hautfarbe: Harvard-Professor Henry Louis Gates wurde wegen "ungebührlichen Verhaltens" verhaftet.

(Foto: Foto: AFP)

Bei seinem privaten Wohnsitz in Chicago, nicht im Weißen Haus, fügte er grinsend auf seiner Pressekonferenz im kronleuchtergeschmückten East Room seines Amtssitzes hinzu. "Hier jedenfalls", sagte er und meinte damit das Weiße Haus, "hier würde ich erschossen."

Ein Witz sollte es sein, doch das Lachen dürfte vielen im Halse steckenbleiben, die Obamas Gedanken weiterspinnen. Denn jedem war klar, was Obama nicht aussprach: Wäre er nicht Präsident, liefe er als Schwarzer in Chicago, überall in Amerika eher Gefahr, in unübersichtlichen Situationen Opfer unangemessener Polizeigewalt zu werden als ein Weißer. "In diesem Land gibt es eine lange Chronik von Vorfällen, bei denen Afro-Amerikaner unverhältnismäßig oft von der Polizei angehalten werden. Es ist ein Zeichen dafür, dass die Rasse noch immer einen Faktor in dieser Gesellschaft darstellt", sagte Obama.

Der Präsident hatte eigentlich über seine Gesundheitsreform reden wollen. Aber Schlagzeilen machte er mit seinen Bemerkungen zum Fall des Harvard-Professors Henry Louis Gates, seiner zweiten Äußerung in einer Woche zu Diskriminierung und Rassismus in den USA. Damit hat ein Fall weiter an Prominenz gewonnen, der ohnehin schon erheblichen Wirbel macht.

Gates, ein persönlicher Freund des Präsidenten, war vor einer Woche in seinem eigenen Haus in der Universitätsstadt Cambridge bei Boston festgenommen worden, nachdem eine Nachbarin die Polizei alarmiert hatte. Sie hatte beobachtet, dass ein Schwarzer sich an der Tür von Gates' Haus zu schaffen machte.

Es war Gates selbst, der Schwierigkeiten hatte, seine eigene Haustür aufzubekommen. Er war bereits in seinem Haus, als ein Streifenpolizist eintraf. Der Professor musste sich ausweisen. Obwohl klar war, dass er in seiner eigenen Wohnung war, wurde er festgenommen und in Handschellen aufs Polizeirevier gebracht - laut Polizeibericht, weil er "lautes und lärmendes Verhalten" an den Tag gelegt hatte.

Präsident Obama kommentierte das Geschehen mit einem eindeutigen Verdikt: "Die Polizei von Cambridge hat sich dumm verhalten."

Die hat inzwischen das Verfahren gegen Gates eingestellt. Doch der Polizist, der den Professor festnahm, gibt sich ungerührt. Er sei nur den Vorschriften gefolgt, sagte er, und werde sich dafür ganz gewiss nicht entschuldigen.

Seiner obersten Dienstherrin, der Bürgermeisterin von Cambridge, Denise Simmons, einer Schwarzen, ist die ganze Sache erkennbar unangenehm - zumal sich nun Obama eingeschaltet hat. Zum einen will sie den Präsidenten nicht vor den Kopf stoßen, zum anderen aber darf sie nicht den Eindruck aufkommen lassen, sie distanziere sich von ihrer Polizei. "Da ist etwas passiert", sagte sie in Interviews, "was nicht hätte passieren sollen."

Gates, der einer der führenden Forscher zur Geschichte der Rassenbeziehungen in den USA ist, will die Sache damit nicht auf sich beruhen lassen. "Unser Polizei- und Justizsystem ist kaputt", sagt er. Nun will Gates persönlich für Reformen werben - mit seinem eigenen Beispiel.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: