USA:Raserei in Washington

Donald Trump verweigert sich den Ukraine-Untersuchungen, damit greift er den Rechtsstaat im Kern an. Seine Parteifreunde müssen bald entscheiden, was ihnen wichtiger ist: die Verfassung oder Trump.

Von Stefan Kornelius

Noch bevor Donald Trump gewählt wurde, diskutierten die USA über dessen Strafregister und damit die Frage, wie er eines Tages wieder abgesetzt werden könnte. Trumps Vor- und Hauptleben als Immobilienkaufmann, Casinobetreiber und Bankrotteur hatten jedenfalls genug Stoff produziert, um ein halbes Dutzend Präsidentschaftskandidaten zu Fall zu bringen. Umso erstaunlicher, dass all die juristischen Fallen bisher nicht zugeschnappt sind.

An den Impeachment-Voruntersuchungen des Kongresses ist allenfalls bemerkenswert, dass sie erst jetzt, wegen der Ukraine-Affäre, eingeleitet wurden. Ein Amtsenthebungsverfahren stand von Tag eins dieser Präsidentschaft an zur Debatte, Anlässe gab es genug: von den Russland-Verstrickungen des ersten Sicherheitsberaters über die Wahlkampf-Finanzierungs-Saga um die Herren Manafort und Cohen bis hin zu den Untersuchungen des Sonderermittlers Mueller. Dazu kommen: Vermischung privater und staatlicher Interessen, die Behinderung der Justiz in Steuerermittlungen, die Bevorzugung der Familie.

Dieser Präsident hat es vermocht, knapp drei Jahre lang am Abgrund der Illegalität entlang zu taumeln, ohne zu stürzen. Eine gravierende Verschiebung der rechtlichen Norm ist die Folge: Der Mann zersetzt das allgemeine Bewusstsein für Recht und Unrecht. Durch ständige Kriminalisierung und Verhöhnung seiner Gegner hat er jede Autorität zerstört, die ein Rechtsstaat als Schiedsrichter braucht. Wer sich mit diesem Präsidenten einlässt, muss sich entweder unterwerfen oder mit Vernichtung rechnen.

Nun verweigert Trump jegliche Kooperation bei den Impeachment-Vorermittlungen. Damit steht er kurz davor, den Rechtsstaat in seinem Kern anzugreifen: Indem er die Gewalten gegeneinander aufwiegelt und radikalisiert, will er seine jämmerliche Präsidentschaft retten. Exekutive gegen Parlament gegen Justiz - das ist die ultimative Formel für einen Staatskollaps. Mit seinem berserkerhaften Vernichtungstrieb hat sich Trump aufgemacht, Washington brennen zu lassen.

Bei der Behinderung der Vorermittlungen zum Impeachment handelt es sich nicht um eine Lappalie. Die Verweigerung gibt einen Vorgeschmack auf die Raserei, die das Land bald ertragen muss. Sicher: Die Demokraten haben sich angreifbar gemacht, weil sie bisher kein offizielles Verfahren eingeleitet haben und in den Vernehmungen der Zeugen der Trump-Seite kein Mitspracherecht gewähren. Aber: Nirgendwo steht geschrieben, dass sie das müssten. Ein Gesetz zur Amtsenthebung wird von der Mehrheit des Repräsentantenhauses geschrieben, also von den Demokraten.

Am Ende wird die Frage stehen, ob dieser Präsident über dem Gesetz steht. Trump hat seine Antwort bereits gegeben: Selbstverständlich sieht er sich über dem Gesetz, weil er ja derjenige sei, der die Gesetze abzeichne. Tatsächlich ist die US-Verfassung in dieser Frage unscharf; der Präsident sollte nicht von den eigenen Behörden verfolgt werden können. Aber: Deswegen gibt es das Amtsenthebungsverfahren durch das Parlament - für grobe Fälle, in denen der Präsident das Recht bricht und nicht den Anstand zum Rücktritt aufbringt.

Der Augenblick rückt immer näher, da sich Amerikas Abgeordnete fragen müssen, was ihnen wichtiger ist: ihre Verfassung - oder Donald Trump.

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