USA:Oberster Gerichtshof kippt harte texanische Abtreibungsgesetze

Lesezeit: 2 Min.

Vor dem Obersten Gerichtshof in Washington demonstrierten Abtreibungsgegner und -befürworter. (Foto: AFP)
  • Der Supreme Court der USA kassiert zwei Gesetze, die Abtreibungen indirekt erschwerten.
  • Das Urteil setzt enge Grenzen für Versuche, Frauen über politische Umwege den Zugang zu Einrichtungen für Schwangerschaftsabbrüche zu erschweren.
  • In den vergangenen fünf Jahren mussten mehr als 160 Abtreibungskliniken schließen.

Von Johannes Kuhn, New Orleans

Der Oberste Gerichtshof der USA hat zwei Gesetze für ungültig erklärt, mit denen Texas die Abtreibung für Frauen durch stärkere Auflagen erschweren wollte. Es handelt sich um eines der wichtigsten Urteile zu Schwangerschaftsabbrüchen in den vergangenen Jahren.

Darum geht es:

Schon 1973 erklärte der Oberste Gerichtshof der USA in einem Grundsatzurteil Abtreibungen für legal. Konservative Staaten versuchen seit Jahrzehnten und zuletzt wieder verstärkt, Schwangerschaftsabbrüche durch strengere Auflagen für Kliniken oder Ärzte zu verhindern. Seit 2011 mussten mehr als 160 Einrichtungen schließen.

In Texas galt seit 2013 eines der schärfsten Gesetze: Gemäß der Regulierung mussten Abtreibungskliniken die Auflagen von Notfallkliniken befolgen, dort praktizierende Ärzte mussten Zulassungen an anderen Krankenhäusern im Umkreis von 30 Meilen erlangen. Die Auflagen machten teure Umbauten notwendig, die Hälfte der 41 Abtreibungskliniken im Staat musste schließen, nochmals zehn wären in der nächsten Zeit dazu gezwungen gewesen.

Gegner der Gesetze zufolge hätte ein Drittel der Bevölkerung des Flächenstaats damit keine solche Klinik in der Nähe gehabt, vor allem sozial benachteiligten Frauen sei der Zugang verwehrt worden, was zu einem Anstieg von selbst herbeigeführten Abtreibungen geführt habe. Der Staat Texas argumentierte, dass 90 Prozent der Frauen innerhalb von 240 Kilometern eine Abtreibungsklinik finden könnten.

So entschied das Oberste Gericht

Mit fünf zu drei Stimmen urteilte der Supreme Court nun, die bestehende Entscheidung eines Bundesgerichts in New Orleans zu kippen und die Regeln für ungesetzlich zu erklären. Die Meinung des eigentlich konservativen, aber in Abtreibungsfragen liberal urteilenden Richters Anthony Kennedy gab den Ausschlag. Wegen der ungelösten Vakanz nach dem Tod von Anthony Scalia fehlt derzeit ein Richter am Supreme Court, bei einem Unentschieden bleiben Urteile der Vorinstanz bestehen.

SZ MagazinWild Wild West: Amerikakolumne
:Die üblen Tricks der Abtreibungsgegner

Abtreibung ist in den USA eigentlich legal. Doch vielerorts wird versucht, Frauen gezielt falsch zu informieren. Zum Beispiel in Kliniken, die gar keine sind.

Von Michaela Haas

Die Gesetze, so heißt es in der Begründung der Mehrheitsmeinung, "tragen wenig bis nichts zur Gesundheit einer Frau bei, sind eine unangemessene Last für Frauen, die eine Abtreibung vornehmen lassen wollen, und sind eine 'unrechtmäßige Beschränkung' in ihrem verfassungsgemäßen Recht dazu."

So geht es weiter

Der Supreme Court hat mit der Entscheidung erneut eine Grenze gezogen, welche Vorschriften für Kliniken oder Patienten als "unangemessene Last" zu gelten haben - an dieser Bewertung orientieren sich die Richter seit 1992. Es ist in diesem Kontext die wichtigste Entscheidung seit langem und setzt der indirekten Einschränkung des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch durch politisch motivierte Regulierung Grenzen.

Ähnliche Gesetze im benachbarten Louisiana dürften nun ebenfalls gekippt werden. Dort existieren inzwischen nur noch zwei zugelassene Einrichtungen für Schwangerschaftsabbrüche. Auch Regeln in Mississippi und Alabama ähneln den texanischen Beschränkungen.

Das denken die Amerikaner über Abtreibung

56 Prozent der Amerikaner sind einer Umfrage zufolge dafür, dass Abtreibungen in allen oder den meisten Fällen legal sein sollten. 41 Prozent sind der Meinung, dass sie immer oder in dem meisten Fällen illegal sein sollte. Die Hälfte der US-Bürger hält Abtreibungen für moralisch falsch, unter evangelikalen Protestanten sind es 75 Prozent.

Das Thema spielt auch im Wahlkampf 2016 eine Rolle. Zehn Staaten haben versucht, Zuschüsse für die Organisation Planned Parenthood zu blockieren oder zu streichen, einem Betreiber von Kliniken für sozial schwache Frauen, in denen auch Abtreibungen durchgeführt werden. Die Republikaner wollen Planned Parenthood auch auf Bundesebene die Zuschüsse entziehen; ein entsprechendes Gesetz scheiterte am Veto von US-Präsident Obama.

Videotipp: John Oliver zum Thema (Februar 2016)

YouTube

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von YouTube angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von YouTube angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: