USA:Obamas Werk bleibt unvollendet

USA: Barack Obama war ein guter Redner - in der Praxis bleibt aber wenig von seiner politischen Vision übrig.

Barack Obama war ein guter Redner - in der Praxis bleibt aber wenig von seiner politischen Vision übrig.

(Foto: AFP)

Barack Obama ist eine intellektuelle Ausnahmefigur. Als Präsident hat er den USA ihre Unverletzlichkeit genommen. Aber für die Umsetzung seiner politischen Vision fehlte ihm die Zeit.

Kommentar von Stefan Kornelius

Barack Obama hat nun seinen letzten Tag als Präsident erlebt. Die Flut der Abscheulichkeiten von und über seinen Nachfolger macht schmerzlich deutlich, wen die USA und die Welt verlieren werden: einen ernsthaften, nachdenklichen, seriösen und skandalfreien Präsidenten, dessen Amtszeit vor allem durch den Kontrast geprägt sein wird, den sie zur Radikalität des Vorgängers und zur Unberechenbarkeit des Nachfolgers schafft.

Barack Obamas größte historische Leistung wird sein, die USA aus dem imperialen Größenwahn und der Überspanntheit der 9/11-Zeit geführt zu haben. Seine größte Niederlage ist es, nicht genügend Zeit und vor allem: nicht genügend politische Hebelkraft gehabt zu haben, um seine Vision für das Land sicher und auf Dauer zu verankern. Vielleicht bleibt deshalb wenig von Obama - zunächst. Der neue revolutionäre Furor wird vieles hinwegfegen. Erst die historische Sicht kann eines Tages Auskunft darüber geben, ob Obamas Vorstellung einer Welt- und Gesellschaftsordnung dem Westen einen wichtigen Impuls der Vernunft verpasst hat.

Warum hat er so wenig in praktische Politik umgesetzt?

Obama als intellektuelle Ausnahmefigur war in all diesen Reden zu erkennen, in denen der Präsident seine politische Vision in elegante Worte kleidete. Kairo, Prag, Helsinki, Hannover, Athen - wie Perlen auf einer Kette reihen sich die Auftritte und zeugen von einer humanistischen aber auch zutiefst realistischen Weltsicht. Was Obama über das Verhältnis des Westens zum Islam, zur Ratio des Militärischen, zu China, Russland oder Europa, zum Rassenverständnis in den USA oder zum Freiheits- und Demokratieverständnis sagte, bleibt von höchster Relevanz. Aber: Der Mann war acht Jahre lang Präsident der USA. Warum hat er so wenig davon in praktische Politik umgesetzt?

Barack Obama ist ein sperriger Charakter, zögerlich, selbstquälerisch und trotz aller Coolness auch ein zurückgenommener oder gar distanzierter Mensch. Er kann Comedy, aber vielleicht ist er mehr noch der Melancholiker und Zweifler. Ihm fehlt der Wille zum Brachialen, die verschlagene Schläue eines Bill Clinton oder die Selbstgewissheit und Risikofreude eines George W. Bush. Vor allem aber mangelte es ihm am wichtigsten Kapital, das ein Politiker zum Erfolg braucht: Mehrheit und Verbündete.

Obamas Präsidentschaft erschließt sich nicht zuerst über seine Außenpolitik oder seinen Umgang mit dem Militär. Die Mühsal dieser acht Jahre entstand auf den zwei Meilen, die zwischen dem Weißen Haus und dem Kongress liegen. Es war das Parlament, das auch diesen Präsidenten fesselte. Was in der Verfassungstheorie als System des Ausgleichs funktionieren sollte, hat sich in eine Zerstörungsmaschine gewandelt.

Die eigentliche Tragödie seiner Präsidentschaft

Die Disfunktionalität des politischen Betriebs der USA ist keine Erfindung der Obama-Jahre, sie reicht weit in die 90er zurück, manche sagen gar in die Nixon-Zeit. Der alles beherrschende ideologische Hass hat Washington zu einer Krämer-Stadt gemacht, zu einem Ort des politischen Zufalls und auch der Provinzialität. Donald Trump ist "das Frankenstein-Monster" (Robert Kagan) dieser Versuchsanordnung, er könnte das Zerstörungswerk vollenden. Obama ist es nicht gelungen, einen hinreichend großen Vorrat an Respekt und praktischer Kompromissfähigkeit anzuhäufen. Das ist die eigentliche Tragödie seiner Präsidentschaft.

Diese Zögerlichkeit und Reserviertheit trägt auch dazu bei, dass Obamas Außenpolitik unvollendet bleibt. Vier Jahre brauchte Obama, um die Altlasten der Bush-Jahre abzuwickeln. Dann aber verpasste er den Moment, wo er zum mutigen Akteur hätte reifen müssen. Zweifel und die berechtigte Sorge vor Unwägbarkeiten hielten ihn in der Defensive: in Syrien, gegenüber Israel oder Saudi-Arabien, aber auch in der Russland-Politik.

Für die Vollendung seiner Idee fehlte Obama die Zeit

Die USA haben in der jüngeren Geschichte große außenpolitische Fehler begangen, aber auch viel zu Stabilität und Frieden in der Welt beigetragen. Unter Obama musste das Land die Erfahrung machen, dass Zurückhaltung und Tatenlosigkeit nicht weniger riskant sind. Die uralte Rivalität zwischen Großmächten, der ewige Kampf um Macht und Einfluss stehen nicht still. Wie naiv ist da die Vorstellung von Donald Trump, dass ein selbstgefälliger Isolationismus als Nullsummenspiel endet.

Barack Obama verlässt mit 55 Jahren ein Amt, das auch durch sein Zutun nicht mehr das wichtigste der Welt ist. Obama hat der Präsidentschaft die Pompösität genommen und Amerika den Nimbus der Unverletzlichkeit und Größe. Das war der eine Teil seines Plans. Der andere Teil bestand darin, dass er mit dieser Selbstbescheidung das Netz der Verbündeten und das Regelwerk des Völkerrechts stützt, dass er die alte Anziehungskraft der amerikanischen Macht, die Soft-power-Qualitäten der USA, wieder stärkt. Amerika sollte führen, weil es überzeugt und weil es vorbildlich ist. Für die Vollendung dieser Idee fehlten Obama Zeit und ein Nachfolger, der diese Philosophie teilt. Donald Trump jedenfalls ist der falsche Erbe, er wird den Nachlass seines Vorgängers abwickeln. Obamas Präsidentschaft bleibt unvollendet.

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