USA: Obama und sein Sparprogramm:Amerika hat die Wahl

Lesezeit: 4 min

US-Präsident Obama ist sein Elan im Tagesgeschäft abhanden gekommen. Mit seinem Sparprogramm versucht er nun, den meinungsführenden Republikanern die Stirn zu bieten - und eröffnet den Wahlkampf mit der Frage: Welches Amerika wollen die Amerikaner?

Reymer Klüver

Wer ist Barack Obama wirklich? Die Suche nach einer klaren Antwort wird immer schwerer, je länger der Mann im Weißen Haus sitzt. Für was steht dieser Präsident eigentlich, der ausgezogen war, Amerika zu verändern, und seither ein ganz anderer geworden zu sein scheint? Was ist aus der hochfahrenden Vision eines besseren, eines gerechteren Amerika geworden? Wo ist die Gabe geblieben, andere anzustecken mit seinem Glauben an Amerikas Fähigkeit zu grundsätzlicher Veränderung?

Barack Obama
:The President's Speeches

Er ist ein begnadeter Redner: Während er im Wahlkampf Optimismus verbreitete, muss sich Barack Obama nun immer häufiger um Schadensbegrenzung bemühen und seine Politik rechtfertigen.

über die wichtigsten Reden des US-Präsidenten.

Der Elan des Neuanfangs ist im Tagesgeschäft abhandengekommen. Von einer Einwanderungsreform ist ebenso wenig mehr die Rede wie von einem Klimaschutzgesetz. Das Lager in Guantanamo ist nicht geschlossen, und statt Amerikas Kriege in der muslimischen Welt zu beenden, hat Obama in den letzten Wochen mit einem neuen Krieg gespielt.

Die Hälfte der US-Bürger ist trotzdem mehr oder weniger zufrieden mit Obama. Da gab es Präsidenten, die schlechter wegkamen, sein direkter Vorgänger zum Beispiel. Doch bleiben Obamas Werte nur guter Durchschnitt - ein Beleg dafür, wie weit er hinter den Erwartungen zurückbleibt. Der himmelstürmende Visionär erweist sich als recht alltäglicher Pragmatiker, der Mann der Ideale als Meister der Kompromisse - und nicht wenige finden, fauler Kompromisse.

Es ist Obamas Art, Entscheidungen über folgenreiche politische Probleme professoral anzugehen. Der Afghanistan-Strategie gingen erschöpfende Diskussionen im Nationalen Sicherheitsrat voraus - wie in einem Universitäts-Seminar. Die Gesundheitsreform ließ er über Monate hin und her wenden - mit der verheerenden Folge, dass sie zerredet wurde. Obama verspielte die Meinungsführung. Nur unter ungeheurem Kraftaufwand konnte er noch einen Kompromiss erzwingen, der weit entfernt war von seinen ursprünglichen Vorstellungen.

Republikaner als Meinungsführer

Ähnliches drohte nun auch im Streit über Amerikas hohe Schuldenlast: Die Republikaner kauften dem Präsidenten den Schneid ab. Zu lange überließ er ihnen die Meinungsführerschaft. Es ging nicht mehr um die Frage, ob Kürzungen der Staatsausgaben jetzt richtig seien, kaum dass sich die US-Wirtschaft von ihrer tiefsten Krise seit der Depression zu erholen begann. Es schien nur noch um den Umfang der Streichungen zu gehen - je mehr, desto besser. Obama hatte immer wieder vor einer unüberlegten Sparpolitik gewarnt. Er bestand auf Investitionen in Bildung, grüne Technologie und die bröckelnde Infrastruktur des Landes. Doch ging die Botschaft des Mannes, der seine Wahl der Kraft seiner Worte verdankt, im Lärm der Republikaner unter, die das simple Credo der Tea-Party-Bewegung herausschrien: weniger Staat, weniger Steuern, und alles wird gut.

In dieser Woche hat Obama sich endlich vorgenommen, das Blatt zu wenden. Er verfügt über die bemerkenswerte Fähigkeit, in kritischen Situationen mit Hilfe einer klugen Rede sich sozusagen am eigenen Schopfe aus dem Sumpf zu ziehen. So geschah es nicht nur einmal im Präsidentschaftswahlkampf. Ähnliches hat er nun wieder mit seiner Rede zur Schuldenlage der Nation versucht, da von ihm, dem Präsidenten, endlich eine klare Antwort erwartet wurde auf die Frage, wie Amerikas Zukunft aussehen soll.

Er hat einen Gegenentwurf zu den Ideen der Republikaner vorgelegt, die gleichzeitig Steuern senken und Sozialleistungen streichen wollen. Das würde die Besserverdienenden im Land noch stärker ihrer sozialen Verantwortung entbinden. Ihre Steuerlast ist ohnehin verträglich. Und die "weniger vom Glück Begünstigten", wie die Armen, die Arbeitslosen, die Sozialschwachen in den USA genannt werden, blieben zunehmend sich selbst und der privaten Wohlfahrt überlassen.

Obama hat nun klargemacht, dass sein Amerika anders aussieht. Er will ein Amerika, in dem Schwachen geholfen wird und die Stärkeren für sie einstehen. Die wirklich Wohlhabenden im Land (gemeint sind Leute, die eine Viertelmillion Dollar im Jahr und mehr verdienen) sollen mehr Steuern zahlen müssen anstatt weniger, in Zeiten, da das Geld zur Finanzierung des Gemeinwesens knapp geworden ist. Sie können das leisten.

Damit hat Obama einen neuen, ernsthaften Ton in die Debatte gebracht: Der Staat begibt sich nicht auf einen Raubzug, wenn er Steuern erhebt, so wie es viele Republikaner suggerieren. Steuern sind ein notwendiges Übel und letztlich ein Akt gesellschaftlicher Solidarität.

Es geht in der Debatte um Amerikas Billionen-Dollar-Defizit also nicht allein um Steuern und Schulden. Es geht auch um die Frage: Welches Amerika wollen die Amerikaner? Wollen sie wirklich einen radikalen Umbau ihres Landes, so wie er den Republikanern seit den Tagen Ronald Reagans vorschwebt, in dem soziale Vorsorge zunehmend den Kräften des Marktes überlassen sein würde? Oder wollen sie das Amerika erhalten, das eine Verpflichtung des Staates darin sieht, allen ein Leben mit einem "Grundmaß an Sicherheit und Würde" zu ermöglichen, wie Obama es formuliert?

Ohne Zweifel hielt Obama eine Wahlkampfrede, als er seine Steuerpolitik erklärte. Die Kampagne zur Wiederwahl hat begonnen. Da muss man die hochfahrende Rhetorik umso gründlicher nach Substanz absuchen. Spricht da nicht derselbe Mann, der erst zur Jahreswende die Steuernachlässe der Bush-Zeit für die Besserverdienenden (die mit einer Viertelmillion und mehr) ohne viel Federlesens für zwei Jahre verlängert hat? Merkwürdig ist es schon, dass Präsident Obama sich auf seinen alten Kampfgeist besinnt, da er wieder Kandidat Obama ist.

Der Präsident bleibt luftig und vage

Noch in der letzten Woche kam der Präsident in den Verhandlungen über Kürzungen im laufenden Haushalt den Republikanern auf mehr als halbem Wege entgegen. Solche Zugeständnisse bescheren ihm ein mächtiges Problem: Wie glaubwürdig ist er noch? Obama müsste mutiger sein, wenn er davon spricht, dass alle Opfer bringen sollen und deshalb auf Steuervergünstigungen verzichten müssen. Welche Opfer genau meint er? Die Nachlässe für Hausbesitzer zum Beispiel? Obama bleibt da lieber luftig.

Seine Ideen zur Reform der staatlichen Krankenversicherungen für Rentner und Arme sind vage. In der Tat müsste die Versicherung reformiert werden. Überhaupt redet Obama zu viel von Bewahrung des Status quo und zu wenig von der Modernisierung Amerikas, die er vor seinem Amtsantritt versprochen hatte und ohne die das Land unweigerlich absteigen wird.

Dennoch hat er den Demokraten wieder ein Modell geboten, die Vision eines Sozialstaates, hinter der sich die Partei versammeln kann. All denen in der politischen Mitte des Landes, die den Demokraten den Rücken gekehrt hatten bei der Kongresswahl im Herbst, zeigte er eine Alternative auf und brachte sie zum Nachdenken. Zudem werden den Amerikanern die radikalen Thesen der Republikaner zunehmend suspekt. Wenn man so will, hat Obama gezeigt, dass er trotz allem noch immer Amerikas beste Hoffnung ist.

© SZ vom 16.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: