Süddeutsche Zeitung

USA: Obama und die Schuldenkrise:Obamanomics in den Miesen

Schulden, Arbeitslosigkeit, Konsumflaute: Neue Zahlen berauben Barack Obama der Hoffnung, dass die US-Wirtschaft rechtzeitig vor den Wahlen in Gang kommt. Die Republikaner frohlocken - und greifen den Präsidenten an seiner schwächsten Stelle an.

2011 sollte das Jahr der Hoffnung werden. Raus aus der schlimmsten Wirtschaftskrise seit der Great Depression, rein in den Aufschwung - es wäre der perfekte Start für Barack Obamas Präsidentschaftskampagne 2012. Dann bescherte der spektakuläre Einsatz gegen Amerikas Staatsfeind Nummer 1, Osama bin Laden, dem US-Präsidenten auch noch unerwarteteten Aufwind.

Doch seither hagelt es für Obama nur noch schlechte Nachrichten. Vor allem eine Hoffnung löst sich zusehends in Luft auf: Ein stabiles Wirtschaftsaufschwung sollte Obama die Wiederwahl sichern. Danach sieht es aktuell aber nicht aus.

Und nicht einmal Bin Laden konnte das ändern: Beobachter hatten gemutmaßt, dass sich die Nachricht von dessen Tod positiv auf die Stimmung beim amerikanischen Volk auswirken könnte und die US-Bürger infolgedessen wieder konsumfreudiger würden. Stattdessen sank im Mai der Index für das Verbrauchervertrauen (Consumer Confidence Index, CCI) nach Angaben des Forschungsinstituts "The Conference Board" in New York um 5,2 Punkte auf 60,8 Punkte. Laut Conference Board liegt der Durchschnitt des Verbrauchervertrauens in Phasen stabiler wirtschaftlicher Entwicklung bei 110 Punkten.

Schwache Signale kommen auch vom Immobilienmarkt: Dem S&P/Case-Shiller Index zufolge fielen Häuserpreise um 4,2 Prozent. Ökonomen sprechen von einem Double-Dip, also einem zweiten Abtauchen in eine Rezession. "Die Wirtschaft stagniert im Moment wegen des Preisanstiegs bei Öl und Lebensmittel, die beim Wachstum ein bedeutsames Gewicht haben", zitiert das Online-Magazin politico Mark Zandi, Chefökonom bei Moody's Analytics.

Am Freitag wird einer der wichtigsten Indikatoren für die Entwicklung der Märkte erwartet: Das Bureau of Labor Service (BLS) legt die monatlichen Daten zum US-Arbeitsmarkt vor. Berichten zufolge dürfte die Erholung auf dem Arbeitsmarkt zwar im Mai angehalten haben. Doch die Dynamik des Stellenaufbaus dürfte schwächer ausgefallen sein, wie eine Umfrage von Dow Jones Newswire unter Volkswirten ergab. In Agenturberichten ist die Rede vom geringsten Stellenaufbau seit September 2010.

"It's the economy, stupid!" - mit diesem Leitsatz war Obamas Vorvorgänger Bill Clinton gegen George H. W. Bush 1992 in den Wahlkampf gezogen und hatte Erfolg. Als sich für Obama angesichts der schwächelnden Wirtschaft eine Niederlage im bei den Kongresswahlen abzeichnete, holte er sich deshalb Rat bei Clinton. Clintons Regierung gelang es, dank sparsamer Politik und sprudelnder Steuereinnahmen Haushaltsüberschüsse zu produzieren.

Doch trotz Clintons Ratschlägen ist Obama von solchen Erfolgen weiter entfernt denn je. Vor einigen Wochen haben die Schulden der Amerikaner die gesetzliche Obergrenze von 14,3 Billionen Dollar erreicht. Die USA brauchen täglich vier Milliarden Euro neue Schulden.

Nun verschärfen die Republikaner mit ihrer Mehrheit im Repräsentantenhaus den Streit um die Staatsfinanzen: Die zweite Kammer des Kongresses hat eine Erhöhung des Schuldenlimits abgeschmettert. Führende Demokraten warfen den republikanischen Abgeordneten politische Demagogie vor und verurteilten das Abstimmungsergebnis als "politisches Affentheater". Allerdings waren auch Demokraten unter denen, die gegen eine Erhöhung der Obergrenze gestimmt haben.

Obamas potentielle Rivalen im US-Wahlkampf 2012 erkennen bereits das Potential solcher Meldungen. Der frühere Gouverneur von Massachusetts, Mitt Romney, der seine Kandidatur in der vergangenen Woche verkündete, erklärte dem US-Sender NBC: Obama sei der "ineffizienteste amtierende Präsident, den ich je gesehen habe". Bei seinem Antritt im Weißen Haus Anfang 2009 sei der Wirtschaftsabschwung das drängendste Problem gewesen. "Er hat ihn nicht verursacht, aber er hat die Situation verschlimmert", so Romney weiter.

Derzeit laufen Gespräche zwischen Vizepräsident Joe Biden und der Spitze der Republikaner, um das Haushaltsdefizit in den Griff zu bekommen. Man habe sich bereits auf grob geschätzt vier Billionen Dollar an Einsparungen geeinigt, in den nächsten zwölf Jahren sollen. Dies entspricht dem Betrag, den Obama in seiner Grundsatzrede angekündigt hatte. Der Knackpunkt aber liegt in der Frage, wie und in welchen Bereichen die Einsparungen letztendlich umgesetzt werden können.

Die Republikaner drängen auf drastische Kürzungen im Gesundheitsbereich - und greifen damit den größten innenpolitischen Erfolg von Obamas Präsidentschaft an. Außerdem zeigt sich die Partei zunehmend selbstbewusst, seitdem sie im vergangenen Jahr in der zweiten Kammer die Mehrheit stellt. So machte der republikanische Repräsentantenhaus-Chef John Boehner klar, dass es keine Zustimmung seiner Partei geben werde, sollte es nicht zu "bedeutenden Einsparungen" bei Obamas Sozialprogrammen kommen.

Hinter den Kulissen sucht Vizepräsident Joe Biden zusammen mit den Spitzen der Republikaner fieberhaft nach einer Lösung - allerdings bislang ohne durchschlagenden Erfolg. Finanzminister Timothy Geithner hatte bereits vor "katastrophalen wirtschaftlichen Konsequenzen" gewarnt, sollten die Verhandlungsführer bis Anfang August zu keiner Einigung kommen. Dann nämlich droht den USA die Zahlungsunfähigkeit.

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