USA: neue Nahostpolitik:Obamas "Keulenschlag" gegen Netanjahu

US-Präsident Obama justiert seine Nahostpolitik neu: Einen Tag vor dem Treffen mit dem israelischen Premier Netanjahu trifft er einen wunden Punkt Israels. Und macht damit eine heikle Beziehung noch schwieriger. Aber auch die Palästinenser haben wenig Grund zur Freude.

Lilith Volkert

Besonders herzlich war die Beziehung zwischen Barack Obama und Benjamin Netanjahu nie. Doch nun dürfte die Betriebstemperatur zwischen Israels Premier und dem US-Präsidenten noch einmal um ein paar Grad gesunken sein: Ausgerechnet am Tag vor Netanjahus Besuch in Washington stellte Obama in einer Grundsatzrede Forderungen, die vor ihm noch kein amerikanischer Staatschef so deutlich ausgesprochen hat. Als Grundlage für eine Zwei-Staaten-Lösung nannte der US-Präsident die Grenzen von vor dem Sechstagekrieg im Jahr 1967.

Polarisierender Regierungschef: Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu

Misstraut dem Polit-Partner im Weißen Haus: Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.

(Foto: dpa)

Obama unterstützt damit - in diesem Punkt - die Position der Palästinenser.

Entsprechend ungehalten reagierte der israelische Regierungschef, der noch durch ein Telefonat mit US-Außenministerin Hillary Clinton versucht hatte, diesen Teil der Rede zu verhindern. Die Gründung eines Palästinenserstaates dürfe nicht auf Kosten der Existenz Israels erfolgen, gab Netanjahu zu Protokoll, kurz bevor er das Flugzeug Richtung Vereinigte Staaten bestieg. In den genannten Grenzen sei Israel "nicht zu verteidigen". Schmallippig erinnerte er Obama an eine Zusage dessen Vorgänger-Präsident George W. Bush aus dem Jahre 2004, dass man von Israel keinen Rückzug auf die Grenzen von 1967 erwarte.

Aus Sicht der israelischen Presse steht Netanjahus Besuch nach Obamas Rede unter einem schlechten Stern. Die Zeitung Jediot Ahronot schreibt, Obamas Rede habe einen "Schock in Netanjahus Umfeld" ausgelöst. Im Leitartikel der Zeitung Maariv heißt es, Obamas Vorstellungen für eine Nahost-Friedenslösung seien für Netanjahu wie ein "Keulenschlag".

Israel hatte im Sechstagekrieg gegen Ägypten und weitere arabische Staaten im Juni 1967 den Gazastreifen, die Halbinsel Sinai bis zum Suezkanal, das Westjordanland einschließlich der Altstadt von Jerusalem und die syrischen Golanhöhen besetzt. Die Palästinenser wollen nur mit Israel verhandeln, wenn der Grenzverlauf vor dem Krieg als Gesprächsgrundlage dient - diese Position machte sich Obama nun zu eigen.

Bei den Gesprächen zwischen dem US-Präsidenten und Netanjahu in Washington soll es nach offiziellen Angaben um die "volle Bandbreite" der beiderseitigen Beziehungen gehen. Außerdem werden die Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern im Mittelpunkt stehen, die seit vergangenem Herbst auf Eis liegen. Es wird sich zeigen, wie gut die beiden Staatsmänner dabei zueinanderfinden.

Warum Hardliner Netanjahu Obama danken dürfte

Obama und Netanjahu schätzen sich zwar auf intellektueller Ebene, trauen aber dem jeweils anderen nicht über den Weg.

US-Präsident Barack Obama während seiner Grundsatzrede zur US-Politik im Nahen Osten

US-Präsident Barack Obama während seiner Grundsatzrede zur US-Politik im Nahen Osten

(Foto: dpa)

Die New York Times will aus Obamas Umfeld erfahren haben, der Präsident rechne nicht mehr damit, dass Netanjahu die für den Friedensprozess nötigen Zugeständnisse machen werde. Die israelsiche Zeitung Haaretz machte aus diesem Gerücht gleich eine Schlagzeile.

Das Verhältnis der beiden Staatsmänner ist seit Obamas Amtsantritt 2009 nicht einfach. Netanjahu ist verantwortlich für Obamas erste große außenpolitische Demütigung: Der US-Präsident hatte sich seit Beginn seiner Amtszeit für einen Baustopp jüdischer Siedlungen im Westjordanland ausgesprochen - die zweite wichtige Forderung der Palästinenser.

Netanjahu ließ Obamas Vermittlungsversuche ins Leere laufen und verteidigte wendig wie kompromisslos den geplanten Siedlungsausbau im arabischen Ostteil von Jerusalem. Verärgert sperrte der US-Präsident bei einem Treffen im März 2010 die Fotografen aus, um keine symbolisch bedeutsamen Bilder mit Netanjahu zu liefern. Auch in den vergangenen Monaten hat sich Netanjahu aus Obamas Blickwinkel nicht als kooperativer Verhandlungspartner erwiesen.

Amerikanische Nahostexperten vermuten hinter Obamas aktuellen Forderungen weniger strategische, denn taktische Überlegungen: Seine deutlichen Worte in Richtung Israel könnten darauf zielen, die Palästinenser an den Verhandlungstisch zurückzuholen und sie von ihrem Plan abzubringen, einen unabhängigen palästinensischen Staat im September von den Vereinten Nationen anerkennen zu lassen. In seiner Rede hatte Obama erklärt, diese Bemühung sei seiner Meinung nach zum Scheitern verurteilt.

Erste Reaktionen zeigen, dass sich der US-Präsident möglicherweise verkalkuliert hat. "Obamas Rede ist sehr enttäuschend", sagt etwa das Mitglied des PLO-Exekutivkomitees Wasel Abu Jusef. Obama habe sich rückwärts, statt vorwärts bewegt und voll auf die Seite Israels geschlagen. Neue Verhandlungen sieht Abu Jusef nicht.

Viele Kommentatoren meinen, dass sich Hardliner Netanjahu bei Obama nicht beschweren, sondern bedanken sollte. "Gestern hat der US-Präsident die einzige Errungenschaft der Palästinenser zerstört - eine Welle der internationalen Unterstützung für die Anerkennung eines palästinensischen Staates. Der September (als Zieldatum) ist letzte Nacht gestorben, schreibt Haaretz und unkt: "Nach den USA werden jetzt die Europäer ihre Unterstützung zurückziehen."

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