US-Präsident Barack Obama, ein Demokrat, überzieht Russland mit Sanktionen. Hochrangige Republikaner klatschen Beifall oder fordern gar, die vorgebliche Einmischung Wladimir Putins in den Präsidentschaftswahlkampf noch härter zu bestrafen. Falls dahinter eine parteiübergreifende Strategie steckt, muss man sagen: Chapeau! Denn Obamas Festlegung wird es dem künftigen Präsidenten Donald Trump schwer machen, amerikanische und westliche Interessen gegenüber Russland preiszugeben und eine gravierende politische Richtungsänderung einzuleiten.
Trumps Äußerungen und sein Verhalten in der Affäre um gestohlene E-Mails lassen vermuten, dass er einen Kuschelkurs gegenüber Wladimir Putin fahren möchte, einem Staatenlenker, den er offenbar als Bruder im Geiste empfindet. Dies wäre gefährlich: Er würde Putins aggressiven außenpolitischen Kurs belohnen und so bestärken. Außerdem würde er die Politik der Nato und der EU gegenüber Russland ad absurdum führen und damit schwächen.
Donald Trump:Trump lobt Putin für Reaktion auf US-Sanktionen
Der designierte US-Präsident nennt den Verzicht des Kreml auf schnelle Gegenmaßnahmen einen "großartigen Schachzug".
So könnte sich die Bedrohungslage für Staaten wie die Ukraine und die baltischen Länder verschärfen. Trump könnte dann bald wie Putins Pudel im Weißen Haus wirken. Und es spricht einiges dafür, dass der unberechenbare Narziss Trump dann auf Crashkurs zu dem berechnenden Narziss Putin umschalten wird. Die Folgen mag man sich nicht vorstellen.
Putin lockt mit Großzügigkeit
Doch wie lässt sich vermeiden, dass dieses Katastrophenszenario eintritt? Schon lockt Putin den neuen Präsidenten mit unerwarteter Großzügigkeit. US-Diplomaten werden, zumindest erst mal, nicht ausgewiesen. Zudem wurden die Erwartungen, Trump lasse sich schon noch stoppen, im vergangenen Jahr mehrmals enttäuscht.
Warum sollte dieser Wut-Politiker jetzt, da er das mächtigste Amt der Welt erhält, rationaler, gemäßigter und verantwortungsbewusster agieren? Eher ist das Gegenteil zu erwarten: Je mehr sich Trumps Allmachtsfantasien verwirklichen, desto stärker werden Egomanie und Größenwahn. Krankhafte Narzissten hungern nach Anerkennung. Dieser Hunger wird immer stärker, je öfter er gestillt wird - manchmal mit furchtbaren Folgen.
Es ist daher unsinnig zu hoffen, Trump selbst werde Trump stoppen. Dies müssen andere tun. Der scheidende Präsident und etliche seiner bisherigen republikanischen Gegner scheinen dazu in letzter Minute bereit zu sein. Offenbar überwinden sie ihren Parteienhader und nutzen Putins Konfrontationskurs samt seiner mutmaßlichen Manipulationsversuche im Wahlkampf nicht nur für eine klare Haltung gegenüber Moskau, sondern auch zur Einhegung von Donald Trump.
Trump droht Ansehensverlust
Trump kann es sich nun kaum noch leisten, mit Putin zu paktieren. Tut er es trotzdem, drohen ihm nicht nur ein Aufstand in der Republikanischen Partei und der Widerstand des Kongresses, sondern auch Ansehensverlust bei den eigenen Wählern. Denn die Mehrheit der Amerikaner teilt den kritischen Blick auf Moskau und möchte sich nicht vorführen lassen.
Lässt sich Donald Trump also durch eine große Koalition der Vernünftigen in Washington bremsen? Die Erfahrung stimmt da eher skeptisch. Zum einen, weil die Vernunft in aufgewühlten Zeiten meist untergepflügt wird; zum anderen, weil Narzissten an der Macht eine unheimliche Dynamik entfalten können, was in der Regel in ein Desaster mündet. Dennoch müssen es die konstruktiven Kräfte in den Vereinigten Staaten versuchen, ihren neuen Präsidenten einzuhegen. Das sind sie dem amerikanischen Volk schuldig - und dessen Freunden in der ganzen Welt.