Süddeutsche Zeitung

Massaker in den USA:Wenn Worte nicht reichen, um den Hass zu begreifen

  • Nach dem Massaker in El Paso sprechen die Behörden von einem terroristischen Motiv.
  • Ein Attentäter hatte am Samstag 20 Menschen in einem Walmart erschossen.
  • Am Tag nach der Tat bricht die politische Schlammschlacht los - und der Präsident spricht davon, dass für Hass kein Platz sei.

Von Alan Cassidy, Washington

Am Wochenende wurde sie brutale Realität, die Gewalt an der Grenze, von der Donald Trump fortwährend redet. Doch es waren keine Mexikaner, die in El Paso Tod und Terror verbreiteten, keine "Invasoren" aus Zentralamerika, wie sie der US-Präsident nennt. Es war ein weißer Rassist. In einem Vorort von Dallas setzte sich der 21-Jährige ins Auto. Nach zehn Stunden Fahrt quer durch Texas erreichte er El Paso, die Stadt mit 700 000 Einwohnern an der Grenze zu Mexiko.

In einem Einkaufszentrum erschoss der Mann dort am Samstag mit einem Sturmgewehr 20 Menschen und verletzte 26 weitere. Seither herrschen in El Paso Trauer, Entsetzen und Wut. Eine der sichersten Städte der USA, die geprägt ist von ihren vielen lateinamerikanischen Einwohnern, ist zum Schauplatz eines Terroranschlags geworden.

Terror - das ist nicht jedes Mal der Begriff, den die US-Behörden nach einem rassistisch motivierten Attentat verwenden. Doch diesmal sei die Lage klar. "Wir behandeln diesen Fall als Fall von einheimischem Terrorismus, und wir werden tun, was wir mit allen Terroristen in diesem Land tun", sagte Bundesstaatsanwalt John F. Bash am Sonntag: "Wir ziehen sie rasch und bestimmt zur Verantwortung."

Konkret plant die Staatsanwaltschaft, den inzwischen in Haft sitzenden Schützen wegen Hassverbrechen anzuklagen. Darauf steht in Texas unter Umständen die Todesstrafe. Die Behörden bestätigten auch, dass es sich bei dem rassistischen Manifest, das kurz vor der Tat im Internet auf der Forumsseite 8chan veröffentlicht wurde, um das Werk des Schützen handelt. Er hatte darin angekündigt, die "hispanische Invasion von Texas" stoppen zu wollen. Das Schnellfeuergewehr WASR-10, die rumänische Zivilvariante einer modernisierten AK-47, mit dem er die Menschen tötete, hatte er laut den Ermittlern legal erworben.

Das Provider-Unternehmen von 8chan stellt der Forumsseite nicht länger seine Technik zur Verfügung

Cloudflare, das in San Francisco angesiedelte Unternehmen, das die technische Infrastruktur unter anderem auch für 8chan unterhält, hat inzwischen angekündigt, der Forumsseite eben diesen Service nicht länger zu bieten. "Das Grundprinzip ist simpel. Sie haben bewiesen, dass sie gesetzlos sind, und diese Gesetzlosigkeit hat zu vielen tragischen Toden geführt. Auch wenn 8chan selbst das Gesetz nicht gebrochen haben mag, indem sie sich weigern, ihre hasserfüllte Community zu moderieren, dann haben sie doch eine Umgebung geschaffen, die darin schwelgt, es zu verletzen", gab Matthew Prince, der CEO von Cloudflare, in einem Blogeintrag als Begründung an.

El Paso ist die Heimatstadt des demokratischen Präsidentschaftskandidaten Beto O'Rourke, er ist dort aufgewachsen, vertrat die Gegend von 2013 bis Anfang 2019 im US-Kongress und lebt dort noch heute. Am Samstag befand sich O'Rourke bei einem Wahlkampfauftritt mit Gewerkschaftern in Las Vegas, als er vom Attentat erfuhr. Er habe sofort seine Frau angerufen, die in El Paso gerade mit der gemeinsamen Tochter im Auto unterwegs war. "Dies ist eine Erinnerung daran, was am Ende wirklich zählt", sagte er. Bald nach der Tat kündigte O'Rourke mit tränenerstickter Stimme an, seinen Wahlkampf zu unterbrechen, um nach El Paso zu seiner Familie und seinen Freunden zu fahren: "Ich bin unendlich traurig."

Politische Schlammschlacht nach dem Massaker

Als er tags darauf bei CNN zugeschaltet wurde, klang O'Rourke nicht mehr traurig, sondern wütend. Er kritisierte die Republikaner im Kongress dafür, alle Versuche, den Zugang zu Waffen einzuschränken, zunichtegemacht zu haben. Und er wies Trump eine Mitverantwortung für das Attentat zu: Der Präsident habe mit seiner Rhetorik gegen Einwanderer viel damit zu tun, was in El Paso geschah. Vom Moderator gefragt, ob er Trump für einen "weißen Nationalisten" halte, sagte O'Rourke: "Ja".

In einem anderen Interview bei CBS führte er aus, was er damit meinte: "Wer als Präsident Asylsuchende an der Grenze als Invasoren oder Tiere bezeichnet, wer all jene gefährlich nennt, die nicht zur Mehrheit der Bevölkerung gehören, der sät die Art von Reaktion, die wir gestern in El Paso gesehen haben."

Damit war sie dann definitiv ausgebrochen, die politische Schlammschlacht rund um das Attentat. Ronna McDaniel, die Vorsitzende der Republikanischen Partei, warf O'Rourke vor, die Tragödie von El Paso zu benutzen, um seine eher erfolglose Präsidentschaftskandidatur zu beleben: "Das ist abscheulich und falsch." Allerdings war es längst nicht nur O'Rourke, der Trumps Rolle kritisierte. Reihum meldeten sich die Präsidentschaftsbewerber der Demokraten zu Wort.

Pete Buttigieg, Bürgermeister von South Bend, Indiana, forderte den Präsidenten auf, sich an die Amerikaner zu wenden, den weißen Nationalismus des Attentäters auf unmissverständliche Weise zu verurteilen - und seine Partei im Senat dazu zu bringen, wenigstens kleine Reformen des Waffenrechts zu ermöglichen. Zumindest am Sonntag tat Trump dies nicht. Bevor er von seinem Wochenende auf einem Golfplatz nach Washington zurückflog, sagte er zu Journalisten bloß: "Hass hat in unserem Land keinen Platz."

Andere Republikaner gingen da schon weiter - zumindest einige aus Texas. George Prescot Bush, Sohn des früheren Präsidentschaftskandidaten Jeb Bush und dessen mexikanischer Frau, rief alle Politiker auf, sich von "weißem Terrorismus" zu distanzieren. Auch Ted Cruz, Senator aus Texas, äußerte sich in diese Richtung: Als Sohn eines kubanischen Einwanderers sei er erschüttert über den Hass gegen Lateinamerikaner, den der Schütze in seinem Manifest verbreitet habe.

Möglich, dass sich auch Trump noch zu einer klareren Distanzierung durchringt, besonders, wenn der öffentliche Druck auf ihn steigt. Das Weiße Haus hat eine weitere Stellungnahme für Montag angekündigt. Ob Trump und die Republikaner sich aber auch in der Frage nach konkreten Folgen für die Waffengesetze bewegen werden: Das ist offen.

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