Süddeutsche Zeitung

Luftangriffe im Irak:US-Warnung an mehrere Adressaten

US-Präsident Biden lässt schiitische Milizen im Irak und Syrien bombardieren. Er will sie vor weiteren Angriffen auf amerikanische Soldaten abschrecken. Aber die Botschaft gilt auch der neuen Führung in Iran.

Von Paul-Anton Krüger

US-Präsident Joe Biden hat zum zweiten Mal in seiner Amtszeit Luftangriffe im Irak und in Syrien auf von Iran kontrollierte schiitische Milizen angeordnet. Wie das US-Verteidigungsministerium mitteilte, richteten sie sich gegen Stützpunkte im Grenzgebiet zwischen den beiden Ländern, welche die Milizen für Drohnenattacken auf amerikanische Soldaten und Einrichtungen im Irak genutzt hätten.

Laut Pentagon-Sprecher lagerten Kata'ib Hisbollah und Kata'ib Sayyid al-Shuhada dort Waffen und Munition. Die beiden Gruppen gehören zu den radikalsten unter den schiitischen Milizen. Sie sollen für Dutzende Attacken auf US-Ziele verantwortlich sein. Präsident Biden habe klargemacht, dass er das US-Personal im Irak schützen werde, sagte der Sprecher weiter. Bestätigte Angaben über Opfer der US-Luftangriffe gab es zunächst nicht. Im Irak hieß es, vier Kämpfer seien getötet worden. Syrischen Angaben nach handelte es sich um Zivilisten. Eine unabhängige Überprüfung war nicht möglich.

Das Pentagon rechtfertigte die Luftschläge als legitime Selbstverteidigung und nannte sie verhältnismäßig. Der Sprecher des iranischen Außenministeriums warf den USA seinerseits vor, mit den Angriffen die Sicherheit der gesamten Region aufs Spiel zu setzen. Leider setze Biden die gescheiterte Politik seines Vorgängers nicht nur mit Blick auf die Sanktionen gegen Iran, sondern auch in regionalen Fragen fort.

Das Bombardement in der Nacht zum Montag fällt in eine Zeit wachsender Spannungen in der Golfregion, in der sich das Verhältnis zwischen den USA und Iran nach dem Machtwechsel in Teheran neu tarieren könnte. Der designierte neue Präsident der Islamischen Republik, Ebrahim Raisi, ist wie der Oberste Führer Ajatollah Ali Chamenei ein Hardliner und eng mit den Revolutionsgarden verbunden. Er tritt am 3. August sein Amt an.

Seine Verbindungen zu den Revolutionsgarden sind eng, und diese steuern letztlich etliche der Milizen im Irak und in Syrien. Und es ist offenbar ein Anliegen der US-Regierung, der neuen Führung in Teheran zu demonstrieren, dass Washington entschlossen ist, seine Soldaten zu schützen und seine Interessen zu verteidigen. Zumal die ohnehin nur indirekt geführten Gespräche zwischen Teheran und Washington in Wien über eine Rückkehr zum Atomabkommen von 2015 gerade ins Stocken geraten. Raisi hat jegliche weitergehenden Verhandlungen über regionale Fragen oder das Raketenprogramm der Revolutionsgarden mit den USA oder anderen westlichen Staaten abgelehnt, nicht jedoch einen Dialog mit Nachbarländern wie Saudi-Arabien.

Iraks Premier versucht, die Macht der Milizen einzuhegen

Zudem stehen im Herbst Parlamentswahlen im Irak an. Dabei wollen die von Iran unterstützten Parteien und die mit ihnen verbundenen bewaffneten Gruppen ihre Macht in Bagdad festigen und den Einfluss der USA zurückdrängen. Das Parlament in Bagdad hat auf deren Druck hin den Abzug der US-Truppen und anderer ausländischer Soldaten gefordert, nachdem die USA unter dem ehemaligen Präsidenten Donald Trump Anfang Januar 2020 bei einem Drohnenangriff am Flughafen von Bagdad den iranischen Revolutionsgarden-General Qassim Soleimani getötet hatten und mit ihm Abu Mahdi al-Muhandis, einen der wichtigsten Milizenführer im Irak. Auslöser war damals unter anderem eine Belagerung der US-Botschaft in Bagdad durch Anhänger der Milizen.

Iraks Premierminister Mustafa al-Kadhimi, früher Geheimdienstchef des Landes, versucht, die Macht der Milizen einzuhegen und die Position des staatlichen Sicherheitsapparats zu stärken. Letztlich muss er ein Gleichgewicht zwischen dem starken iranischen Einfluss und den USA halten. Zudem versucht er sein Amt zu nutzen, um die Rolle seiner Regierung als regionaler Vermittler aufzuwerten.

Er hat Gespräche zwischen Saudi-Arabien und Iran angebahnt. Am Wochenende empfing er in Bagdad den jordanischen König Abdullah und den ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi in Bagdad - beide enge Verbündete Washingtons unter den arabischen Staaten, die zudem beide Frieden mit Israel geschlossen haben.

Der politische Druck auf Biden war gewachsen

Die von den Revolutionsgarden gesteuerten schiitischen Milizen haben dem Pentagon zufolge in den vergangenen drei Monaten mindestens fünfmal Stützpunkte im Irak attackiert, auf denen US-Spezialeinheiten oder Mitarbeiter des Auslandgeheimdienstes CIA stationiert sind. Sie setzten bei den Attacken im Schutz der Nacht kleinere Drohnen ein, die entweder Sprengsätze abwerfen oder sich mit ihrer explosiven Fracht auf ihr Ziel stürzen - eine Technologie, die von den Revolutionsgarden entwickelt und bereitgestellt wird.

Die USA haben derzeit noch etwa 2500 Soldaten im Irak stationiert, die zum besseren Schutz auf wenigen Stützpunkten zusammengezogen worden sind. Im April wurde eine von der CIA genutzte Halle am Flughafen Erbil in den autonomen Kurdengebieten getroffen, im Mai der irakische Luftwaffenstützpunkt Ain al-Assad, auf dem auch westliche Truppen stationiert sind.

Amerikaner wurden dabei bislang weder verletzt noch getötet, aber der politische Druck aus dem Kongress auf Biden war gestiegen, auf die Attacken zu reagieren. Das US-Militär hofft, die Milizen von weiteren Attacken abzuschrecken, wenn diese wissen, dass sie mit militärischen Gegenschlägen rechnen müssen.

Biden hatte sich vergangene Woche von Verteidigungsminister Lloyd Austin und Generalstabschef Mark Milley über Optionen für eine militärische Reaktion informieren lassen und dann eine begrenzte gewählt, die offenkundig die Lage nicht weiter eskalieren soll. Kurz nach seinem Amtsantritt im Februar hatte der US-Präsident bereits ähnliche Luftschläge angeordnet.

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