Süddeutsche Zeitung

USA:Kurzer Prozess für Donald Trump

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Die Anklageschrift gegen den Ex-Präsidenten ist von Abgeordneten des Repräsentantenhauses an den US-Senat übergeben worden. Das Verfahren werde nicht lange dauern, kündigen die Demokraten an.

Von Thorsten Denkler, New York

Als sich die neun auserkorenen Demokraten am Montagabend Washingtoner Zeit auf den Weg hinüber zum Senat machten, durchquerten sie mit jedem Schritt einen Tatort. Vor 19 Tagen, am 6. Januar, hatten Hunderte Aufrührer das Kapitol gestürmt. In der National Statuary Hall und der großen Rotunde hatten Anhänger von Donald Trump ihre Fahnen geschwenkt und "Hängt Mike Pence! Hängt Mike Pence!" gerufen. Trumps Vizepräsident hatte an jenem Tag die Aufgabe, die Ergebnisse der Präsidentschaftswahl zu verkünden und damit endgültig zu zertifizieren. Das wollten Noch-Präsident Trump und seine Anhänger verhindern. Fünf Menschen haben wegen des Aufstandes ihr Leben verloren.

An diesem Montag fast drei Wochen später ging der demokratische Abgeordnete Jamie Raskin aus Maryland vorneweg, hinter ihm in Zweierreihen die weiteren acht sogenannten Impeachment-Manager des Repräsentantenhauses. Sie werden in dem Prozess vor dem Senat die Ankläger sein. Sie sind, wie alle Demokraten und zehn Republikaner im Repräsentantenhaus, überzeugt, dass Donald John Trump, der 45. Präsident der Vereinigten Staaten, zu dem Aufstand aufgerufen hat.

Raskins Auftritt vor dem Senat hatte dann etwas Persönliches. Der frühere Professor für Verfassungsrecht hat die Anklage wesentlich mitverfasst. Den ersten Entwurf soll Raskin bereits geschrieben haben, als die Aufrührer noch im Kapitol waren. Auf Basis seines Entwurfs hat das Repräsentantenhaus am 13. Januar das Impeachment beschlossen. Zum fünften Mal in der Geschichte der USA. Am Silvester-Abend ist Raskins 25 Jahre alter Sohn gestorben. Raskin sagte später: "Ich habe 2020 meinen Sohn verloren. Ich werde nicht 2021 auch noch mein Land verlieren."

Trumps bisheriger Anwalt könnte nun als Zeuge befragt werden

Aber eine persönliche Angelegenheit ist dieses Impeachment wohl für jedes Kongressmitglied, das am 6. Januar im Kapitol war, das die Schüsse hörte, die Schreie, das Klirren zerbrechenden Glases. Wenn auch einige daraus nicht den Schluss ziehen wollen und werden, dass Trump der Initiator dieses Aufruhrs war. In zwei Wochen, am 9. Februar, soll das Verfahren unter dem Vorsitz von Senator Patrick Leahy aus Vermont beginnen. Dann werden mit ihm die 100 Senatoren in die Rolle von Richtern schlüpfen. Raskin und seine acht Impeachment-Manager werden die Anklage vertreten. Für Trump wird wohl Rechtsanwalt Butch Bowers aus South Carolina sprechen. Ein neuer Name im Trump-Kosmos.

Trumps bisheriger Anwalt Rudy Giuliani hätte den Job wohl gerne übernommen. Aber Trump hat offenbar eingesehen, dass ihm das mehr Schaden könnte als helfen. Zumal Giuliani am 6. Januar mit Trump auf der Bühne vor dem Weißen Haus stand, von wo aus der jetzige Ex-Präsident Tausende Anhänger aufforderte, zum Kapitol zu marschieren. Giuliani selbst forderte die Trump-Fans auf, die Entscheidung über den Wahlausgang in der "Schlacht" zu suchen. Was ihn im Sinne der Anklage zu einem Komplizen macht. Er könnte also auch als Zeuge aufgerufen werden. Ob und in welchem Umfang Zeugen aufgerufen und Beweise vorgelegt werden, ist noch nicht klar. Die Demokraten im Senat sehen offenbar wenig Grund für langwierige Zeugenanhörungen. "Diese Beweise liegen auf der Hand. Es sind Trumps eigene Worte. Es ist auf Video", sagt Senator Richard Blumenthal aus Connecticut.

Die Ankläger werden sich deshalb wohl auf die Fakten verlassen: Trumps Versuche, schon vor der Wahl jedes Ergebnis infrage zu stellen, das nicht seinen Sieg bedeutet. Trumps wohldokumentierte Versuche nach der Wahl, das Ergebnis in einzelnen Bundesstaaten zu kippen, auch mit Hilfe von Drohungen etwa gegen Wahlaufseher in Georgia.

Trump hatte die Randalierer als "sehr besondere Menschen" bezeichnet

Trumps Aufruf zu einem "großen Protest" am 6. Januar in Washington. Trumps Rede, in der der US-Präsident die Massen dazu aufrief, zum Kapitol zu marschieren. Und nicht zuletzt: Trumps Video-Botschaft, in der er die Randalierer als "sehr besondere Menschen" bezeichnet und betont, dass er sie alle "liebt".

17 republikanische Senatoren müssten mit den Demokraten stimmen, um bei voll besetztem Haus auf die für eine Verurteilung nötige Zweidrittelmehrheit der anwesenden Parlamentarier zu kommen. Die Republikaner sind in einer Zwickmühle. Verurteilen sie Trump, riskieren sie die Spaltung der Partei. Angeblich soll Trump bereits an der Gründung einer neuen "Patriot Party" arbeiten.

Der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Chuck Schumer, hat angekündigt, der Prozess werde "fair sein". Aber es werde "relativ schnell gehen". Kurzer Prozess also, Ausgang offen.

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