USA:Der Kulturkampf um Abtreibungen eskaliert

USA: Eine Kombipackung von Tabletten mit den Wirkstoffen Mifepriston und Misoprostol.

Eine Kombipackung von Tabletten mit den Wirkstoffen Mifepriston und Misoprostol.

(Foto: HANDOUT/AFP)

Ein konservativer Richter in Texas hat die Zulassung des Abtreibungs-Medikaments Mifepriston aufgehoben. Das Justizministerium und mehrere Bundesstaaten gehen gegen das Urteil vor.

Von Christian Zaschke, New York

In Kalifornien hat Gouverneur Gavin Newsom verkündet, der Staat habe einen Notfallvorrat von zwei Millionen Abtreibungspillen angelegt. Aus Massachusetts und Washington war übers Wochenende ähnliches zu hören. Grund dafür ist ein Urteil eines Richters in Texas, der am Freitag entschieden hatte, die 23 Jahre alte Zulassung des Medikaments Mifepriston durch die zuständige Behörde sei nicht rechtens gewesen. Abtreibungsgegner hatten am Gericht in Amarillo geklagt, weil dort der vom ehemaligen Präsidenten Donald Trump eingesetzte Richter Matthew Kacsmaryk sitzt, der als besonders konservativ gilt.

Sollte der Spruch Bestand haben, könnte der Vertrieb von Mifepriston bereits ab Ende der Woche illegal sein. Allerdings hat das Justizministerium am Montag Einspruch gegen das Urteil aus Texas eingelegt, so dass der Fall vor ein Berufungsgericht wandert. Zudem hatte ein Richter in Washington in einem ähnlich gelagerten Fall ebenfalls am Freitag exakt andersherum geurteilt. Er hatte entschieden, dass Mifepriston in 17 Bundesstaaten weiterhin erhältlich sein muss.

Im Jahr 2000 hatte die Food and Drug Administration (FDA) nach langwierigen Tests entschieden, Mifepriston für den US-Markt zuzulassen. Seither ist die Pille millionenfach genommen worden. Mehr als die Hälfte aller Abtreibungen in den USA werden durch eine Kombination der Medikamente Mifepriston und Misoprostol vorgenommen.

Eine Anwältin sagt, die FDA habe "Frauen in Gefahr gebracht"

Mifepriston blockiert das Schwangerschaftshormon Progesteron, Misoprostol sorgt für das eigentliche Ende der Schwangerschaft. Es ist daher auch möglich, ohne Mifepriston abzutreiben. Allerdings sei der Vorgang dann von stärkeren Nebenwirkungen begleitet, es komme zu stärkeren Krämpfen und Blutungen.

Zur Begründung seiner überraschenden Entscheidung, die Zulassung des Medikaments nach 23 Jahren aufzuheben, sagte der Richter, die FDA habe sich seinerzeit außerhalb ihrer Zuständigkeit bewegt. Das ist insofern eine erstaunliche Aussage, als die FDA exakt für die Prüfung und Zulassung von Medikamenten zuständig ist. Die Zulassung sei auf der Grundlage von nicht stichhaltigen Argumenten erfolgt. Man habe die mit der Medikamenteneinnahme verbundenen Risiken ignoriert. Eine Anwältin, die mehrere Gruppen von Abtreibungsgegnern vertritt, sagte am Montag: "Indem sie illegalerweise gefährliche chemische Abtreibungsmedikamente zuließ, hat die FDA Frauen in Gefahr gebracht. Dafür sollte sie zur Rechenschaft gezogen werden."

Der Fall wird vor dem Berufungsgericht in New Orleans landen, das als eher konservativ gilt. Das muss allerdings nicht bedeuten, dass es den Spruch des Richters aus Amarillo aufrecht erhält, denn dessen Urteil hätte weitreichende Konsequenzen. "Wenn diese Entscheidung Bestand hat, wird es praktisch kein zugelassenes Medikament mehr geben, das vor solchen politischen, ideologischen Attacken sicher ist", hieß es in einer Stellungnahme von US-Präsident Joe Biden.

Langfristig wird damit gerechnet, dass der Fall bis zum Supreme Court wandert, zumal mit dem Urteil aus dem Bundesstaat Washington ein gegenteiliger Spruch im Raum steht. Lawrence Gostin von der Georgetown University sagte: "Das ist ein frontaler Angriff auf die Legitimität der FDA." Das Urteil stelle die Hoheit der Behörde in den Genehmigungsverfahren für Arzneimittel infrage.

Eine Sprecherin der Anti-Abtreibungsgruppe Human Coalition sagte: "Wir hoffen absolut, dass der Supreme Court dieses Thema ein für allemal regelt. Das geht jetzt schon jahrzehntelang." Darin drückt sich wohl die Hoffnung aus, dass der äußerst konservativ besetzte Supreme Court erneut im Sinne der Abtreibungsgegner entscheidet. Im vergangenen Jahr hatte das Gericht in einer Aufsehen erregenden Entscheidung ein Gesetz gekippt, das Frauen in den USA seit 1973 das Recht auf eine Abtreibung zusicherte. Derzeit ist es an den Bundesstaaten, darüber zu entscheiden.

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