USA:Knaller aus Tennessee

2018 Billboard Music Awards - Arrivals

Eine der Erfolgreichsten: Taylor Swift wurde schon als Teenagerin berühmt. Mindestens 170 Millionen Tonträger der Popsängerin, Gitarristin und Songschreiberin wurden verkauft.

(Foto: AFP)

Wahlempfehlungen interessieren in Amerika sonst kaum jemanden. Doch jetzt rät die Sängerin Taylor Swift ihren Fans, Demokraten zu wählen.

Von Hubert Wetzel, Washington

In Amerika gibt es die Institution der Wahlempfehlungen. Irgendjemand, der oder die irgendwie prominent ist, sagt, welchen politischen Kandidaten er oder sie unterstützt. Die meisten dieser Wahlempfehlungen interessieren niemanden wirklich, nicht den Empfehlenden, nicht den Empfohlenen, am wenigsten den Wähler. Schauspieler X sagt, dass er Politiker Y klasse findet? Weiterschlafen!

Doch ab und an gibt es Wahlempfehlungen, die interessieren alle. Die sind wie ein Knall, bei dem die Leute aufschrecken und nervös herumschauen, was das jetzt war. Am Sonntag knallte es in Tennessee. Genauer: Es knallte auf Instagram, denn dort gab Taylor Swift, beliebteste Popsängerin der Welt und Bürgerin von Tennessee, bekannt, für wen sie bei der bevorstehenden Kongresswahl stimmen wird: für die Demokraten Phil Bredesen (Senat) und Jim Cooper (Abgeordnetenhaus).

Das war eine in vielerlei Hinsicht bemerkenswerte Stellungnahme. Politisch war sie interessant, denn Swift begründete ihre Auswahl mit ihrem Engagement gegen Rassismus und für die Rechte von Frauen und Homosexuellen. Die republikanische Senatskandidatin Marsha Blackburn trete nicht für diese Werte ein, schrieb die 28-Jährige. "Ich kann nicht für jemanden stimmen, der nicht bereit ist, für die Würde ALLER Amerikaner zu kämpfen."

Dass für Swift ihre politischen Ideale wichtiger sind als die Solidarität mit der einzigen Kandidatin im Rennen, ist kaum überraschend. Frau wählt Frau - diese einfältige Gleichung war schon 2016 falsch, als sehr, sehr viele Wählerinnen lieber für den Sexprotz Donald Trump stimmten als für Hillary Clinton.

Dennoch löste zumindest Swifts Wahlempfehlung für Phil Bredesen Verwunderung aus. Der ehemalige Gouverneur von Tennessee hatte seine Partei vorige Woche mit der Aussage verärgert, dass er, wäre er schon Senator, für Trumps umstrittenen rechten Richterkandidaten Brett Kavanaugh votieren würde. Das musste er wohl sagen, denn Tennessee ist ein konservativer Südstaat. Doch jetzt empfiehlt die Feministin Taylor Swift einen Mann, der seinerseits einen Mann empfohlen hat, dem die Demokraten vorwerfen, er werde als Verfassungsrichter sämtliche Rechte von Frauen, Homosexuellen, Schwarzen und Latinos einstampfen. Salopp gesagt ist das so, als mache Jesus Wahlkampf für Satan.

Noch erstaunlicher ist freilich, dass sich Swift überhaupt geäußert hat. Die Sängerin war, was Politik angeht, bisher eine Sphinx. Weil niemand wusste, was sie wirklich denkt, wurde allerlei bizarrer Quatsch erfunden. Rechtsradikale feierten Swift, blond und weiß, wie sie ist, als "arische Göttin". Von Linken wurde sie als "Nazi-Barbie" beschimpft. Swift selbst schwieg zu allen Spekulationen über ihre politischen Ansichten. Das mochte auch damit zusammenhängen, dass sie ihre Karriere in der Country-Musik begonnen hat, deren Zielgruppe auch heute noch eher das kernige, ländliche, weiße, republikanische Amerika ist. Selbst moderne Country-Songs drehen sich in erster Linie um Pick-up-Trucks und Dosenbier. Frauen kommen darin oft nur als "hübsche kleine Dinger" vor.

Man muss als Country-Künstler daher schon sehr gut im Geschäft sein, um gegen diesen mächtigen konservativen Strom schwimmen zu können. Swift, die inzwischen ins Pop-Lager gewechselt ist und dort in einer eigenen Liga von Supersuperstars spielt, kann sich das wohl leisten.

Wird Swifts Wahlempfehlung den Kandidaten helfen? Das weiß niemand. Die meisten dieser Empfehlungen sind völlig folgenlos. Andererseits hat Swift auf Instagram sagenhafte 112 Millionen Anhänger, gut doppelt so viele wie die 55 Millionen Menschen, die Donald Trump bei Twitter folgen. Der empfiehlt natürlich Marsha Blackburn. Am 7. November weiß man, wer gewonnen hat.

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