USA: Karl Rove ist zurück:"Haben diese Menschen keinerlei Scham?"

Karl Rove, Ex-Strippenzieher von George W. Bush, kämpft wieder für die Republikaner. Prompt wird er selbst zum Ziel bissiger Angriffe des Weißen Hauses - und redet sich in Rage.

Christian Wernicke, Washington

Der alte Lieblingsfeind ist wieder da. Und er spielt, zur Freude von Präsident Barack Obama und von Amerikas Demokraten, seine Rolle mit Leidenschaft. "Aus der Luft gegriffene Lügen", so polterte Karl Rove im Fernsehinterview, habe das Weiße Haus über ihn verbreitet: "Die können doch keinerlei Beweis für ihre Anschuldigungen vorlegen."

Karl Rove

"Rasputin mit dem Antlitz eines Biedermanns": Während der ehemalige Präsident George W. Bush seinen Ruhestand genießt, ist sein ehemaliger Chefdenker, der Republikaner Karl Rove, wieder zurück auf der politischen Bühne.

(Foto: AP)

Rove, als engster Vertrauter von George W. Bush jahrelang das vermeintliche "Hirn" aller republikanischen Macht, redet sich in Rage. "Haben diese Menschen keinerlei Scham?", zürnt er bei Fox News, "hat der Präsident der Vereinigten Staaten so wenig Respekt vor seinem Amt, dass er derartig unbegründete Vorwürfe gegen seine politischen Feinde macht?"

Roves Empörung ist ein Stück weit Theater. Diesen Mann haben, als Regisseur der beiden Präsidentschaftskampagnen 2000 und 2004, nie irgendwelche Skrupel gequält, die Gegner seines Dienstherrn durch den Dreck zu ziehen. Unter Roves Ägide wurde zum Beispiel vor zehn Jahren ein innerparteilicher Konkurrent namens John McCain durch das gezielt gestreute Gerücht vernichtet, dieser habe ein außereheliches Kind mit einer schwarzen Mätresse gezeugt. Wenn jemand die Kraft politischer Lüge kennt, dann ist es dieser Rasputin mit dem Antlitz eines Biedermanns.

Und wahrscheinlich hat Rove diesmal die Wahrheit auf seiner Seite. Bisher jedenfalls haben weder das Weiße Haus noch die Parteizentrale der Demokraten irgendwelche Belege für ihre Behauptungen vorlegen können, prominente "Spießgesellen von Bush" und mächtige Lobbygruppen wie die US-Handelskammer würden "mit geheimen Geld aus dem Ausland unsere Wahlen beeinflussen."

Diese finstere Botschaft verbreitet seit Wochenbeginn ein demokratischer TV-Spot, der erst Rove und dann viele chinesische Banknoten ins Bild rückt, ehe einer sehr hilflosen Frau die Handtasche geklaut wird. Dazu raunt eine Stimme aus dem Off: "Sag' Bushs Typen und der Chamber of Commerce: 'Hört auf, unsere Demokratie zu stehlen!'"

"Gefahr für die Demokratie - und die Demokraten"

Aufgebracht hatte die Vorwürfe vorige Woche die linke Website Think Progress. Durchaus korrekt hatten die Blogger zunächst die Nachricht zitiert, dass die Handelskammer im aktuellen Wahlkampf "bis zu 75 Millionen Dollar" investieren will, um bei den Zwischenwahlen am 2. November vorwiegend republikanischen Kandidaten zum Sieg zu verhelfen.

Und ebenso korrekt wurde der Hintergrund ausgemalt: Dass Lobbygruppen und konservative Konzerne so viele Millionen wie nie in diese Kampagne stecken, weil zu Jahresbeginn ein höchst umstrittenes Urteil des Obersten Gerichtshofs alle Schleusen für diese weitgehend anonyme Spendenflut geöffnet hatte.

Als angeblich "exklusive Enthüllung" vermeldete Think Progress dann jedoch, die Handelskammer bekomme von diversen "Wirtschaftsräten" aus dem Ausland zusätzliche Mittel und mobilisiere diese Summen gegen Präsident Barack Obama. Das wäre illegal, weil US-Gesetze es unter Strafe stellen, heimische Wahlkämpfe mit nur einem Cent aus dem Ausland zu alimentieren.

Penible Recherchen etwa der New York Times ergaben jedoch, dass einerseits auch viele linke Gruppen wie Gewerkschaften oder Öko-Verbände regelmäßig Zuwendungen aus der Fremde erhalten, dass aber alle diese Verbände inklusive der Handelskammer sehr säuberlich diese in separaten Fonds verwalten und keinesfalls im Wahlkampf einsetzen. Unisono bestätigen sämtliche Experten, sie könnten nichts Ungesetzliches erkennen im aktuellen Finanzgebaren der Lobby.

Karl Rove mutmaßt, das Weiße Haus wolle ihn benutzen, um das eigene, zu weiten Teilen enttäuschte Parteivolk wachzurütteln und zu den Urnen zu locken. Seit Montag schlägt auch die Chamber of Commerce zurück. Der Werbespot der Demokraten sei "ein krasser Versuch, die Debatte über Amerikas wirkliche Prioritäten zu vermeiden - nämlich Jobs und Wirtschaftswachstum zu schaffen."

Dennoch hat nun sogar Obama die Vorwürfe aufgewärmt. Der Präsident nannte keine Namen, schon gar nicht den von Rove. Aber in der Nacht zum Montag malte auch er bei einer Wahlrede in Philadelphia die Gefahr an die Wand, dass sinistere Mächte "diese Wahlen manipulieren" und "Unternehmen in ausländischer Hand" hinter den Attacken auf ehrbare Parteifreunde stünden. Dann schob er dieser Warnung nach: "Das ist nicht nur eine Gefahr für Demokraten, das ist eine Gefahr für unsere Demokratie."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: