Süddeutsche Zeitung

USA:Nur noch eine politische Show

Ein Untersuchungsausschuss sollte den Sturm aufs Kapitol am 6. Januar aufarbeiten. Weil Nancy Pelosi zwei republikanische Abgeordnete dafür abgelehnt hat, steht das Vorhaben vor dem Scheitern.

Von Christian Zaschke

Es sei ihm gleichgültig, sagte US-Präsident Joe Biden am Mittwochabend, ob man ihn für die Wiedergeburt des Teufels halte. "Fakt ist", führte er nach dieser eher dramatischen Einleitung aus, "dass man nicht auf die Fernsehbilder schauen kann, um dann zu sagen, es sei nichts passiert am 6. Januar."

Biden sprach von dem Tag, an dem Anhänger des vormaligen Präsidenten Donald Trump das Kapitol in Washington stürmten. "Man kann nicht ernsthaft Leuten zuhören, die sagen, das sei ein friedlicher Marsch gewesen", sagte er. Exakt das ist aber die Ansicht, die weite Teile der Republikanischen Partei zumindest in der Öffentlichkeit vertreten.

Dieser 6. Januar 2021 wird für immer als schwarzer Tag für die Demokratie in den amerikanischen Geschichtsbüchern stehen. Das heißt: Solange die Geschichte nicht umgeschrieben wird. Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass die Republikaner sich derzeit an dieser Neuschreibung versuchen. Trump selbst hat sich eine Version der Ereignisse zurechtgelegt, in der er am Morgen dieses Januartags zu einer "liebevollen Menge" sprach, die später friedlich zum Kapitol spazierte, um für die Werte der Demokratie zu demonstrieren.

Die Menge wurde vom damaligen Präsidenten aufgestachelt

In Wahrheit kamen an diesem 6. Januar fünf Menschen ums Leben, als Hunderte Trump-Anhänger, aufgestachelt vom damaligen Präsidenten, die Polizei überrannten und gewaltsam ins Parlamentsgebäude eindrangen. "Persönlich wollte ich, was sie wollten", sagte Trump laut eines Vorabdrucks eines Buchs zweier Reporter der Washington Post: "Sie waren gekommen, um Unterstützung zu zeigen, weil ich glaube, dass diese Wahl manipuliert war wie noch nie irgendetwas manipuliert war."

Diese Sichtweise haben sich nicht nur seine Anhänger zu eigen gemacht, sondern auch einige republikanische Parlamentarier, obwohl diese damals vor dem Mob in Sicherheit gebracht werden mussten. Je länger die Geschehnisse zurückliegen, desto harmloser erscheinen sie in den Schilderungen vieler Republikaner. Erst vor wenigen Tagen wurde der Zaun entfernt, der nach den Ausschreitungen rund um das Kapitol errichtet worden war und die Gegend im Herzen der Hauptstadt erscheinen ließ wie eine Hochsicherheitszone.

Die Demokraten wollten dieser neuen Erzählung etwas entgegensetzen, indem sie einen überparteilichen Untersuchungsausschuss etablieren, der die Ereignisse aufarbeitet. Insbesondere wollten sie eine direkte Verbindung nachweisen zwischen Trumps Worten sowie seinen Textnachrichten in den sozialen Medien und der gewaltsamen Reaktion seiner Anhänger. Dieses Vorhaben steht vor dem Scheitern.

Die Republikaner begreifen Pelosis Entscheidung als Kriegserklärung

Nancy Pelosi, die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses, hatte sich in langen Verhandlungen mit den Republikanern darauf geeinigt, dass ein 13-köpfiger Ausschuss eingesetzt werden sollte, bestehend aus sieben Demokraten und sechs Republikanern. Jede Partei nominiert in solchen Fällen die Politikerinnen und Politiker, die sie im Ausschuss vertreten sollen. Es ist üblich, dass die Mehrheitspartei die Nominierungen des politischen Gegners akzeptiert.

Am Mittwoch aber hat Pelosi etwas getan, was auf dem Kapitolshügel noch nie passiert ist: Sie hat zwei republikanische Nominierungen zurückgewiesen. Es handelt sich um die Abgeordneten Jim Jordan und Jim Banks, zwei ebenso leidenschaftliche wie laute Trump-Anhänger, die wie der vormalige Präsident die Ansicht vertreten, die Wahl sei von den Demokraten gestohlen worden. "Die beispiellosen Vorkommnisse des 6. Januars erfordern diese beispiellose Entscheidung", sagte Pelosi.

Die Republikaner haben dieses Vorgehen als Kriegserklärung begriffen und umgehend drei weitere Abgeordnete zurückgezogen. Die sechste Republikanerin im Ausschuss ist Liz Cheney, die, wiewohl zum konservativen Parteiflügel zählend, zur wortmächtigsten Trump-Kritikerin der Partei geworden ist. Sie ist willens, auch ohne ihre Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss mitzuwirken.

Pelosi will hart bleiben

Dieser dürfte allerdings ohne breitere republikanische Beteiligung nur noch als politische Show wahrgenommen werden. Es ist daher gut möglich, dass Pelosi den Republikanern mit ihrer Entscheidung in die Hände gespielt hat, denn diese hatten ohnehin kein Interesse an einer Aufarbeitung der Ereignisse. Kevin McCarthy, der republikanische Minderheitsführer im Repräsentantenhaus, hat angekündigt, man werde eine eigene Untersuchung beginnen, wenn die beiden Abgeordneten nicht zum Ausschuss zugelassen würden.

Die Demokraten argumentieren derweil, Jordan und Banks im Ausschuss zuzulassen wäre so, als lasse man Kriminelle ihre eigenen Straftaten untersuchen. Gemeint ist damit, dass insbesondere Jordan zu dem Team gehörte, das seinerzeit mit Trump überlegte, wie man die verlorene Wahl doch noch in einen Sieg verwandeln könnte. Die Demokraten hatten erwogen, ihn als Zeugen zu vernehmen.

Pelosi will hart bleiben. Der Ausschuss soll am kommenden Dienstag seine Arbeit aufnehmen. Schon jetzt ist klar, dass die Republikaner dessen Arbeit von Beginn an als einseitig und parteipolitisch motiviert diskreditieren werden.

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