US-Präsidentschaftswahlen:Kamala Harris geht mit Tim Walz ins Rennen

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Tim Walz, Gouverneur von Minnesota, soll mit Kamala Harris die Präsidentschaftswahlen in den USA für die Demokraten gewinnen. (Foto: Stephen Maturen/AFP)

Die Präsidentschaftskandidatin der Demokraten entscheidet sich für den 60-jährigen Gouverneur von Minnesota als möglichen Vize. Er soll helfen, unentschlossene Wechselwähler zu gewinnen.

Von Fabian Fellmann, Washington

Einfach seltsam seien diese Typen, sagte Tim Walz Ende Juli. Zwei Tage nach dem Rückzug von Joe Biden aus dem US-Präsidentschaftswahlkampf sprach der stets so unaufgeregte Gouverneur von Minnesota aus, was viele Amerikaner empfinden: Donald Trump und seine Republikaner sind nicht aufregend und aufrüttelnd, sondern vor allem „weird“, seltsam, eigenartig.

Es ist keine Übertreibung, den Kommentar von Walz zu den vielen bemerkenswerten Wendungen in einem außergewöhnlichen Präsidentschaftswahlkampf zu zählen. Als unaufgeregter Gouverneur aus dem Mittleren Westen war er national kaum bekannt. Das änderte sich schlagartig, als das Video seines Auftritts in den sozialen Medien millionenfach geteilt wurde und „weird“ zum neuen Kampfbegriff der Demokraten mutierte. Plötzlich galt der Gouverneur von Minnesota selbst als möglicher Anwärter für die Präsidentschaftskandidatur. Und als sich Kamala Harris rasch an die Spitze der Demokraten zu stellen vermochte, wurde der bodenständige frühere Soldat und Lehrer zu einem der Favoriten für die Vizepräsidentschaft.

Tim Walz ist nun seit Dienstag der running mate von Kamala Harris. Die 59-jährige Frau aus Kalifornien hat sich damit einen Politiker mit einem komplementären Profil an ihre Seite geholt. Er ist mit 60 Jahren fast gleich alt, sein Werdegang aber unterscheidet sich deutlich von dem der früheren Staatsanwältin und Justizministerin mit ihrem progressiven Ruf und ihren indisch-jamaikanischen Wurzeln. Walz verkörpert das ländliche, weiße Amerika. Aufgewachsen im kargen Nebraska, diente er 24 Jahre lang in der Reserveeinheit der Armee. Später war er jahrelang als Lehrer tätig, unter anderem in China.

Schließlich verschlug es ihn als Geografielehrer nach Minnesota. Dort war er auch Coach des Football-Teams der Schule, eine Respektsperson – die ideale Voraussetzung, um als Demokrat bei konservativen, republikanisch geprägten Wählern punkten zu können. Als er 2006 in die Politik einstieg, verdrängte er einen Kongressabgeordneten der Republikaner, fünfmal schaffte er die Wiederwahl, bevor er 2018 das erste Mal als Gouverneur kandidierte.

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Noch am Dienstagabend wollte sich Harris bei einer Wahlkampfveranstaltung in Philadelphia im wichtigen Swing State Pennsylvania zum ersten Mal mit Walz der Öffentlichkeit präsentieren – zusammen mit Josh Shapiro, dem Gouverneur von Pennsylvania, der selbst lange als Favorit auf die Vizepräsidentschaft gegolten hatte. Um die Position war in den vergangenen Tagen ein regelrechter Flügelkampf bei den Demokraten entbrannt, wohl auch in Ermangelung eines Vorwahlkampfs, den Präsident Joe Biden verhinderte, indem er an einer eigenen Kandidatur festhielt.

Für Shapiro hatte sich das Parteiestablishment starkgemacht, zudem all jene Berater, die Pennsylvania für jenen Gliedstaat halten, in dem die Entscheidung fallen dürfte bei der Präsidentschaftswahl vom 5. November: Sowohl das Duo Harris und Walz als auch das Duo Trump und Vance dürfte ohne diese 19 Stimmen der Wahlleute aus Pennsylvania nicht siegen können. Zuletzt hatte Trump in Umfragen geführt – das hätte Shapiro vielleicht ändern können, der selbst 2022 mit 56 Prozent der Stimmen gewählt worden war. Doch gegen Shapiro war parteiinterner Widerstand laut geworden, besonders, weil sich der jüdische Politiker im Nahostkonflikt klar hinter Israel gestellt hatte.

Kostenloses Essen an Schulen, strengere Waffengesetze und die Legalisierung von Cannabis: Das alles hat Walz in Minnesota umgesetzt

Walz hingegen erhielt die Unterstützung des linken Parteiflügels, weil er in Minnesota eine Reihe progressiver Herzensanliegen umgesetzt hat: kostenloses Essen an Schulen, den Schutz des Rechts auf Abtreibung, strengere Waffengesetze, Wahlrechtsreformen, die Legalisierung von Cannabis. Sein Ruf als bodenständiger Normalo aus dem Mittleren Westen soll dazu beitragen, die unentschlossenen Wechselwähler in den Blue Wall States zu überzeugen, in Wisconsin, Michigan und Pennsylvania, die Harris alle braucht, um Trump schlagen zu können. Der ehemalige US-Präsident Barack Obama lobte Walz als „idealen Partner“ für Harris. Tim Walz habe „nicht nur die Erfahrung, um Vizepräsident zu werden“, sondern „auch die Werte und die Integrität, um uns stolz zu machen“, ließ Obama über sein Büro mitteilen.

Harris’ Wahl von Walz wird als Zugeständnis an den progressiven Flügel der Partei gewertet, dem sie selbst zugerechnet wird. Amerikanischen Medien zufolge soll sie sich mit dem umgänglichen Walz auf der persönlichen Ebene besser verstanden haben als mit dem ehrgeizigen Shapiro. Sie wird nun ihre Entscheidung schlüssig erklären müssen. In den ersten Tagen ihrer Kampagne betonte sie vor allem ihre Vergangenheit als strenge Staatsanwältin – eine Positionierung Richtung politischer Mitte. Trump reagierte, indem er ihre Identität als schwarze Amerikanerin in Zweifel zog.

In den kommenden Tagen werden Harris und ihr neuer Vizepräsidentschaftskandidat bei einer Tournee durch sieben umkämpfte Staaten zeigen, ob sie sich vor allem auf die progressive Basis stützen oder schwerpunktmäßig um die unentschlossenen Wechselwähler bemühen wollen.

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