USA-Justizskandal:Abschussliste für unliebsame Bundesanwälte

Es war bereits ein kleinerer Schock, als das US-Justizministerium acht Bundesanwälte vor die Tür setzte. Nun sind neue Dokumente aufgetaucht. Sie zeigen die Taktik hinter den Entlassungen - und bringen die Bush-Regierung in Bedrängnis.

150 Seiten Email-Ausdrucke und Geheimdokumente aus dem amerikanischen Justizministerium sind an die Öffentlichkeit gelangt - darunter eine Abschussliste, die die Namen unliebsamer Bundesanwälte enthielt. 93 Bundesanwälte gibt es in den USA. Sie sind Chefankläger bei Verstößen gegen Bundesrecht.

Gonzales

Das Ministerium von Alberto Gonzales entließ acht Bundeswawälte

(Foto: Foto: Reuters)

Wie die neuen Dokumente enthüllen, reicht der Plan, sich unliebsamer Anwälte zu entledigen, schon länger zurück. Im Jahr 2005, unmittelbar nach der Wiederwahl von Präsident George W. Bush, präsentierte die Rechtsberaterin im Weißen Haus, Helen Miers, dem Justizminister Alberto Gonzales ihre Idee: Sie wollte alle 93 Bundesanwälte entlassen, um dem Präsidenten einen "frischen Start" zu ermöglichen. Gonzales, der den Vorgang inzwischen bestätigte, ging dies dann aber doch zu weit.

Im März 2006 wurde allerdings ein neuer Passus in die Anti-Terror-Gesetze eingefügt. Bundesanwälte, die normalerweise vom Senat bestätigt werden müssen, kann das Justizministerium durch "Übergangsanwälte" ersetzen - am Senat vorbei.

Gonzales bleibt stur

In den kommenden Monaten erhielten 13 Bundesanwälte ihr Entlassungsschreiben - acht von ihnen auf einen Streich zum Ende des Jahres. Und zumindest in einem Fall scheint das Interesse der Bush-Administration deutlich zu sein. Ein freiwerdender Posten in Arkansas wurde mit einem engen Freund des Präsidentenberaters Karl Rove besetzt.

Senator bedrängte Bundesanwalt

Die Entlassenen selbst wähnten politische Gründe hinter ihren blauen Briefen. Sie berichteten der Öffentlichkeit, dass ihren Entlassungen Versuche von republikanischen Politikern vorausgingen, ihre Arbeit zu beeinflussen. So soll der Bundesanwalt in New Mexico gleich vier Anrufe vom Senator bekommen haben, in denen er gedrängt wurde, Korruptions-Ermittlungen gegen Demokraten zu beschleunigen - was hieß, die Anklage sollte noch vor der Kongresswahl im November 2006 erhoben werden.

Und nun ist die Abschussliste aufgetaucht, verfasst vom Staabschef im Justizministerium, Kyle Sampson. Sie enthielt die Namen fast aller geschasster Bundesanwälte sowie eine Benotung all ihrer Kollegen. Diese berücksichtigte ihre Arbeitsleistungen aber auch Kategorien wie: "loyal" gegenüber der Regierung und "gegen Regierungsinitiativen eingestellt".

Die Dokumente verursachen einigen Wirbel in den USA: Demokraten sprechen von einem Justizskandal. Staabschef Sampson ist inzwischen zurückgetreten. Justizminister Gonzales gab zu, "dass Fehler gemacht wurden", lehnte persönliche Konsequenzen jedoch strikt ab. Er sagte, genaue Kenntnis über die Kriterien, nach denen sein Haus über die Entlassungen entschied, habe er nicht gehabt.

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