USA:Kohle-Joe bremst Klima-Joe

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Spielt er mit dem Präsidenten? Ein Demonstrant in Washington stellt Senator Joe Manchin (Mitte) so dar, als weitere Marionette bildet er Chuck Schumer ab, den demokratischen Mehrheitsführer im US-Senat. (Foto: J. Scott Applewhite/AP)

US-Präsident Biden hat einen ambitionierten Klimaplan vorgelegt. Das Herzstück ist jedoch gescheitert - ausgerechnet am Widerstand eines demokratischen Senators.

Von Fabian Fellmann, Washington

"JoeJoe" nennt der US-Präsident seinen Namensvetter, den Senator Joe Manchin aus West Virginia. Die kumpelhafte Scherzerei täuscht nicht darüber hinweg, dass die beiden Joes in diesen Tagen öfter über Kreuz liegen, als es dem Präsidenten lieb sein kann.

Manchin ist zu einem der mächtigsten demokratischen Senatoren aufgestiegen. Am Sonntag frühstückte er mit Biden in dessen Haus in Wilmington, am Montag und Dienstag eilte er im Kapitol von Sitzung zu Sitzung, fast täglich steht sein Name auf den Titelseiten der Zeitungen.

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Er nutzt die Macht gnadenlos aus

Die viele Aufmerksamkeit erhält der 74-Jährige nicht etwa, weil er in der Partei besonders beliebt wäre. Im Gegenteil. Die Umstände haben es ihm ermöglicht, eine Machtposition aufzubauen, die er derzeit gnadenlos nutzt. Oder eben ausnutzt, wie der linke Parteiflügel schimpft. Im Senat sind die Demokraten auf jede einzelne der 50 Stimmen auf ihrer Seite angewiesen. Manchin, der am rechten Rand seiner Partei politisiert, kann darum Konzessionen als Gegenleistung für seine Stimme verlangen - er hat Biden und die demokratische Abordnung in der Hand.

Umso mehr, als der US-Präsident in diesen Tagen dringend einen Erfolg benötigt. Zu Hause sind seine Beliebtheitswerte im Sinkflug begriffen. Er hofft ihn aufzuhalten, indem er zwei Prestigeprojekte durch den Kongress bringt. Die Vorlagen braucht er auch, um die hohen internationalen Erwartungen zu befriedigen. Beim Treffen der G 20 in Rom und beim Klimagipfel in Glasgow muss Biden glaubhaft belegen, dass die USA das Pariser Abkommen umsetzen werden.

Strafen für Energiesünder sabotiert

Ausgerechnet bei diesen zentralen Anliegen verweigert Manchin dem Präsidenten jedoch die Gefolgschaft. Seit Wochen blockiert er ein Milliardenpaket zum Ausbau des Sozialstaats und für den Klimaschutz. Bisher bemängelte Manchin vor allem, die Ausgaben seien zu hoch. Nun aber hat er es auch geschafft, Bidens zentrale Klimaschutzmaßnahme zu sabotieren.

Mit Zuckerbrot und Peitsche wollte der US-Präsident den Stromsektor zum raschen Umbau auf erneuerbare Quellen motivieren. 150 Milliarden Dollar schwer sollte das Programm werden, mit Boni für Firmen, die ihre nachhaltige Produktion um jährlich vier Prozentpunkte steigern, und Strafen für die anderen. Biden fokussiert auf den Energiesektor, weil der für ein Viertel der Treibhausgasemissionen der USA verantwortlich ist und nur ein Fünftel der Produktion aus erneuerbaren Ressourcen stammt.

Er ist selbst ein Kohlehändler

Allein, JoeJoe mag solche staatlichen Eingriffe nicht mittragen, wie er argumentiert. Auch eine Abgabe auf die Emissionen des potenten Treibhausgases Methan hat er verhindert. Die Kohle- und die Erdgasindustrie sind noch immer mächtig in West Virginia, einem Staat, der in den vergangenen Jahrzehnten vom Niedergang der Kohleförderung und von der Opioid-Epidemie besonders heftig durchgeschüttelt wurde. Die Bevölkerung ist seit 2010 um mehr als drei Prozent auf noch knapp 1,8 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner geschrumpft, die Republikaner haben die lokale Politik fest im Griff. Manchin hat zwar einen starken Rückhalt, immerhin hat er sich in mehr als 30 Jahren vom Abgeordneten über den Gouverneur bis zum Senator hochgedient, doch 2018 verteidigte er sein Amt nur noch mit hauchdünner Mehrheit gegen den republikanischen Herausforderer.

Manchin muss sich indes den Vorwurf gefallen lassen, sein Handeln sei nicht frei von Eigennutz. Bevor er Profipolitiker in West Virginia wurde, baute Manchin eine Firma auf, die im Kohlehandel tätig ist und heute den größten Brocken seines Vermögens ausmacht. Zwischen ein und fünf Millionen Dollar ist seine Beteiligung wert. Der kleine Kohlebaron führt zudem mit Abstand die Liste jener Bundespolitiker an, die Spenden von der Fossilindustrie erhalten.

Nun zwingt Manchins Widerstand Biden zu einem Plan B, um die Klimaversprechen doch noch einzuhalten. Neu sollen Steuererleichterungen für Solar- und Windkraftanlagen und andere erneuerbare Quellen den Umbau beschleunigen. Zudem soll die Umweltschutzbehörde strenge Auflagen erlassen, für die Energiebranche wie für den Straßenverkehr. Die Hauptlast lagert Biden indes an die Staaten aus. 29 haben Programme zur Umstellung auf klimaneutrale Energien beschlossen, allen voran jene an der West- und der Ostküste.

Klimaschützern zufolge könnten die Maßnahmen knapp ausreichen, um Bidens Ziele zu erfüllen: eine Reduktion des Ausstoßes um die Hälfte bis 2030 und netto null bis 2050. Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass alles gelingt. Nachdem Obamas Regierung etwa schärfere Regeln aufgestellt hatte, hob Trump den Großteil davon wieder auf. Dieses Schicksal könnte auch Bidens Vorstöße ereilen - sofern sie JoeJoes Machtpolitik in Washington überleben.

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