Humanitäre Lage in Gaza:USA schicken zweite Warnung an Israel

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Die USA werfen Israel vor, nicht ausreichend Hilfslieferungen in den Gazastreifen zu lassen: Kinder vor einer Suppenküche in Chan Yunis. (Foto: Mohammed Salem/REUTERS)

Die US-Regierung stellt eine Art Ultimatum: Die Situation der Bewohner des Gazastreifens müsse spürbar verbessert werden. Das Außen- und das Verteidigungsministerium drohen mit einem Waffenembargo – allerdings nicht zum ersten Mal.

Von Fabian Fellmann, Washington

Eben erst hat Präsident Joe Biden angeordnet, Abwehrraketen mit 100 Soldaten in Israel zu stationieren, um die Verbündeten vor Iran zu schützen. Gleichzeitig aber hat die US-Regierung dem Kabinett von Benjamin Netanjahu ein Ultimatum gestellt, wie nun bekannt geworden ist. Die israelische Führung habe 30 Tage Zeit, um die humanitäre Katastrophe in Gaza zu lindern, schrieben Außenminister Antony Blinken und Verteidigungsminister Lloyd Austin am Sonntag in einem Brief, der am Dienstag publik wurde. Die US-Regierung sei „tief besorgt“ über die sich zuspitzende humanitäre Lage in Gaza.

Andernfalls, so warnen die amerikanischen Minister etwas gewunden, müssten die Vereinigten Staaten überprüfen, ob alle Bedingungen für die US-Gesetze über Waffenexporte und Militärhilfe erfüllt sind – etwa jene zur humanitären Hilfe und zur Einhaltung des Kriegsrechts, beispielsweise dem Schutz von Zivilisten. Mit anderen Worten: Falls Israel nicht dafür sorgt, dass ausreichend Nahrung und Medizin nach Gaza gelangen, droht Washington, die Lieferung von Kriegsmaterial auf den Prüfstand zu stellen, ohne das allerdings explizit zu sagen.

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Regierungssprecher in Washington lehnten es ab, die Konsequenzen auszuführen, die Israel zu befürchten hätte. Es gehe darum, dass Israel jetzt konkrete Maßnahmen ergreife. Einen ähnlichen Brief hatten die Amerikaner schon im April nach Israel geschickt, sie drohten damals ebenfalls indirekt damit, die Waffenexporte zu pausieren. Damals reagierte Netanjahu rasch auf die Drohung, die Abwicklung von Lastwagen an der Grenze zu Gaza nahm Fahrt auf, Israel öffnete weitere Übergänge für Hilfslieferungen.

Inzwischen aber ist der Fluss der lebenswichtigen Güter wieder ins Stocken geraten. Die humanitären Lieferungen seien jüngst halbiert worden, sagte Matthew Miller, Sprecher des Außenministeriums. Im September seien sie gar auf das tiefste Niveau seit Kriegsbeginn gefallen, entsprechend angespannt ist die Lage der in Gaza eingeschlossenen Menschen.

Nun müsse Israel täglich mindestens 350 Lastwagen mit Hilfsgütern nach Gaza passieren lassen und dafür einen fünften Grenzübergang öffnen, verlangt die US-Regierung in ihrem jüngsten Brief. Zudem müsse die israelische Armee humanitäre Pausen bei allen Kampfhandlungen vorsehen, damit Impfaktionen stattfinden und die Hilfe verteilt werden könnten. Insbesondere bei den angekündigten Militäraktionen im Norden des Gazastreifens seien Zivilisten zu schützen.

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Den Brief schickte die US-Regierung in einer Phase, in der Israel international zunehmend unter Druck gerät. Eben erst hat das Weiße Haus Netanjahu wissen lassen, dass es die Bombardierung der libanesischen Hauptstadt Beirut missbilligt. Der französische Präsident Emmanuel Macron erklärte nach dem Eindringen israelischer Truppen in einen Stützpunkt der UN-Friedenstruppen in Libanon, dass Israel die Beschlüsse der Vereinten Nationen nicht missachten dürfe. Und auch in Deutschland läuft die Diskussion über Waffenlieferungen nach Israel heiß.

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Auffällig am Brief der USA ist, dass die Frist von 30 Tagen erst nach den US-Präsidentschaftswahlen vom 5. November ausläuft. Eine Lesart davon ist, dass Joe Biden dann mehr Spielraum hätte, Israel hart anzugehen, ohne den Wahlkampf von Kamala Harris zu beeinträchtigen. Die Demokratin versucht derzeit einen Spagat, indem sie Israel stets ihrer unverbrüchlichen Unterstützung versichert, gleichzeitig aber mehr Schutz für die Palästinenser verlangt und betont, diese hätten ein Recht auf Selbstbestimmung. Am Sonntag schrieb die Vizepräsidentin, nach UN-Angaben seien seit zwei Wochen keine Nahrungsmittel mehr in Gaza eingetroffen. Israel müsse mehr unternehmen, um das humanitäre Völkerrecht einzuhalten.

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Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu könnte allerdings versucht sein, die amerikanische Frist ungenutzt verstreichen zu lassen. In der Hoffnung, dass sein Freund Donald Trump die Wahl gewinnt. Er könnte darauf spekulieren, dass es Joe Biden in den letzten Wochen seiner Amtszeit nicht mehr riskieren würde, Israel tatsächlich zu bestrafen – und dass Trump ihn frei gewähren lassen würde.

Während die Spannungen zwischen den USA und Israel zunehmen, was das Vorgehen in Gaza und Libanon betrifft, scheinen sich die Länder hingegen in der Frage über den richtigen Umgang mit Iran anzunähern. In Washington hieß es, Israel habe zugesichert, beim nächsten Vergeltungsschlag ausschließlich iranische Militärstellungen anzugreifen, die Öl- und Atomanlagen hingegen nicht ins Visier zu nehmen.

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