USA und Israel:"Ein sehr schwieriger Moment"

USA und Israel: Der amerikanische Außenminister Antony Blinken (l.) und Israels Premierminister Benjamin Netanyahu am Montag in Jerusalem.

Der amerikanische Außenminister Antony Blinken (l.) und Israels Premierminister Benjamin Netanyahu am Montag in Jerusalem.

(Foto: Ronaldo Schemidt/AP)

Kurz nach dem tödlichen Anschlag in Ostjerusalem mahnt US-Außenminister Blinken in Israel, Rache sei nicht die Antwort. Seine Treffen mit dem rechten Premier Netanjahu und Palästinenserchef Abbas sind eine Gratwanderung.

Von Peter Burghardt, Washington

Wenn amerikanische Spitzenpolitiker den Nahen Osten besuchen, dann wird es häufig kompliziert, Anthony Blinken hat nun einen besonders heiklen Moment erwischt. Nach einem Zwischenstopp in Ägypten ging es am Montag weiter, der US-Außenminister besucht Israel und das Westjordanland. Er tut das nach einer Woche, die auch die Regierung in Washington alarmiert hat und eine Region wieder ins Zentrum rückt, die zuletzt nicht mehr ganz oben auf der Agenda zu stehen schien.

Es stehe außer Frage, "dass dies ein sehr schwieriger Moment ist", sagte Blinken noch in Kairo. Seiner Mission gehen blutige Tage voraus. Am Donnerstag wurden bei der israelischen Razzia in einem Flüchtlingslager im besetzten Westjordanland zehn Palästinenser getötet. Am Freitag erschoss ein Palästinenser vor einer Synagoge in Ostjerusalem sieben Israelis, es war der mörderischste Anschlag in Israel seit 2008. Am Samstag verletzte ein 13 Jahre alter Junge aus Palästina mit Schüssen zwei Israelis. Am Montag starb ein palästinensischer Autofahrer, der einen Soldaten angefahren haben soll, durch Kugeln der israelischen Armee.

Die Zweistaatenlösung sei nach wie vor der beste Weg, sagt Blinken

Die sei "ein neuer und erschreckender Anstieg der Gewalt", sagte Blinken und sprach den Opfern nach seiner Ankunft in Jerusalem sein Mitgefühl aus. Der Angriff vor einer Synagoge sei "besonders schockierend", aber die Rufe nach Rache seien keine Antwort und Vergeltungsschläge gegen Zivilisten nie gerechtfertigt. Man wolle "dringende Schritte unternehmen, um die Ruhe wiederherzustellen und die Situation zu deeskalieren", erklärte er nach der Begegnung mit Israels Premier Benjamin Netanjahu. Das Ziel sei, "dass Palästinenser und Israelis in Zukunft in gleichem Maße Freiheit, Sicherheit, Gerechtigkeit und Würde genießen können". Dafür sei die Zweistaatenlösung nach wie vor beste Weg.

Unter diesen Umständen traf der Chefdiplomat aus dem State Department also Netanjahu und trifft am Dienstag Mahmud Abbas, den Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde. Vorausgeeilt waren ihm der Nationale US-Sicherheitsberater Jake Sullivan und CIA-Direktor William Burns, was ebenfalls illustriert, wie ernst das Weiße Haus die Lage nimmt.

Die USA betonen stets die Freundschaft zu ihrem engen Verbündeten Israel, unabhängig von den jeweils Regierenden. Aber mit Netanjahu war bereits Barack Obama aneinandergeraten, wegen Palästina, Iran und anderen Meinungsverschiedenheiten. Donald Trump verstand sich mit dem Hardliner aus Jerusalem deutlich besser. Für die US-Demokraten ist Netanjahu ein Vertrauter der Republikaner und sie waren grundsätzlich froh, als nach Trump auch Netanjahu sein Amt verlor.

Es geht um handfeste Sicherheitsinteressen

Jetzt ist er wieder da, und zwar mit dem radikalsten Kabinett, an das man sich erinnern kann. Die USA sorgen sich unter anderem darum, dass es in dieser Besetzung erst recht schwierig werden dürfte, den Konflikt zwischen Israel und Palästina nachhaltig zu entspannen. Die Administration von Joe Biden hält Netanjahus Unterstützung einer noch stärkeren israelischen Kontrolle des Westjordanlandes für ebenso bedenklich wie seinen Versuch, Israels Justiz zu gängeln.

Das alles macht diesen Termin zu einer diplomatischen Gratwanderung. Dies sei wahrscheinlich "die größte politische Herausforderung für die Beziehungen zwischen den USA und Israel, seit Menachem Begin 1977 Premierminister wurde", zitiert die New York Times Jeremy Ben-Ami, früher Berater von Bill Clinton und nun Präsident von J Street, einer liberalen jüdisch-amerikanischen Lobbyorganisation.

Schließlich geht es um handfeste gemeinsame Sicherheitsinteressen. Die USA helfen dabei, Verbindungen zwischen Israel und arabischen Staaten herzustellen und Irans Nuklearprogramm zu stoppen. Der amerikanische Versuch, das Atomabkommen von 2015 wiederzubeleben, ist vorläufig gescheitert. Derweil schickt Teheran Russland Drohnen für Angriffe auf die Ukraine, während Washington und die westliche Allianz die ukrainische Armee massiv mit Waffen unterstützen. Da war es vermutlich kein Zufall, dass vor Blinkens Besuch am Wochenende eine Drohne eine iranische Militäreinrichtung in Isfahan getroffen hatte. Laut US-Medien mit Zugang zu Geheimdienstkreisen handelte sich um ein Manöver des Mossad.

"Die Diskussion wird sich auf israelischer Seite mehr auf den Iran und auf amerikanischer Seite mehr auf die Palästinenser konzentrieren", meint im Wall Street Journal Dennis Ross, der mehrere US-Präsidenten beraten hat und jetzt im Thinktank des Washington-Instituts für Nahostpolitik tätig ist.

Mit Palästinenser-Chef Abbas werde Blinken dann die US-Bemühungen um eine Zweistaatenlösung erörtern, die palästinensische Wirtschaft sowie die weitere Stärkung der Beziehungen zwischen Amerikanern und Palästinensern, sagt Barbara Leaf, stellvertretende Staatssekretärin für Nahost-Angelegenheiten.

Es ist ein Drahtseilakt. Bei einer Konferenz im Dezember hatte Blinken das "eiserne Engagement" der USA für Israel betont, "ein Engagement, das noch nie so stark war wie heute". Aber er sagte auch, die Vereinigten Staaten würden Israel "auf die gegenseitigen Standards verpflichten, die wir in den letzten sieben Jahrzehnten in unseren Beziehungen etabliert haben."

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