Das Beste kommt natürlich immer zum Schluss, so sehen es die Dramaturgen vor von Hollyton bis Washingwood. Bis zum Schluss hat sich deshalb US-Präsident Donald Trump seine Rede in Jerusalem aufgehoben, die wechselweise als "groß", "programmatisch" und "visionär" angekündigt worden war. Als er am Dienstagmittag den fensterlosen Saal des Israel Museums betritt, erheben sich die versammelten Würdenträger - die Minister, die Rabbiner und natürlich auch die politischen Mäzene wie der US-Milliardär Sheldon Adelsons - zum rhythmischen Applaus. Ein kurzes Siegerlächeln, und Trump legt los. Irgendwie geht es dann auch um Liebe, unter anderem, und um Glauben und Hoffnung sowieso.
Wer erwartet hat, dass der amerikanische Präsident hier die Parameter auslegt für den neuen nahöstlichen Friedensprozess, der sitzt wohl doch im falschen Saal. Eher bunt gemischt spricht Trump in seiner insgesamt nur 20 Minuten langen Rede vom Kampf gegen den Terror, von Iran, der Hisbollah und all den Bösen, die sich besser nicht mit ihm anlegen sollen: "Nicht mit Donald J. Trump", ruft er. Wie stets in den letzten Tagen lobt er den saudischen König Salman als "sehr weisen Mann". Und vor allem preist er Israel.
"Meine Regierung wird immer an Israels Seite stehen", versichert er, spricht von der "unerschütterlichen Verbindung" zwischen den beiden Staaten sowie vom "alten und ewigen Bund" des jüdischen Volks mit dem biblischen Land. Mit ständigem Applaus wird er belohnt, Premierminister Benjamin Netanjahu führt den Fanklub an, und nicht wenige jubeln hinterher über eine "zionistische Rede" Trumps. Zum Friedensprozess mit den Palästinensern kommt er bei all dem erst nach 15 Minuten, und nach nicht einmal zwei weiteren Minuten ist er damit auch schon wieder durch. Er spricht von "substanziellen Fortschritten", von "harten Entscheidungen" und der Notwendigkeit zur "Entschlossenheit". Bei all den Plattitüden schafft er es tatsächlich, auf der gesamten Reise nicht einmal die Zweistaatenlösung oder ein alternatives Konzept zu erwähnen.
Wie systematisch Symbolik hier die Substanz ersetzt, ist früh am Tag schon in Bethlehem zu sehen gewesen, wo bekanntlich süßer die Glocken nie klingen. Für Trumps christliches Wahlvolk zu Hause klingt der biblische Ort gewiss verheißungsvoller als der palästinensische Regierungssitz Ramallah, von dem Mahmud Abbas zum Treffen anreisen muss. Immerhin kann sich der Palästinenser-Präsident rühmen, Trump schon zum dritten Mal im schönen Monat Mai zu begegnen: erst im Weißen Haus, dann am Wochenende auf dem amerikanisch-arabischen Gipfel in Riad und nun beim Heimspiel im Westjordanland.
Dass es den Palästinenserstaat noch nicht gibt, weiß die Delegation offenbar nicht genau
Für den wenig populären Abbas ist das ein Geschenk. Er bedankt sich dafür mit einer Ehrengarde, scheppernden Hymnen und flatternden Fahnen - einem Staatsempfang, der fast vergessen macht, dass es diesen Staat noch gar nicht gibt. So genau scheint man das allerdings auch in der US-Delegation nicht zu wissen. Denn am Morgen war - zum wiederholten Mal und zur wachsenden Verwunderung der Israelis - "Palästina" auf Trumps offiziellem Tagesplan erschienen. Korrekt hätte es "palästinensische Gebiete" heißen müssen.
Das ist aber dann fast schon der einzige Grund zur Freude für Abbas und die Seinen. Als der Palästinenser-Präsident nach einer knapp einstündigen Unterredung gemeinsam mit Trump vor die Presse tritt, ist wenig vom Frieden und viel von der Gewalt die Rede. Den Anschlag in Manchester nimmt der US-Präsident zum Anlass, über sein Lieblingsthema zu sprechen: den Kampf gegen den Terror. Die Attentäter, so lässt er wissen, werde er von heute an nicht mehr "Monster" nennen, sondern "Loser", Verlierer. Etwas verloren steht dann auch Abbas daneben, als Trump verkündet: "Frieden kann nicht in einer Umgebung entstehen, in der Gewalt toleriert, finanziert oder sogar belohnt wird." Denn das dürfen die Palästinenser durchaus persönlich nehmen, es zielt darauf ab, dass die Abbas-Regierung ihre Finanzhilfen für sogenannte Märtyrer-Familien einstellen soll.
Zum Frieden lässt Trump allein wissen, dass er beabsichtige, "alles in meiner Macht Stehende zu tun, um bei der Erreichung dieses Ziels zu helfen". Es bleibt Abbas überlassen, konkreter zu werden. Mit dem Redezettel vor der Nase betet er die Positionen der Palästinenser herunter vom Staat in den Grenzen von 1967 bis zu Ost-Jerusalem als Hauptstadt. Den Siedlungsbau kritisiert er, und natürlich bekundet er Willen zum Ausgleich: "Es gibt kein Problem zwischen uns und dem Judentum", sagt er, "unser Problem ist die Besatzung." Fürs heimische Publikum erinnert er Trump noch an das Schicksal der 1000 palästinensischen Häftlinge, die in israelischen Gefängnissen im Hungerstreik darben.
Doch so sehr sich Abbas auch bemüht, Trump hineinzuziehen ins nahöstliche Unterholz, so genau achtet der auf seine Fluchtwege. Sogar der geplante Besuch der Geburtskirche in Bethlehem wurde kurzfristig abgesagt, weil auf dem Krippenplatz davor ein Unterstützerzelt für die Hungerstreikenden aufgebaut ist. Wenigstens blieb so etwas mehr Zeit für die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem, für die Trumps Leute zunächst nur 15 Minuten einplanen wollten.
Zeit genug für einen denkwürdigen Eintrag ins Gästebuch: "Es ist eine Ehre, mit all meinen Freunden hier zu sein", schrieb der US-Präsident und setzte darunter: "So fantastisch + werde nie vergessen". Auf diesem ersten Trip durch die Welt jenseits Washingtons muss es eben schnell gehen. So viele Stationen, so viele Probleme. 28 Stunden immerhin blieben für den kurzen Anlauf zum Frieden in Nahost. Ohne Plan bleibt dann alles im Plan: Pünktlich um 16.20 Uhr Ortszeit steigt die Air Force One mit dem Präsidenten in den Himmel über dem Heiligen Land auf.