Persischer Golf:Die Gefahr einer Explosion wird immer größer

Hardliner geben in Iran und den USA den Ton an. US-Präsident Trump will keinen Krieg - aber er wird fast alles tun, um nicht schwach zu erscheinen.

Kommentar von Kurt Kister

Sowohl in Washington als auch in Teheran gibt es Spitzenpolitiker, die einen Krieg, zumindest jedoch Militärschläge entweder billigend in Kauf nehmen oder sogar anstreben. Die iranischen Hardliner in der Umgebung des sogenannten Obersten Führers Ali Khamenei sowie die Kommandeure der Revolutionsgarden sehen in den USA nach wie vor den größten Feind, der Irans Hegemonie-Ambitionen in der Region direkt und indirekt bekämpft. Und seitdem die Regierung Trump aus dem Nuklearabkommen ausgestiegen ist, leiden die Iraner wieder stärker unter den Wirtschaftssanktionen. Es gibt eine gefährliche Gemengelage, die Vorkriegsstimmung erzeugt: Da sind die ebenso machtpolitisch wie ideologisch motivierten Expansionsbestrebungen, die in Jemen, in Syrien und gegenüber Israel durchaus auch mit Waffengewalt betrieben werden; da ist die Feindschaft zu Saudi-Arabien und anderen sunnitischen Staaten; da ist die prekäre innenpolitische Situation in Iran, in der wirtschaftliche Schwierigkeiten die Opposition im Lande nur noch bestärken.

In Washington wiederum besteht um den Außenminister Mike Pompeo und den militanten Sicherheitsberater John Bolton eine Gruppe, die im Prinzip einen Regimewechsel in Teheran anstrebt und dies mit Sanktionen, politischer Isolierung sowie Unterstützung von Teherans Feinden in der Region erreichen will. Vor militärischen Mitteln schreckt diese Gruppe nicht zurück, im Gegenteil halten Pompeo oder Bolton Stellvertreterkriege und Luftschläge unter Umständen für die richtige Fortsetzung der Politik. Im Kongress unterstützen die meisten Republikaner die konfrontative Linie gegenüber Teheran; die oppositionellen Demokraten sind zögerlich oder politisch zu schwach.

In gewisser Weise sind Pompeo und Bolton heute für Präsident Trump das, was Vizepräsident Dick Cheney und Verteidigungsminister Donald Rumsfeld 2003 vor dem Irakkrieg für Präsident Bush jr. gewesen sind - die einflussreichsten Befürworter einer militärisch geprägten Droh- und Machtpolitik. Leider aber ist Donald Trump nicht einmal George W. Bush. Letzterer war ein schwacher Präsident, aber dennoch ein halbwegs erfahrener Politiker. Trump ist ein schwacher Präsident, ein überaus eindimensionaler Politiker, dessen Handlungsmuster auf Drohung und Druck basieren - und außerdem jemand, der fast alles tun würde, um nicht schwach zu erscheinen.

Manchmal hat man sogar den Eindruck, im Weißen Haus regierten mehrere Trumps. Der eine Trump befiehlt einen Luftangriff, der andere Trump bläst ihn wenig später wieder ab. Der eine Trump nennt den Abschuss einer US-Drohne durch Revolutionsgarden einen "sehr großen Fehler" Irans, der andere Trump sagt, es wäre viel schlimmer gewesen, wenn die unbemannte Drohne einen Piloten gehabt hätte. Bedauerlicherweise weiß man nie, welcher Donald Trump gerade das Sagen hat.

Die Lage jedenfalls ist brandgefährlich, weil sowohl in Teheran als auch in Washington diejenigen, die im Zweifel über den Start von Flugzeugen, den Einsatz von Haftladungen und den Abschuss von Raketen bestimmen, eben nicht alles tun wollen, um dies zu vermeiden. Im Gegenteil: In Washington glaubt die Pompeo-Fraktion, dass man es Teheran jetzt mal "zeigen" müsste; in Teheran sehen manche in einer Neuauflage des Tanker-Kriegs aus den Achtzigerjahren eine Möglichkeit, die Nation wieder hinter dem repressiven Regime zu scharen und als vermeintlich von den USA Angegriffene möglicherweise Unterstützung aus anderen Teilen der Welt zu erhalten.

Donald Trump, man weiß nicht genau welcher, hat in den vergangenen Tagen mehrmals gesagt, Amerika wolle keinen Krieg. Ähnliches ist aus Teheran zu hören. Und dennoch haben beide Seiten die Stolperdrähte so straff gespannt, dass eine kleine Berührung zu einer großen Explosion führen kann.

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Bericht: Trump soll Luftangriffe auf den Iran freigegeben haben

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