Süddeutsche Zeitung

Nukleardeal:Sanktionen gegen Teheran - egal wie

Die USA wollen ein Ende des Waffen-Embargos gegen Iran unbedingt verhindern. Russland und China haben deutlich gemacht, dass sie das Vorgehen ignorieren werden. EU-Diplomaten üben Kritik.

Von Paul-Anton Krüger

US-Außenminister Mike Pompeo war eigens nach New York gereist, um dem indonesischen UN-Botschafter, turnusmäßig Vorsitzender des Sicherheitsrates, eine Beschwerde über Iran zu überreichen. Wie sein Ministerium mitteilte, werfen die USA Teheran grobe Verstöße gegen das 2015 geschlossene Atomabkommen vor. Pompeo übergab am Donnerstag den Brief, der nach US-Ansicht den "Snapback-Mechanismus" auslöst. Der führt nach Ablauf von 30 Tagen automatisch dazu, dass alle 2015 im Zuge der Vereinbarung aufgehobenen UN-Sanktionen gegen die Islamische Republik wieder in Kraft treten. Dazu gehört ein Embargo für konventionelle Waffen, das laut Abkommen im Oktober auslaufen soll.

Die USA hatten angekündigt, das Ende des Embargos um jeden Preis verhindern zu wollen. Europäische Diplomaten halten dem entgegen, dass sich Washington nicht interessiert gezeigt habe, gemeinsam mit EU-Staaten an einer Resolution zu arbeiten, die zumindest ein abgeschwächtes Verbot für Waffengeschäfte aufrechterhalten hätte. Russland und China hatten einen US-Entwurf im Sicherheitsrat mit ihrem Veto blockiert, außer den USA und der Dominikanischen Republik hatten sich alle anderen Mitglieder enthalten, darunter Frankreich, Großbritannien und Deutschland. Pompeo geißelte dies als "skandalöses Versagen" des Sicherheitsrates und will nun den Snapback-Mechanismus auslösen.

Pompeo wirft Russland und China vor, Waffensysteme an Iran verkaufen zu wollen

Er erlaubt es jedem der am Atomabkommen beteiligten Staaten, einen Prozess zur Wiedereinsetzung der UN-Sanktionen in Gang zu setzen. Der Sicherheitsrat kann dies nur verhindern, indem er beschließt, die Aufhebung der Sanktionen trotzdem fortzusetzen. Das aber könnten die USA per Veto verhindern. Allerdings ist höchst umstritten, ob die USA berechtigt sind, diesen Mechanismus noch zu nutzen. US-Präsident Donald Trump hat nämlich den Ausstieg aus dem Vertrag per Präsidialdekret verfügt, das "die Teilnahme der USA an dem Abkommen beendet". Die US-Regierung argumentiert, die USA seien in der UN-Resolution zur Umsetzung des Abkommens als teilnehmender Staat aufgelistet, somit stehe ihnen dieses Recht weiter zu.

Russland und China haben deutlich gemacht, dass sie das Vorgehen der USA ignorieren werden. Auch die EU-Staaten sind der Auffassung, dass sich die USA nicht auf die Klausel berufen können. Es wird erwartet, dass Moskau und Peking das US-Vorhaben mit prozeduralen Fragen verzögern. Letztlich steht der Sicherheitsrat aber vor der nie dagewesenen Situation, dass ein ständiges Mitglied UN-Sanktionen als gültig betrachtet, während das die vier anderen Vetomächte nicht tun. Pompeo drohte Russland und China bereits mit US-Sanktionen, sollten sie die UN-Vorschriften ignorieren, die nach Washingtons Ansicht in 30 Tagen wieder in Kraft treten sollen.

Pompeo wirft China und Russland vor, sie hätten eine Verlängerung des Waffenembargos blockiert, weil sie Teheran moderne Waffensystem verkaufen wollten. Er stellt Iran als größte Bedrohung für die Region dar und wirft dem Regime vor, es wolle seine Waffenlieferungen an von den Revolutionsgarden kontrollierte Milizen und verbündete Regime wie in Syrien oder Venezuela ausbauen. Indes bleiben Waffenlieferungen an mit Iran verbündete Milizen in Libanon und Jemen unter separaten Embargovorschriften verboten, nach Irak und Syrien schickt Iran schon jetzt Waffen unter Missachtung der UN-Regeln. Auch sind etwa Luftabwehrsysteme von dem Embargo nicht erfasst. Für ballistische Raketen und deren Komponenten gibt es ein Lieferverbot, das erst in drei Jahren ausläuft.

Iran kündigte eine ernste Reaktion an, sollte das Waffenembargo nicht wie geplant auslaufen. Ob Teheran das US-Manöver im Sicherheitsrat ignoriert oder antwortet, ist offen. Als denkbar gelten Schritte bis zum Rückzug aus dem Atomwaffensperrvertrag. Dafür gelten 90 Tage Frist. Iran könnte so eine Ankündigung noch kassieren, etwa wenn der Demokrat Joe Biden die Präsidentenwahl gewinnt und die Rückkehr der USA in das Abkommen betreibt.

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SZ vom 21.08.2020/mkoh
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