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USA-Iran-Konflikt:Die Chronologie der Provokationen

Abgeschossene Drohnen, festgesetzte Tanker und atomare Drohungen: Das Verhältnis zwischen den USA und Iran ist tief zerrüttet. Worum es geht und was sich die Parteien vorwerfen.

Von Anna Ernst

Der Konflikt zwischen den USA und Iran belastet nicht nur die Beziehungen der beiden Länder, sondern hat auch Auswirkungen auf die Politik der EU-Staaten sowie auf die Weltwirtschaft. Die Straße von Hormus führt direkt an der Küste Irans vorbei. Fast ein Drittel des globalen Ölexports wird durch diese Meerenge verschifft. Wiederholt hat Iran bereits damit gedroht, die Wasserstraße zu blockieren.

Eine Chronologie des Konflikts:

Die Vorgeschichte

Seit Jahren streiten die USA und Iran über das iranische Atomprogramm. Die USA vermuten, dass Iran waffenfähiges Uran anreichern wolle, Iran hatte das stets abgestritten. In der Amtszeit von US-Präsident Barack Obama hat sich Iran in einem internationales Abkommen verpflichtet, seine nuklearen Entwicklungen zu beschränken. Im Gegenzug wollte der Westen seine Wirtschaftssanktionen aufheben.

8. Mai 2018: USA kündigen Iran-Atomabkommen einseitig auf

Anfang Mai 2018 kündigt US-Präsident Donald Trump an, die Vereinigten Staaten würden sich aus dem Atomabkommen mit Iran zurückzuziehen. Zugleich setzt er Sanktionen gegen das Land wieder in Kraft. Das Abkommen bezeichnet er als "den schlechtesten Deal aller Zeiten". Er wirft Iran vor, auch trotz Abkommen weiter an der Entwicklung von Raketen gearbeitet zu haben, die mit atomaren Sprengköpfen bestückt werden können.

Die anderen Unterzeichnerstaaten - darunter Frankreich, Deutschland und Großbritannien - hingegen wollen das Atomabkommen erhalten. Auch Irans Regierung erklärt, trotz des Ausstiegs der USA vorerst am Atomdeal festhalten zu wollen, sofern man sich mit den anderen Vertragspartnern einigen könne.

Juni 2018: Iran kündigt Bau verbesserter Uran-Zentrifugen an

Iran hat nach eigener Darstellung mit den Vorbereitungen zum Bau leistungsstärkerer Zentrifugen zur Urananreicherung begonnen. Der Chef der iranischen Atombehörde, Ali Akbar Salehi, versichert aber, die Aktivitäten würden im Rahmen des Atomabkommens bleiben. Im Land selbst tobt eine heftige Debatte darüber, ob Iran am Abkommen festhalten soll oder nicht. Israel reagiert auf die Ankündigung und droht mit einem Angriff.

26. Juni 2018: Trump droht Irans Handelspartnern

Ein Vertreter der Trump-Regierung erklärt, dass ausnahmslos alle Staaten, die vom 4. November an noch Öl aus Iran beziehen, mit harten Sanktionen rechnen müssen. Das betrifft vor allem die größten Abnehmer iranischen Öls: China, die EU, Südkorea, Indien und die Türkei. Iran würde das finanziell stark treffen. Erdöl ist seine wichtigste Einnahmequelle.

22. Juli 2018: Rohani warnt Trump vor der "Mutter aller Kriege"

Der iranische Präsident Hassan Rohani droht mit einer Blockade der Ölexport-Routen am Persischen Golf. Rohani unterstellt Trump, er beabsichtige mit seinen Sanktionen die Vernichtung Irans. "Die Amerikaner sollten aber wissen, dass Frieden mit Iran die Mutter aller Frieden ist (...) genauso wie ein Krieg die Mutter aller Kriege wäre", sagt der Präsident.

23. Juli 2018: Drohkulissen im Kurznachrichtendienst

Trump reagiert per Twitter auf Rohanis Worte: "Bedrohen Sie niemals wieder die USA, oder Sie werden Konsequenzen zu spüren bekommen, die nur wenige in der Geschichte jemals zu spüren bekommen haben."

Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif hat ebenfalls einen Twitter-Account - und nutzt ihn. "Sie sehen uns unbeeindruckt", schreibt Sarif in gleicher Großbuchstaben-Manier wie zuvor der US-Präsident.

Kurz darauf verkündet Trump völlig überraschend, zu einem Treffen mit dem iranischen Staatspräsidenten Rohani bereit zu sein. Er stelle für eine solche Begegnung auch "keine Vorbedingungen".

Irans geistliches Oberhaupt Ajatollah Ali Chamenei weist das Angebot zurück. "Ich verbiete jedes Gespräch mit Amerika", wird er im August im iranischen Fernsehen zitiert.

22. September 2018: Dutzende Tote und Verletzte bei Anschlag auf Militärparade

Mindestens 25 Menschen werden bei einer Militärparade im Südwesten Irans erschossen. Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif schreibt auf Twitter, "regionale Terror-Sponsoren und ihre US-Herren" seien für den Angriff verantwortlich. Bei der Trauerfeier für die Opfer des Anschlags drohen die einflussreichen Revolutionsgarden, die Eliteeinheit der iranischen Streitkräfte, den USA mit "vernichtender" Vergeltung.

25. September 2018: EU stemmt sich gegen Trump

Mit einer neuen Finanzinstitution will die EU die US-Sanktionen gegen Iran umgehen und so das Atomabkommen mit der Islamischen Republik retten. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini erklärt, dass eine Zweckgesellschaft für "legitime finanzielle Transaktionen" mit Iran gegründet werde.

Oktober 2018: Niederlage der USA vor Internationalem Gerichtshof

Der Internationale Gerichtshof in Den Haag erlegt den USA auf, einen Teil der Sanktionen gegen Iran vorerst aufzuheben. In der Klage Irans hieß es, die US-Sanktionen verstießen gegen das 1955 zwischen den USA und der Regierung des Schahs von Persien geschlossene Freundschaftsabkommen. Infolge der Gerichtsentscheidung kündigen die USA den Freundschaftsvertrag auf.

30. Januar 2019: Trump widerspricht seinen Geheimdiensten

Der US-Geheimdienstkoordinator Dan Coats, erklärt, dass Iran momentan nicht an einer Nuklearwaffe arbeite. "Wir glauben nicht, dass Iran derzeit die Schlüsselaktivitäten unternimmt, von denen wir glauben, dass sie für den Bau einer nuklearen Waffe notwendig sind", sagt er vor dem Geheimdienstausschuss des US-Senats. Trump reagiert auf Twitter: "Die Leute beim Geheimdienst scheinen extrem untätig und naiv zu sein, was die Bedrohung durch Iran angeht. Sie liegen falsch!"

Irans Außenminister findet die Differenzen zwischen Trump und seinen Geheimdiensten auf Twitter nur "peinlich", wie er seinerseits schreibt.

8. April 2019: USA stufen Revolutionsgarden als Terrororganisation ein

Trump kündigt an, die iranischen Revolutionsgarden als Terrororganisation einstufen zu lassen. Es ist das erste Mal, dass die USA eine militärische Einheit eines anderen Staates als Terrororganisation bewerten.

6. Mai 2019: USA verlegen Kampfverbände in Nahen Osten

Als militärische Warnung an Iran verlegen die USA einen Flugzeugträger und eine Bomberstaffel in den Nahen Osten. Die USA wollten keinen Krieg gegen Iran führen, seien aber bereit, auf jegliche Attacke mit "unerbittlicher Stärke" zu antworten, sagt der Nationale Sicherheitsberater im Weißen Haus, John Bolton.

8. Mai 2019: Iran setzt Vertragspartnern 60-Tage-Frist

Am Jahrestag des US-Ausstiegs aus dem Atomdeal setzt Iran die im Atomabkommen verbliebenen Staaten unter Druck. Man werde schrittweise die Vereinbarungen aus dem Abkommen brechen, falls binnen 60 Tagen keine neuen Bedingungen für das Atomabkommen vereinbart würden, teilt Präsident Rohani in einem Schreiben mit.

Die US-Regierung verhängt zeitgleich weitere Sanktionen gegen Iran.

13. Mai 2019: EU warnt USA vor Krieg mit Iran

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) und sein britischer Kollege Jeremy Hunt warnen die USA ausdrücklich vor einem Krieg mit Iran. "Wir sind sehr besorgt über das Risiko einer Eskalation, die unbeabsichtigt ist", sagt Hunt.

Einem Medienbericht zufolge werden in Washington mehrere militärische Optionen diskutiert. Einer der möglichen Pläne sehe vor, 120 000 Soldaten in den Nahen Osten zu entsenden, berichtet die New York Times unter Berufung auf Regierungsvertreter.

Zugleich belastet ein neuer Vorfall die Lage am Persischen Golf: Zwei Ölpumpstationen nahe der saudischen Hauptstadt Riad sind von bewaffneten Drohnen angegriffen und beschädigt worden.

Irans Führer Ali Chamenei sagt im Staatsfernsehen: "Weder wollen wir einen Krieg noch die USA, die wissen, dass dies nicht in ihrem Interesse wäre." Deshalb werde es auch keinen Krieg geben. Iran habe aber "den Weg des Widerstands" gegen die USA gewählt; Verhandlungen lehnt er ab.

20. Mai: Trump droht Iran mit Vernichtung

Nach dem Einschlag einer Rakete im irakischen Bagdad warnt US-Präsident Donald Trump scharf vor einem Krieg - und droht Iran mit der Zerstörung. "Wenn Iran kämpfen will, dann wird das das offizielle Ende Irans sein. Drohe nie wieder den Vereinigten Staaten", schreibt er auf Twitter.

13. Juni: Offenbar Angriffe auf zwei Tankschiffe

Bei Zwischenfällen nahe der iranischen Küste werden zwei Öltanker beschädigt. Die genauen Umstände sind zunächst unklar. Die USA und Großbritannien beschuldigen Iran, hinter den Angriffen zu stecken. Auch der saudische Kronprinz macht in einem Zeitungsinterview Iran für die mutmaßlichen Angriffe verantwortlich.

17. Juni 2019: Iran kündigt stärkere Urananreicherung an

Iran setzt die im Atomabkommen verbliebenen Staaten weiter unter Druck und kündigt an, die Urananreicherung zu steigern.

Nur einen Tag später kündigt das US-Verteidigungsministerium an, 1000 zusätzliche Streitkräfte im Nahen Osten zu stationieren - zu "Verteidigungszwecken".

20. Juni 2019: Abschuss einer US-Drohne

Die iranischen Revolutionsgarden schießen nach eigenen Angaben eine US-Drohne ab - angeblich über dem eigenen Luftraum. "Das war eine klare und konsequente Botschaft an diejenigen, die unsere Grenzen verletzen wollen", sagt der Chef der iranischen Revolutionsgarden, Hussein Salami.

Die USA sehen das anders: Die Drohne habe sich in internationalem Luftraum befunden. Sie erklären den Vorfall zu einem "nicht provozierten Angriff".

US-Präsident Trump kommentiert auf Twitter, Iran habe "einen sehr großen Fehler" gemacht.

21. Juni 2019: Trump sagt Angriff in letzter Minute ab

Kampfjets und Kriegsschiffe der USA sollen nach dem Abschuss der US-Drohne einen Vergeltungsschlag gegen Iran führen. Kurz vor Beginn des Angriffs entscheidet sich Präsident Trump jedoch um. In letzter Minute wird damit ein Krieg zwischen den USA und Iran vorerst vermieden.

23. Juni 2019: USA sollen Cyber-Angriff gegen Iran ausgeführt haben

Der Washington Post zufolge haben die USA einen Cyber-Angriff gegen die iranischen Revolutionsgarden ausgeführt. Der Angriff am 20. Juni soll von langer Hand vorbereitet gewesen sein. Er habe Computersystemen der iranischen Revolutionsgarden gegolten, die zum Abschuss und zur Kontrolle von Raketen genutzt würden.

24. Juni 2019: USA verhängen neue Sanktionen

Trumps neue Sanktionen zielen direkt auf Irans Obersten Führer Chamenei ab und sollen ihm und seinem Umfeld den Zugang zu finanziellen Ressourcen verwehren.

3. Juli 2019: Iran droht mit "unbegrenzter Urananreicherung"

Bei einer Kabinettssitzung kündigt Irans Präsident Rohani an, dass die im Atomabkommen festgeschriebene Obergrenze von 3,67 Prozent für die Urananreicherung am 7. Juli überschritten werde. Iran werde damit erstmals nicht mehr seine Verpflichtungen aus dem Atomdeal erfüllen. Trump reagiert mit weiteren Drohungen auf Twitter.

4. Juli 2019: An iranischem Öltanker entzündet sich neuer diplomatischer Streit

Die britische Marine setzt vor Gibraltar einen iranischen Öltanker fest, der gegen EU-Sanktionen verstoßen haben soll. Die Grace 1, die unter der Flagge Panamas fährt, stehe in Verdacht, iranisches Öl nach Syrien zu liefern, erklärt Gibraltars Regierungschef Fabian Picardo.

10. Juli 2019: Iran soll versucht haben, britischen Tanker zu stoppen

Das britische Verteidigungsministerium erklärt, dass Iran in der Straße von Hormus versucht habe, einen britischen Tanker aufzubringen. Ein Kriegsschiff der britischen Marine habe den Tanker begleitet und hätte die Übernahme verhindern können

Die Vereinigten Staaten schmieden unterdessen ein Bündnis, um das Seegebiet in der Region zu überwachen und Handelsschiffe militärisch zu schützen.

Europa diskutiert anschließend über eigene Marinemissionen.

19. Juli 2019: Iran stoppt britischen Öltanker im Persischen Golf

Die iranischen Revolutionsgarden haben einen unter britischer Flagge fahrenden Öltanker in der Straße von Hormus am Persischen Golf gestoppt. Den Revolutionsgarden zufolge hatte die unter britischer Flagge fahrende Stena Impero die internationalen Vorschriften nicht beachtet.

18. August 2019: Gibraltar gibt iranischen Tanker frei

Während die Stena Impero in Iran weiterhin festgesetzt ist, lässt Gibraltar den vor fast anderthalb Monaten beschlagnahmten iranischen Tanker wieder frei. Der Regierung Gibraltars zufolge sichert Iran zu, dass der Tanker das Öl nicht in Syrien entladen werde. Das Schiff soll seine Fahrt unter iranischer Flagge fortsetzen.

Bis zuletzt versucht das US-Außenministerium die Freigabe zu verhindern. Ein Bundesgericht in Washington hatte vergeblich die Beschlagnahmung des vor Gibraltar liegenden Schiffes verfügt. US-Außenminister Mike Pompeo droht allen Mittelmeerstaaten: Jeder, der das Schiff unterstütze oder die Einfahrt in die Häfen erlaube, riskiere, mit US-Sanktionen belegt zu werden.

25. August 2019: Irans Außenminister besucht G-7-Gipfel in Frankreich

Völlig überraschend besucht Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif den G-7-Gipfel im französischen Biarritz. Der französische Präsident Emmanuel Macron hat den Besuch offenbar mit Trump abgesprochen. Trump sagt bei einer Pressekonferenz, Macron habe ihn vorab gefragt und seine Zustimmung zu der Einladung gehabt.

26. August 2019: Macron versucht, einen US-Iran-Gipfel zu vermitteln

Bei der Abschlusserklärtung des G-7-Gipfels erklärt Macron, es gebe in dem Konflikt deutliche Fortschritte und Hoffnungen auf einen baldigen Durchbruch. Es sei sogar ein persönliches Gespräch von Trump und Rohani denkbar: "Ich hoffe, dass es uns in den kommenden Wochen auf der Basis dieses Austauschs gelingen wird, ein Gipfeltreffen mit Herrn Rohani auszurichten." Trump selbst bekräftigt: "Wenn die Umstände die richtigen wären, wäre ich dazu bereit." Übrigens kenne er "viele Iraner, die in New York leben" und habe "viele Freunde aus Iran".

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