Boltons Trump-Buch:Besserwisser vs. Besserwisser

Lesezeit: 2 min

John Boltons Anklagekonvolut gegen Donald Trump erscheint auf Deutsch. Es ist ein Ärgernis.

Rezension von Matthias Kolb

Wer hat den Durchblick? Bis September 2019 war John Bolton (rechts) Nationaler Sicherheitsberater von Donald Trump. (Foto: Brendan Smialowski/AFP)

Ein Ausdruck beschreibt dieses Buch am besten: Es erregt Ärger. Viele Leser wird es ärgern und auch entsetzen, was John Bolton 17 Monate lang als Sicherheitsberater von Donald Trump erlebt hat. Er war dabei, als der US-Präsident in Brüssel drohte, die Nato zu verlassen, sich von Russlands Präsident Wladimir Putin in Helsinki vorführen ließ und mit Tweets auf sein Ziel, ein "historisches" Abkommen mit Nordkoreas Diktator Kim Jong-un abzuschließen, hinarbeitete.

John Bolton: Der Raum, in dem alles geschah. Aufzeichnungen des ehemaligen Sicherheitsberaters im Weißen Haus. Aus dem Amerikanischen von Shaya Zarrin, Patrick Baumgärtel u. a. Verlag Das Neue Berlin, Berlin 2020. 640 Seiten, 28 Euro. E-Book: 18 Euro (erscheint am 14. August) (Foto: N/A)

Bolton, der bereits für die Präsidenten Ronald Reagan, George H. W. Bush sowie dessen Sohn arbeitete, wusste früh vom Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij, in dem Trump die Zahlung von Hilfsgeldern an Kiew an Ermittlungen gegen den Demokraten Joe Biden und dessen Sohn Hunter knüpfte. Für Bolton ist dies "schlicht und einfach Amtsmissbrauch" und ein weiterer Beleg, dass unter Trump "die Behinderung der Justiz als Lebensstil vollzogen wurde".

Als er realisiert, seinen Chef nicht zu Hardliner-Positionen gegenüber Iran oder Nordkorea bewegen zu können, kündigt er. Dass Trump hingegen behauptet, er habe Bolton gefeuert, passt zum Charakter der beiden: Sie sind Besserwisser, denen Selbstzweifel fernliegen und deren Selbstbewusstsein grenzenlos ist.

Hierin liegt das zweite Ärgernis: Bolton gibt auf mehr als 600 Seiten unzählige Sitzungen wieder, über deren Inhalt er genaue Notizen anfertigte. Anfangs ist es faszinierend, wenn jene Indiskretionen auftauchen, über die schon bei Erscheinen des Buchs berichtet wurde: US-Außenminister Mike Pompeo nennt Trump "so voller Mist"; dieser findet die EU "schlimmer als China, obwohl sie kleiner ist" und für Bolton ist Rudy Giuliani eine "Handgranate, die alle in die Luft jagen wird".

Aber nach 190 Seiten wird die Lektüre ermüdend, denn für Bolton ließe sich jedes Problem lösen, wenn alle seinem Rat folgen würden.

Das letzte Ärgernis: Seit zwei Monaten sind die Belege für Faulheit, Inkompetenz und Skandale (Trump forderte Chinas Präsident Xi Jinping auf, mehr Agrarprodukte zu kaufen, um seine Wiederwahl zu sichern) bekannt, doch die Republikaner im Kongress ignorieren sie. Die im Juni formulierte Hoffnung der Washington Post, die Anklage des konservativen Bolton werde "der K.o.-Schlag" für Trump sein, hat sich nicht erfüllt. Treffender das Urteil der New York Times, die Bolton vorwarf, "Stil und Erzählstruktur kaum Beachtung" zu schenken.

Wer sich durch das Buch kämpft, versteht das Phänomen Trump nicht besser. Hierfür ist Torben Lütjens Werk "Amerika im kalten Bürgerkrieg" (WbG/Theiss), das in der Süddeutschen Zeitung vom 8. Juni besprochen wurde, die bessere Wahl.

© SZ vom 10.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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