Süddeutsche Zeitung

USA:Houston hat ein Problem

Die texanische Großstadt ist das berühmte Zitat leid - das so gar nie gefallen ist.

Von Claus Hulverscheidt

Als die Houston Astros jüngst die Endspielserie um die US-Baseballmeisterschaft erreichten, da schwante vielen Einheimischen schon, dass es nun wieder losgehen würde mit der Sprücheklopferei. Und tatsächlich: "Houston, wir haben ein Problem", dichteten die Sportreporter, als die Astros gleich die erste Begegnung verloren, nach der Niederlage in Spiel vier wurde gar der knubbelig-weise Jedi-Meister Yoda aus der "Star Wars"-Saga bemüht: "Ein Problem, Houston, du hast."

Am Ende ging die Sache gut aus für die Astros, doch dass die Zeitungen des Landes ihre Berichte mit Sätzen wie "Houston, wir haben den Wimpel" überschrieben, löste vor Ort einmal mehr kollektives Stöhnen aus. "Uns alle eint der Frust über die Verkehrsprobleme der Stadt und die Fähigkeit, die brutal feuchten Sommer zu überleben", klagte die Houston Press stellvertretend für viele Leser. "Aber für alle, die hier geboren sind oder lange hier leben, endet die Verdruss-Liste damit noch nicht: Hinzu kommt der Missmut über die Dauerverwendung dieses Spruchs."

Dabei ist das wohl Interessanteste an dem Satz, dass er nie so gefallen ist. Das angebliche Zitat geht zurück auf die Astronauten der Apollo-13-Mondmission, die ihre Reise 1970 nach einer Explosion an Bord abbrechen mussten und nur knapp dem Tod entgingen. "Okay, Houston, wir haben hier gerade ein Problem gehabt", funkte Reservepilot Jack Swigert an das Kontrollzentrum. Es war die wahrscheinlich größte Untertreibung der Raumfahrtgeschichte - und ein viel zu harmloser Satz für einen Kino-Thriller. Als Regisseur Ron Howard "Apollo 13" 1995 verfilmte, entschied er sich deshalb zu zwei kleinen Änderungen: Im Film ist es nicht Swigert, der den Satz sagt, sondern Kommandant Jim Lovell, gespielt von Tom Hanks. Und statt im Perfekt ist er im sehr viel dramatischer klingenden Präsens formuliert: "Houston, wir haben ein Problem!"

Seither ist der Satz allgegenwärtig, wo immer es auf der Welt Ärger gibt. Der Spruch taucht auf in Sportübertragungen und Politikerreden, in Restaurantkritiken und im Wetterbericht. Wer bei Google sucht, erhält mehr als fünf Millionen Treffer, selbst die unglückliche, 2012 verstorbene Popsängerin Whitney - Achtung! - Houston musste ihn ertragen, nachdem ihre Drogensucht bekannt geworden war.

Die Houston Press nörgelt, dass der Kinofilm die Stadt zu einem "Synonym für Probleme" gemacht habe. Beim Kurzmitteilungsdienst Twitter gibt es seit einiger Zeit den Nutzer "@UghHouston", der nichts anderes tut, als besonders dämliche Verballhornungen des Spruchs aufzuspießen. Dass der Satz viele der 2,3 Millionen Houstoner trifft, könnte auch damit zu tun haben, dass die viertgrößte Stadt des Landes bei der Aufzählung der bedeutendsten US-Metropolen gerne vergessen wird. Manche Texaner fürchten gar, der Spruch sei das Einzige, was die übrigen Amerikaner mit Houston verbinden.

Zu den wenigen Anwohnern, die sich über die Dauerpräsenz des falschen Zitats sogar freuen, gehört ausgerechnet Nasa-Sprecher Kelly Humphries. Die Rettung der Apollo-13-Besatzung, so Humphries, sei "eine solche Sternstunde" gewesen, dass sich die Pressestelle entschlossen habe, ihr neues Hörprogramm danach zu benennen. Es heißt: "Houston, wir haben einen Podcast."

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Quelle:
SZ vom 29.11.2017
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