17 Monate hatte Trey Gowdy Zeit, sich auf diesen Tag vorzubereiten. Gowdy, ehemaliger US-Bundesstaatsanwalt, den seine Freunde "Bulldogge" nennen, ist der Vorsitzende des Bengasi-Sonderausschusses. Er wird Hillary Clinton zu den Vorfällen im US-Konsulat im libyschen Bengasi am 11. September 2012 befragen, als vier Amerikaner, unter ihnen Botschafter J. Christopher Stevens, ermordet wurden. Clinton war damals Außenministerin. Ihr wird vorgeworfen, trotz warnender Depeschen von Stevens nicht genug für die Sicherheit der US-Diplomaten getan zu haben.
Warum wurde das Wachpersonal nicht aufgestockt, obwohl sich die Lage nach der ersten Euphorie über das Ende von Diktator Muammar al-Gaddafi zuspitzte? Hätte man den Botschafter nicht abziehen sollen, da gerade an jenem Tag ein islamkritisches Video aus den USA in vielen muslimischen Ländern zu Protesten führte? So lauten die Fragen, mit denen sich das Parlament seit drei Jahren beschäftigt. "Die Nacht in Bengasi war ruhig", heißt es aber in einem Bericht der CIA, die den Vorfall untersuchte, "nicht eine Ameise war zu sehen", wird ein Wächter zitiert. Konnte also niemand voraussehen, dass Stunden später ein Mob militanter Islamisten in die Räume eindringen, kanisterweise Petroleum verschütten und alles abfackeln würde?
Es ist nicht das erste Mal, dass Hillary Clinton zum Terrorakt in Bengasi befragt wird. Es gab seit 2012 bereits acht Untersuchungen, es war von Versäumnissen die Rede, aber nicht von einem systematischen Vergehen. Selbst Trey Gowdys 17-monatige Ermittlung, die 4,5 Millionen Dollar verschlang, soll keine Beweise für ein Missverhalten zutage fördern, heißt es jetzt in einem Vorbericht der Demokratischen Partei, doch Gowdy sieht das anders.
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Durch Clintons E-Mail-Affäre bekam der Fall Bengasi neuen Schwung
Als am 2. März bekannt wurde, dass Clinton in ihrer Zeit als Außenministerin ihre E-Mails über einen privaten Server verschickte, darunter auch Dokumente, die die Botschaft in Libyen betrafen, bekam die Bengasi-Affäre eine neue Wendung. "Die Geschichte mit den E-Mails gab dem Sonderausschuss neuen Schwung", sagt Major Bradley Podliska, damals einer von Gowdys Mitarbeitern, der später gefeuert wurde: "Sie hatten das Gefühl, endlich etwas in den Händen zu halten, um Clinton zur Strecke zu bringen."
Zwar hat Clinton den Behörden seit März Zehntausende E-Mails übergeben, die sie geschickt und empfangen hatte, sie gab aber zu, 32 000 gelöscht zu haben, was Raum für viele Spekulationen ließ. "Indem sie ihren eigenen Server gebrauchte, setzte Clinton nicht nur die nationale Sicherheit aufs Spiel sondern auch Menschenleben", wurde Trey Gowdy in der New York Times zitiert. Er sprach von 1500 neuen E-Mails, die er erst kürzlich erhalten hatte und deren Inhalt "bemerkenswert sei".
Wenn Clinton am Donnerstagvormittag vor Gowdy und weiteren elf Mitgliedern des Bengasi-Ausschusses des Repräsentantenhauses in den Zeugenstand tritt, erwartet in Washington niemand neue Details über jene Nacht 2012. Nicht die mangelnde Sicherheit des Botschafters wird im Vordergrund stehen, sondern wieder einmal Clintons Adresse: hdr22@clintonemail.com, der Server in ihrem Haus in Chappaqua und die komplexe Frage, was genau als geheime Information gilt und was nicht.
Clinton hat in letzter Zeit mehrmals zu den Mails Stellung genommen. Erst nannte sie sie "ein dummes Versehen", später witzelte sie, technisch nicht ganz auf der Höhe zu sein. Doch als ihr Stab merkte, wie sehr die Affäre ihr schadet, weil sie jenes Misstrauen befeuert, das überall aufkommt, wo Clinton draufsteht, entschuldigte sie sich "beim amerikanischen Volk", wie es dann stets heißt.
"Es war wohl nicht eine meiner besten Ideen", sagte sie. "Bei dieser ganzen Untersuchung geht es längst nicht mehr um Bengasi, sondern nur noch um Clinton selbst", sagt Adam Schiff, Demokrat aus Kalifornien und eines der Mitglieder des Ausschusses. "Alles zielt darauf ab, Clinton zu schaden", so Schiff, alles sei dem Wahlkampf untergeordnet.
Er wird nicht ganz unrecht haben, denn die Vehemenz, mit der Clintons politische Gegner das Thema Bengasi immer wieder beackern, ist auffällig. Die Vorwürfe werden in den Sonntags-Talkshows so oft wiederholt, dass man als Zuschauer am Ende das Gefühl hat, Clinton sei in jener Nacht selbst am Attentat beteiligt gewesen. So behauptete Carly Fiorina, Bewerberin um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner, Hillary Clinton habe Blut an ihren Händen, und ihre Mitbewerber traten munter nach: Senator Rand Paul meinte, "Bengasi war ein Anruf um drei Uhr morgens, den Hillary nie entgegennahm", während Senator Lindsay Graham twitterte: "Wo zum Teufel steckte sie in der Nacht der Bengasi-Attacke?"
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So etwas wie Zufälle gibt es in Washington nicht
Vor wenigen Tagen nun hat Kevin McCarthy, republikanischer Abgeordneter von Kalifornien, bestätigt, wie politisch getrieben die Untersuchung von Clintons Rolle in Libyen ist. McCarthy, damals noch im Rennen um das Amt des Speakers des Repräsentantenhauses, sagte etwas ungeschickt in einem Interview: "Alle dachten, Hillary Clinton sei nicht zu stoppen. Wir aber haben einen Ausschuss zusammengestellt. Und wo stehen ihre Umfragewerte heute? Sie fallen." Für Clinton war McCarthys Unüberlegtheit ein Geschenk, weil sie nun einen Beweis hatte, dass es der Gegenseite nicht um die Sache ging, sondern um ihren Kopf. McCarthy kostete sein Ausrutscher wohl die Nominierung zum Speaker.
Viel stehe am Donnerstag auf dem Spiel für Clinton, heißt es in US-Medien, die sich mit Szenarien überbieten. "Ist Hillary überhaupt noch zu stoppen, wenn sie sich vor dem Ausschuss keine Blöße gibt?", titelt das Nachrichtenportal Politico.
Einer der wenigen, der offenbar kaum Interesse an Clintons E-Mails hegt, ist ausgerechnet Bernie Sanders, ihr größter Herausforderer. In der Fernsehdebatte vor einer Woche in Las Vegas meinte er: "Reden wir doch lieber über die wahren Probleme der Menschen in diesem Land und lassen wir diese verdammten E-Mails ruhen." Worauf ihm Clinton die Hand gab und sagte: "Einverstanden."
So schnell aber wird sie die Affäre nicht los. Trey Gowdy hat angekündigt, 2016 einen vollständigen Bericht zu veröffentlichen, zufällig genau dann, wenn sich der Wahlkampf auf dem Höhepunkt befindet. Doch so etwas wie Zufälle gibt es in Washington nicht.