In den Reservaten hat man sich nie Illusionen über die Bürokraten im fernen Washington gemacht. "Das Innenministerium war dazu da, drei Dinge zu verwalten", sagt ein Vertreter der Sioux in South Dakota. "Land, Tiere und Indianer." Das klingt bitter und sarkastisch, und so ist es auch gemeint.
Amerikas Ureinwohner haben bis heute wenig Vertrauen in die Regierung, die ihre Vorfahren einst getötet, vertrieben oder in schäbige Reservate gesperrt hat, um Platz für weiße Siedler zu schaffen. Und jede Sozialstatistik, die zeigt, dass die Menschen in den Reservaten stärker unter Armut, Krankheiten, Alkohol- und Drogensucht und Kriminalität leiden als in anderen Teilen des Landes, vertieft dieses Misstrauen. Zuletzt kam die Corona-Pandemie hinzu, welche die Native Americans sehr viel härter getroffen hat als die weißen Amerikaner. Unter den Navajo im Südwesten der USA zum Beispiel lag die Sterberate bei vier Prozent - mehr als doppelt so hoch wie die landesweite Todesrate von 1,8 Prozent.
Insofern hätte der neue US-Präsident Joe Biden wohl keine bessere Kandidatin für das Amt der Innenministerin finden können als Deb Haaland. Die 60 Jahre alte Kongressabgeordnete aus New Mexico gehört zum Volk der Laguna Pueblo, sie ist die erste indianischstämmige Politikerin an der Spitze des Department of the Interior. Am Montag wurde sie vom Senat bestätigt.
Zum ersten Mal ist eine Ministerin für die Ureinwohner zuständig, die deren Sorgen kennt
Man übertreibt nicht, wenn man das eine historische Personalie nennt. Zum ersten Mal in der Geschichte der Vereinigten Staaten ist in Washington eine Ministerin für die Ureinwohner zuständig, die deren Erfahrungen und Interessen kennt und ernst nimmt. "Jetzt, da sie Ministerin Haaland ist, können wir alle wohl damit rechnen, dass es eine Stimme geben wird, die sich bei Themen, die uns bewegen, nicht nur auskennt und mit uns sympathisiert, sondern dass wir diese Stimme sind", zitierte die Washington Post am Dienstag die Vorsitzende einer Organisation für Ureinwohner in Minnesota. "Heute ist ein guter Tag für die Urvölker", sagt auch der Sioux-Vertreter aus South Dakota.
Nahaufnahme:Juristisches Wunderkind
US-Präsident Joe Biden will offenbar die junge Juristin Lina Khan in die Führung der Wettbewerbsbehörde FTC berufen. In den Zentralen von Amazon, Google und Facebook dürfte die Aufregung groß sein.
Als Innenministerin ist Haaland künftig für gigantische Landflächen in den USA zuständig. Die Bundesregierung besitzt mehr als 2,5 Millionen Quadratkilometer Boden, etwa 28 Prozent der Landfläche, der größtenteils vom Innenministerium verwaltet wird. Das meiste staatseigene Land befindet sich in den westlichen Bundesstaaten. Dort liegen auch die meisten Indianer-Reservate. Die Frage, wie dieses Land genutzt wird, hat in der Vergangenheit immer wieder zu Streit zwischen Washington, den Regierungen der Bundesstaaten und den Stämmen geführt, die dort leben. Es gibt in diesen Gebieten Bodenschätze, darunter Öl, Gas, Kohle und Uran, mit deren Ausbeutung Unternehmen und die Regierung viel Geld verdienen können. Dem steht die Forderung vieler Vertreter der Ureinwohner gegenüber, das Land zu schützen.
Während der Präsidentschaft von Donald Trump hat sich dieser Streit erheblich verschärft. Seine Innenminister sahen ihre Aufgabe vor allem darin, mehr bundeseigenes Land für die wirtschaftliche Nutzung zu öffnen. Trump ging dafür so weit, Naturschutzgebiete wie das Bears Ears National Monument in Utah drastisch zu verkleinern, ein Gebiet, das den dortigen Indianerstämmen heilig ist.
Sie will einen klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft
Unter Haaland, deren Mutter eine Native American ist und deren Vater aus einer aus Norwegen eingewanderten Familie stammt, sind solche Entscheidungen undenkbar. Sie gehört dem linken Flügel der Demokraten an, ihre Berufung wurde von den "Progressiven" massiv vorangetrieben. Haaland ist eine Unterstützerin des sogenannten Green New Deal, ein politisches Programm, das den klimafreundlichen Umbau der US-Wirtschaft zum Ziel hat. Sie hat sich gegen Atomkraft und Uranbergbau eingesetzt, ein Engagement, für das die Münchner Nuclear Free Future Foundation sie 2020 auszeichnete. Der Kontrast zu ihrem Vorgänger David Bernhardt, einem ehemaligen Öllobbyist, könnte kaum größer sein.
Vor allem aber hat Haaland sich immer vehement für die Rechte der amerikanischen Ureinwohner engagiert. "Ein früherer Innenminister hat es einmal zu seinem Ziel erklärt, uns ,entweder zu zivilisieren oder auszulöschen'", sagte Haaland in ihrer Nominierungsrede. "Ich bin der lebende Beweis dafür, dass diese furchtbare Ideologie gescheitert ist."