USA:Grüße vom Auserwählten

Die schwüle Hitze in der Hauptstadt Washington setzt Präsident Donald Trump offenbar zu. Selbst in den Reihen seiner Republikaner gebraucht man apokalyptische Vergleiche, wenn es um ihn geht.

Von Hubert Wetzel, Washington

Heiß und dampfig war es am Mittwoch in Washington. 35 Grad im Schatten, wenn es irgendwo Schatten gegeben hätte, und 60 Prozent Luftfeuchtigkeit. Den Messias kümmerte das nicht. Er trat hinaus ins flimmernde Licht, wie immer bekleidet mit einem marineblauen Anzug und einer zu langen roten Krawatte. Er hob die Hände, als wolle er die verschwitzten Journalisten vor ihm segnen. Er blickte in den gleißenden Himmel. "Ich bin der Auserwählte", verkündete er. Dann stieg Donald Trump in seinen Hubschrauber und flog nach Kentucky, das Land, aus dem Rennpferde, Whiskey und Baseballschläger kommen.

Es gab in der Präsidentschaft des Donald John Trump schon viele seltsame Momente. Doch der Auftritt am Mittwoch gehörte wohl zu den bizarrsten, die Trump der Welt bisher geboten hat. Eine halbe Stunde lang stand der Präsident der Vereinigten Staaten vor dem Weißen Haus in der Sonne und sprach mit der Presse. In diesen 30 Minuten warf er 1.) seinem Zentralbankchef vor, ein ahnungsloser Trottel zu sein; bezichtigte 2.) alle amerikanischen Juden, die die Demokraten wählen, der "Illoyalität" gegenüber Israel und dem jüdischen Volk; jammerte 3.) über die "fiese" dänische Ministerpräsidentin, weil diese ihm Grönland nicht verkaufen wollte; beschimpfte 4.) die New York Times und den Fernsehsender NBC; bestritt 5.), dass den USA eine Rezession drohe, forderte aber zugleich 6.) den depperten Zentralbankchef (siehe 1.) dazu auf, die Zinsen wegen der drohenden Rezession schleunigst zu senken.

Zudem stritt Trump 7.) ab, dass der von ihm begonnene Handelskrieg gegen China tatsächlich von ihm begonnen worden sei - "Irgendjemand hat gesagt, das sei mein Handelskrieg. Das ist nicht mein Handelskrieg" -, nur um dann zu behaupten, dass er eigentlich gar keine andere Wahl gehabt habe, als einen Handelskrieg gegen China zu beginnen. Weil es nämlich 8.) gewissermaßen Gottes Plan und Auftrag sei, dass die USA einen Handelskrieg gegen China führen. "Einer muss es ja machen", so sprach Donald Trump, während um ihn herum die klebrige Mittagsluft waberte. "Ich bin der Auserwählte."

Uff.

Und dabei war das ja nur die Fortsetzung. Angefangen hatte der Tag damit, dass Trump ein Zitat von einem Mann namens Wayne Allyn Root ins Internet getwittert hatte. Root ist eine Art christlich-kapitalistischer Kommentator, nicht wirklich respektabel, bei Wikipedia wird er mit gerümpfter Nase als "konservativer Autor, Radiomoderator und Verschwörungstheoretiker" bezeichnet. Dieser Herr Root jedenfalls hatte Trump als den "besten Präsidenten aller Zeiten für die Juden und für Israel" bezeichnet, als den "König von Israel" - ja, was soll das Drumrumgerede, als den Messias. Die Juden in den USA kapierten das zwar nicht so richtig, aber in Israel werde Trump geliebt, als sei er der "zurückgekehrte Gott", erklärte Root. "Danke für diese sehr freundlichen Worte", twitterte der Präsident zurück.

Nun ist das mit Trump und der Wiederkunft Gottes respektive Christi schon in theologischer Hinsicht eine recht wackelige Sache. Juden und Christen haben dazu unterschiedliche Ansichten, und auch die Bibel warnt vor voreiligen Schlüssen: "Denn es wird mancher falsche Christus und mancher falsche Prophet auftreten, und sie werden große Zeichen und Wunder wirken, um, wenn möglich, auch die Auserwählten irrezuführen", heißt es bei Matthäus, Kapitel 24, Vers 24. Überschrieben ist dieser Abschnitt mit der Rubrik: "Vom Höhepunkt der Not".

Das wiederum trifft die Stimmung in weiten Teilen Washingtons und der USA deutlich besser. Was immer Trump im Oval Office an großen Zeichen und Wundern wirkt, von außen gesehen sieht es doch eher nach Chaos und Apokalypse aus. Ein Bild, das Kommentatoren derzeit oft verwenden, wenn sie über Trump schreiben, und das auch im Gespräch mit Republikanern vorkommt, ist das von einem kaputten Atomreaktor. Trumps Herumgehacke auf der Zentralbank, seine rassistischen Ausfälle gegen muslimische Demokratinnen, die zumindest antisemitisch eingefärbte Attacke auf jene 75 Prozent der jüdischen Wähler, die nicht für ihn gestimmt haben, sein Schlingerkurs in der Debatte um härtere Waffengesetze, das Grönland-Theater und obendrauf noch die wachsende Rezessionsgefahr - all das sehe doch sehr nach "Kernschmelze" aus, heißt es in Washington.

Vielleicht ist Donald Trump also doch nicht der Auserwählte. Man kennt solche Verwechslungen aus dem Monty-Python-Film "Das Leben des Brian". Da denken die Menschen, Brian sei der Heiland. Aber seine Mutter weiß es besser. "Er ist nicht der Messias", keift sie die Verwirrten an. "Er ist nur ein ungezogener Bengel. Und jetzt verschwindet!"

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