USA:"Gefallen für Putin"

Nach zahlreichen Drohungen macht Präsident Trump nun offenbar ernst: 9500 Soldaten sollen Deutschland verlassen. Größter Profiteur könnte Russland sein - aber auch die osteuropäischen Nato-Staaten.

Von Paul-Anton Krüger

Hardcore-Hindernislauf auf US-Armeegelände in Bayern

In Zukunft könnten ein paar Tausend US-Soldaten weniger durch den Schlamm im bayerischen Grafenwöhr robben.

(Foto: Sgt. Christopher Stewart/picture alliance/dpa)

Immer wieder hat US-Präsident Donald Trump die Bundesregierung für die in seinen Augen zu geringen Verteidigungsausgaben kritisiert und mit dem Abzug von US-Truppen aus Deutschland gedroht. Nun könnten dem Taten folgen. Wie das Wall Street Journal berichtet, hat Trumps Sicherheitsberater Robert O'Brien eine Direktive unterzeichnet, nach der 9500 US-Soldaten Deutschland bis September verlassen sollen. Sie sollen in andere Nato-Staaten in Europa verlegt werden oder in die USA zurückkehren. Zudem soll die Höchstzahl der Soldaten, die sich gleichzeitig in Deutschland aufhalten, von 52 000 auf 25 000 nahezu halbiert werden.

Den zweiten Teil der Anordnung halten Experten wie der frühere US-Befehlshaber der US-Armee in Europa, Ben Hodges, oder der frühere US-Botschafter bei der Nato, Ivo Daalder, für potenziell noch folgenreicher. Derzeit sind 34 500 US-Soldaten in Deutschland stationiert, überdies arbeiten 17 000 US-Zivilangestellte und 12 000 deutsche Zivilisten für die Streitkräfte. Sollte es zu dem geplanten Teilabzug kommen, wäre das neue Limit aber mit den verbleibenden Soldaten ausgeschöpft. Die US-Streitkräfte könnten dann nicht mehr, wie bislang üblich, größere Verbände etwa für Übungen nach Deutschland rotieren. Würden sie an dieser Praxis festhalten wollen, müssten Einrichtungen geschlossen werden, die große Bedeutung für die US-Präsenz in Europa, Afrika, Afghanistan und im Nahen Osten haben. Dazu gehören eine Reihe von Hauptquartieren und Logistik-Stützpunkten.

Auch im Irak will Trump die US-Präsenz verringern - und aus Afghanistan Truppen holen

Der Militärflugplatz Ramstein ist der größte US-Stützpunkt außerhalb der USA und Sitz des Hauptquartiers der US-Luftwaffe für Europa, überdies das wichtigste Nachschub-Drehkreuz für Einsätze im Nahen Osten, Afghanistan und Afrika und bedeutend auch für die Steuerung von Drohneneinsätzen. Verwundete aus diesen Einsatzgebieten fliegen die US-Streitkräfte ins Militärkrankenhaus Landstuhl aus, das größte außerhalb der USA. Das Miesau Army Depot, das nur etwa 15 Kilometer von Ramstein entfernt liegt, ist das größte Munitionslager der US-Landstreitkräfte außerhalb der USA. Ramstein und Landstuhl haben die US-Streitkräfte für Milliarden Dollar umgebaut und modernisiert; sie sind auf kurze und mittlere Sicht nicht zu ersetzen, ebenso der Stützpunkt Wiesbaden-Erbenheim, der neben dem Europa-Hauptquartier der US-Armee wichtige Geheimdiensteinrichtungen beherbergt. Allerdings plant Trump auch, die US-Präsenz im Irak zu verringern und aus Afghanistan abzuziehen. Damit könnte auch eine Reduzierung der militärischen Infrastruktur in Deutschland einhergehen.

Zudem sitzen im Raum Stuttgart die beiden für Europa und Afrika zuständigen Regionalkommandos der US-Streitkräfte, in Böblingen zudem das Kommando der US-Marineinfanterie für Europa und Afrika. Der Truppenübungsplatz Grafenwöhr, laut der US-Armee der größte und technisch fortschrittlichste in Europa, hat seine Bedeutung im gemeinsamen Training von US-Soldaten, die im nahegelegenen Vilseck stationiert sind, und Einheiten anderer europäischer Nato-Staaten. Panzer und Kampfjets können dort mit scharfer Munition üben, was in Europa selten ist.

Welche Verbände von dem Rückzug betroffen sein könnten, ist bislang nicht klar. Stars and Stripes, die Zeitung der Streitkräfte, zitiert Beamte aus dem Pentagon, die Pläne seien dort nicht bekannt. Anderen Berichten zufolge sollen sie hingegen mit Verteidigungsminister Mark Esper abgestimmt und seit September von Generalstabschef Mark Milley vorbereitet worden sein. Der Spiegel meldet, Mitglieder des US-Kongresses seien informiert worden, dass zwischen 5000 und 15 000 Soldaten abgezogen werden sollen. Laut dem Wall Street Journal muss das Pentagon seine endgültige Zustimmung aber erst noch erteilen. Der Nationale Sicherheitsrat soll bisher nicht wie üblich in den Entscheidungsprozess einbezogen gewesen sein.

Laut der New York Times sollen F-16-Kampfjets und Unterstützungsverbände der Armee abgezogen werden. Da die in Ramstein stationierten F-16 zum Schutz des Stützpunkts dienen, dürfte eher das 52. Geschwader aus Spangdahlem in Rheinland-Pfalz verlegt werden, dem etwa 5000 Soldaten und Zivilbeschäftigte angehören. Der Abzug von Armee-Einheiten könnte Standorte in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Bayern betreffen. Etliche dieser Einrichtungen dienen dazu, im Krisenfall schnell zusätzliche Verbände nach Europa zu bringen und müssten durch vergleichbare Infrastruktur in anderen Ländern ersetzt werden, soll nicht die Reaktionsfähigkeit der US-Armee und der Nato unterminiert werden.

Allerdings ist die Verlegung von 9500 Soldaten, von denen viele mit ihren Familien in Deutschland leben, binnen drei Monaten eine "große logistische Herausforderung", wie Stars and Stripes anmerkt. Der Präsident habe zudem in der Vergangenheit mehrfach Rückzugspläne verkündet, die dann nicht umgesetzt worden seien, etwa in Syrien. Auch eine Verringerung der US-Kontingente in Südkorea und Japan hatte Trump wiederholt ins Spiel gebracht.

Trumps Pläne stießen auch in den USA auf Kritik. Sie seien "kleinlich und absurd", sagte der demokratische Senator Jack Reed, der Vize-Vorsitzende des Streitkräfte-Ausschusses. Er sprach von einem "Gefallen für Russlands Präsidenten Wladimir Putin". Senator Eliot Engel, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, kündigte an, mit den Republikanern im Kongress daran zu arbeiten, die Entscheidung rückgängig zu machen. US-Regierungsbeamte rechtfertigten die Pläne damit, dass die Europäer auf Druck Trumps ihre Verteidigung verbessert hätten und die US-Präsenz deswegen reduziert werden könne - eine Einschätzung, die vor allem osteuropäische Nato-Staaten kaum teilen dürften.

Sie könnten indes zu den Profiteuren gehören. So erhofft sich Polen die Stationierung zusätzlicher US-Soldaten, wie Premier Mateusz Morawiecki sagte: "Das wird die Ostflanke der Nato stärken." Allerdings wäre eine dauerhafte Stationierung in Polen oder den baltischen Staaten nicht einfach mit der Nato-Russland-Grundakte in Einklang zu bringen.

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