USA:Gefängnis für "El Chapo"

Joaquin 'El Chapo' Guzman

Joaquin 'El Chapo' Guzman bei seiner Festnahme in Mexiko City 2014.

(Foto: Eduardo Verdugo/AP)

Jury hält den mexikanischen Drogenboss für schuldig.

Von Johanna Bruckner, New York

Je länger sich die Beratungen der Jury hinzogen, desto besser wurde die Laune von Joaquín Guzmán, den die Welt vor allem als "El Chapo" kennt - den Kurzen. Nach Ansicht der New Yorker Staatsanwaltschaft war der Mann, der seinen Spitznamen seiner untersetzten Statur verdankt, bis zu seiner vorerst letzten Verhaftung im Januar 2016 einer der Größten im Drogenhandel zwischen Kolumbien, Mexiko und den USA. Seit Mitte November wurde dem 61-Jährigen deshalb im Eastern District Court im Stadtteil Brooklyn der Prozess gemacht. Der fast dreimonatige Verhandlungsmarathon war von Beginn an auch ein Medienspektakel. "El Chapo", der sich einst von Hollywoodstar Sean Penn interviewen ließ, schien die Aufmerksamkeit zu genießen. Umso mehr, als sich in den vergangenen Tagen abzuzeichnen schien, dass die zwölfköpfige Jury ziemliche Schwierigkeiten hatte, zu dem sicher geglaubten Schuldspruch zu kommen.

Joaquín Guzmán muss nun damit rechnen, den Rest seines Lebens in US-Haft zu verbringen

Als am vergangenen Donnerstag die erste Woche der Beratungen des Gremiums ohne eine Einigung über Schuld oder Nicht-Schuld des Angeklagten zu Ende ging, bedankte sich ein grinsender Guzmán bei Jeffrey Lichtman, einem seiner drei Verteidiger. Dem Boulevardblatt New York Post war die "dramatische Umarmung" vor Gericht einen eigenen Artikel wert. Alles schien auf eine Überraschung in einem der aufsehenerregendsten Prozesse der jüngeren US-Geschichte hinzudeuten.

Am Ende ist es nun doch der erwartete Schuldspruch geworden. Am Dienstagmittag befand die zwölfköpfige Jury Guzmán in allen zehn Anklagepunkten für schuldig. "El Chapo", dem es mehrmals auf spektakuläre Weise gelungen war, sich in seiner Heimat Mexiko der Strafverfolgung zu entziehen, droht damit eine lebenslange Haftstrafe in den USA. Das Urteil zeige die "herausragende Reichweite der US-Regierung", sagte US-Justizminister Matthew Whitaker. Guzmán selbst habe den Schuldspruch "positiv" hingenommen, teilten seine Verteidiger mit. "Wir waren ganz ehrlich gesagt verärgerter als er", sagte sein Anwalt Lichtman. Er kündigte an, "natürlich" Berufung einlegen zu wollen.

Über das konkrete Strafmaß wird nun Richter Brian Cogan entscheiden. Er musste nicht nur durch ein langwieriges und stellenweise kleinteiliges Verfahren leiten, sondern hatte oft auch allzu aufgeregte Beteiligte einzubremsen. Gleich am ersten Prozesstag im November hatte er die Staatsanwaltschaft ermahnt, aus einem Drogenprozess keinen Mordprozess zu machen - in der Anklage wurden dem früheren Chef des mexikanischen Sinaloa-Kartells auch Dutzende Morde zur Last gelegt. Verteidiger Eduardo Balarezo holte sich einen Rüffel ab, als er versuchte, die Ängste eines Jurymitglieds lächerlich zu machen.

Immer wieder gab es im Lauf der elfwöchigen Verhandlung Störfeuer. Zuletzt vergangene Woche, als ein Mann mit der Behauptung, er sei ein Familienmitglied "El Chapos", einen der begehrten Plätze in Cogans Gerichtssaal für sich beanspruchte. Der vermeintliche Verwandte entpuppte sich als Aufmerksamkeitssuchender mit ausstehendem Haftbefehl - und wurde an verdutzten Beobachtern vorbei abgeführt.

Mitunter erinnerte das Geschehen an eine Hollywood-Produktion über einen mexikanischen Drogenboss, so überdreht, dass der Schrecken des organisierten Verbrechens fast lächerlich erscheint. Kurz vor den Schlussplädoyers kamen sich Gerichtsrealität und Netflix-Fiktion tatsächlich ganz nahe. Alejandro Edda machte seine Aufwartung im Eastern District Court - der mexikanische Schauspieler verkörpert "El Chapo" in der Serie "Narcos: Mexico".

Richter Cogan ist es mit zu verdanken, dass die US-Justiz trotz der äußeren Umstände als Gewinnerin aus diesem historischen Prozess im Kampf gegen den Drogenhandel hervorgeht. Er nahm sich am vergangenen Montag mehrere Stunden Zeit, um die Jury auf die anstehenden Beratungen vorzubereiten. Im Prozess hatten 56 Zeugen ausgesagt, darunter ehemalige Mitarbeiter und Ex-Geschäftspartner von "El Chapo". Die Verteidigung hatte einen einzigen Entlastungszeugen präsentiert. Immer wieder baten die Geschworenen darum, einzelne Aussagen noch einmal zu hören. Allein der Hauptanklagepunkt, in dem Guzmán vorgeworfen wurde, über Jahre einen internationalen Drogenschmuggelring geleitet zu haben, umfasste 27 einzelne Rechtsverletzungen. Die Jury musste sich einstimmig auf mindestens drei verständigen, um "El Chapo" in diesem Punkt schuldig sprechen zu können.

Das dauerte - und ließ die Verteidiger zeitweise an einen Sieg glauben. Am vergangenen Freitag twitterte die Kanzlei Balarezo ein Foto, das eine Tequila-Flasche in der Form einer Pistole zeigte. Überschrieben war es mit den Worten: "Für nach dem Prozess." Das Strafmaß soll Ende Juni verkündet werden.

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