Nato:Washington bemüht sich um besseres Verhältnis zu Paris

National Security Advisors meeting at NATO HQ in Brussels

U.S-Sicherheitsberater Jake Sullivan (rechts) and Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg im Nato-Hauptquartier in Brüssel

(Foto: POOL/REUTERS)

Nach den französischen Protesten gegen das Sicherheitsbündnis Aukus versucht Bidens Berater Jake Sullivan bei seiner Europareise, die Wogen zu glätten. Auch die Nato-Zentrale in Brüssel besucht er - und gibt ein "felsenfestes Bekenntnis" ab.

Von Matthias Kolb, Brüssel

Im Vergleich zur ersten Station seiner Europareise war der Arbeitstag in Brüssel für Jake Sullivan fast ein Kinderspiel. Sechs Stunden lang hatte der nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden am Mittwoch in Zürich mit Yang Jiechi gesprochen, Chinas ranghöchstem Außenpolitiker. Sie vereinbarten, dass sich Biden und Chinas Präsident Xi Jinping vor Jahresende per Video austauschen werden. Später hieß es, der Austausch zwischen Sullivan und Yang sei konstruktiver abgelaufen als deren Treffen im März: Damals war es vor Journalisten zu einer offenen Konfrontation gekommen.

Eine offene Konfrontation hatte Sullivan nicht zu befürchten, als er am Donnerstag in der Nato-Zentrale an einem Treffen der nationalen Sicherheitsberater aller 30 Mitglieder teilnahm. Die Sitzungen in der Militärallianz laufen stets formell und zivilisiert ab, so dass den Amerikaner keine französischen Attacken erwarteten. Wie wütend Paris auf das neue Sicherheitsbündnis Aukus, das die USA mit Großbritannien und Australien abgeschlossen haben, reagiert hatte, wurde auch in der Nato bemerkt. Schließlich platzte so der "Deal des Jahrhunderts", nämlich der 56 Milliarden Euro umfassende Vertrag über die Lieferung französischer U-Boote an Australien.

Einen langen Streit zwischen Paris einerseits und Washington und London andererseits will man in der auf Einstimmigkeit beruhenden Allianz unbedingt vermeiden, denn bis zum Gipfel Ende Juni 2022 in Madrid soll das neue strategische Konzept fertig sein. Damit will sich die Nato für das nächste Jahrzehnt rüsten, in dem es an Herausforderungen nicht mangelt. Sie reichen von russischer Aufrüstung über Chinas globale Ambitionen bis zum Schutz der eigenen Infrastruktur. Daher kam es intern gut an, dass Sullivan eine entsprechende Sitzung anregte, um aktuelle Themen wie die Lage in Afghanistan oder Aukus zu besprechen.

In dieser Woche hatte bereits US-Außenminister Tony Blinken Paris besucht und dort auch Präsident Emmanuel Macron getroffen. Dieser wird mit Biden Ende Oktober am Rande des G-20-Gipfels zu einem Gespräch zusammenkommen. Auch Sullivan reist von Brüssel nach Paris, wo er unter anderem seinen Amtskollegen Emmanuel Bonne treffen wird, der ebenfalls an der Nato-Sitzung teilnahm. Anschließend berichtete Generalsekretär Jens Stoltenberg, die USA hätten "ihr felsenfestes Bekenntnis" zur Nato erneuert. Dass Sullivan diese Beteuerung ein knappes Jahr nach der Abwahl Donald Trumps abgibt, zeigt klar, dass man in Washington die Unsicherheit der Europäer wahrnimmt. Stoltenberg wiederholte, dass er die "Enttäuschung" Frankreichs verstehen könne. Er sei aber überzeugt, dass solch "bilaterale Meinungsverschiedenheiten" die Arbeit im Bündnis nicht beeinträchtigen würden und man einen Ausweg finden werde. Er sei überzeugt, dass Aukus weder gegen die Nato noch gegen Europa gerichtet sei.

Macron zeigt sich unbeeindruckt von der Charmeoffensive aus Washington

Stoltenberg erinnerte daran, dass sich die 30 Mitglieder erst im Juni darauf geeinigt hatten, enger mit den Partnern in der Indopazifik-Region zusammenzuarbeiten - und dazu gehört neben Japan, Neuseeland und Südkorea auch Australien. Er gehe fest davon aus, dass dieser Beschluss umgesetzt werde. Zuletzt waren Gerüchte zu hören gewesen, Paris könnte eine Teilnahme der vier Länder beim Nato-Gipfel 2022 blockieren.

Wie sehr sich Washington um Frankreich und die Europäer bemüht, zeigte auch ein Anruf von Präsident Biden bei Ursula von der Leyen. Vor dem EU-Gipfel in Slowenien, bei dem das Verhältnis zu den USA Thema war, warb Biden im Gespräch mit der Chefin der EU-Kommission für eine engere transatlantische Partnerschaft. Und Macron? Der französische Präsident zeigt sich zumindest nach außen unbeeindruckt von der Charmeoffensive. In Slowenien antwortete er auf die Frage, ob er nun glaube, dass die USA Frankreich in Zukunft wieder ernst nehmen würde: "Wir werden sehen. Ich glaube nur an Fakten." Macron kündigte an, Biden nicht an seinen Worten messen zu wollen, sondern an dessen Taten.

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