Süddeutsche Zeitung

Diplomatie:Maas fordert Allianz gegen Autokraten

Europa und Amerika müssten sich gegen Bedrohungen durch Russland und China wappnen, so der Außenminister. Ein Bericht wirft Moskau systematische Kampagnen gegen Deutschland vor.

Von Daniel Brössler, Matthias Kolb und Max Muth

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hat die USA angesichts verstärkter Übergriffe aus Russland und China zum "gemeinsamen Kampf für Demokratie" aufgerufen. Europa und die USA müssten gemeinsam agieren, "wenn Russland, China oder andere Länder unsere Sicherheit und unseren Wohlstand, die Demokratie, die Menschenrechte und das Völkerrecht bedrohen", sagte Maas am Dienstag in seiner ersten größeren Rede zum transatlantischen Verhältnis seit dem Amtsantritt des demokratischen Präsidenten Joe Biden in den USA. Deutschland stehe bereit für einen "transatlantischen New Deal". Wegen der Pandemie war Maas lediglich aus Berlin zugeschaltet zur Einweihung des Fritz Stern-Lehrstuhls bei der Brookings-Institution in Washington.

Der Kampf gegen die Corona-Pandemie sei durch "Masken- und Impfdiplomatie" zu einem Wettstreit der Systeme geworden, beklagte Maas. Multilaterale Lösungen wie die globale Impfinitiative Covax müssten erfolgreich sein, "wenn wir nicht gegenüber denjenigen an Boden verlieren wollen, die behaupten, autoritäre Regime könnten besser mit einer Krise wie dieser umgehen". Auch im Kampf gegen den Klimawandel sollten die USA und die Europäische Union kooperieren.

"Der Appell an die Kraft der Vernunft ist entscheidend für das Überleben der Demokratie im digitalen Zeitalter", sagte Maas. "Hassrede, Manipulation und Desinformation untergraben das Vertrauen, das wir ineinander haben", warnte er. Nötig sei, auch international, eine bessere Regulierung. Dies sei "eine Aufgabe, die wir eindeutig nicht den großen Tech-Unternehmen allein überlassen können".

An Brisanz gewonnen hat der Appell des Außenministers zum Kampf gegen Desinformation durch einen Bericht des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD). Darin wird Russland vorgeworfen, eine "systematische" Desinformationskampagne gegen Deutschland zu führen. "Kein anderer EU-Mitgliedsstaat wird heftiger angegriffen als Deutschland", heißt es. Für die Website EUvsDisinfo.eu, wo der Bericht nachzulesen ist, werden öffentlich zugängliche Medienberichte und Aussagen ausgewertet. Seit Ende 2015 wurden laut EAD in ihrer Datenbank mehr als 700 entsprechende Fälle zur Bundesrepublik gesammelt. Frankreich wurde etwa 300 Mal, Italien gut 170 Mal und Spanien mehr als 40 Mal zum Ziel.

Die EAD-Experten werfen dem Kreml vor, die Dialogbereitschaft der EU sowie Deutschlands "auszubeuten", indem Russland ständig seine Bereitschaft für Gespräche erkläre, aber seine Angriffe fortsetze. Von "Doppelzüngigkeit" ist die Rede. Der Titel deutet Moskaus zweigleisigen Ansatz an: "Deutschland verteufeln, Deutschland umschwärmen". In der Analyse heißt es, der Kreml erzeuge von Deutschland ein geistiges Bild, "in dem es in einem Chor irrationaler ,Russophobie' einige wenige vernünftige Stimmen gibt".

Zugleich wächst auch die Sorge über das Vorgehen Chinas. So hat nach Einschätzung des US-Konzerns Microsoft eine Gruppe chinesischer Staatshacker, die das Unternehmen "Hafnium" nennt, systematisch Sicherheitslücken ausgenutzt. Sie hätten es ursprünglich vor allem auf Informationen in den USA abgesehen. Ziele seien unter anderem Hochschulen, Anwaltsfirmen und Unternehmen mit Verteidigungsaufträgen gewesen.

In seiner Rede betonte Maas die Gemeinsamkeit mit den USA im Umgang mit Russland und China. "Wir haben auf das harte Durchgreifen Moskaus und Pekings gegenüber der Zivilgesellschaft und die Verletzungen des Völkerrechts durch beide Länder reagiert", sagte er. Der US-Regierung, die wie unter Donald Trump höhere Verteidigungsausgaben der Europäer erwartet, sicherte Maas zu, auf "dem eingeschlagenen Weg weiter fortzuschreiten". Deutschland habe seine Verteidigungsausgaben seit 2014 bereits um 50 Prozent gesteigert. Auf den Streit um die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 ging er nicht ein.

Der Außenminister verwies auf die von ihm zusammen mit seinem französischen Kollegen Jean-Yves Le Drian angestoßene "Allianz für den Multilateralismus" und den von Biden vorgeschlagenen "Gipfel für Demokratie". Seine Hoffnung sei nun, "dass wir die Kraft der Vernunft nutzen, um unsere Demokratien zu Hause neu zu beleben und um wieder Stabilität in die internationalen Beziehungen zu bringen".

Mit Blick auf die von Frankreich forcierte Diskussion um mehr "europäische Souveränität" bemühte sich Maas, Befürchtungen in den USA zu zerstreuen. "In europäische Souveränität zu investieren, bedeutet, in die transatlantische Partnerschaft zu investieren", sagte er. Nur ein starkes, offenes und geeintes Europa werde "auch in Zukunft ein wichtiger Partner für die Vereinigten Staaten sein".

Sprechen will Maas mit den USA außerdem über über "faire branchenspezifische Handelsabkommen". Durch sie könnten soziale und ökologische Standards angehoben werden.

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