USA:Es wird einsam um Obama

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Der Präsident will mehr Krieg und mehr Klimaschutz. Damit strapaziert er Amerikas Kräfte aufs Äußerste und provoziert: Gegenkräfte, Proteste und womöglich auch Revolten.

Christian Wernicke

Entscheiden macht einsam. Diese Erfahrung muss Amerikas Präsident dieser Tage durchleben. Gleich zwei Mal: In der Nacht zum Mittwoch wird Barack Obama seinem Volk zunächst offenbaren, dass er - per Marschbefehl für mehr als 30.000 junge Landsleute - den Krieg in Afghanistan in die Eskalation treiben will.

Barack Obama will mehr Krieg in Afghanistan und mehr Klimaschutz in den USA - zwei Entscheidungen, die die Kräfte Amerikas aufs Äußerste strapazieren. (Foto: Foto: AFP)

Und nur eine Woche drauf möchte er seiner Nation nicht weniger abverlangen als eine Abkehr vom "American Way of Life": Bei der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen wird Obama versprechen, dass die Vereinigten Staaten - per Verringerung ihres Kohlendioxid-Ausstoßes - sich abwenden werden von einem Lebensstil, der weltweit geradezu als Synonym gilt für ignorante Verschwendung und planetare Selbstzerstörung.

Mehr Krieg und mehr Klimaschutz. Mit beiden Entscheidungen strapaziert Obama die Kräfte Amerikas aufs Äußerste. Der Präsident mobilisiert, im Strategen-Jargon seiner Sicherheitsberater formuliert, die letzten Reserven der "hard power" der Militärmacht wie auch alle "soft power" der größten und innovativsten Volkswirtschaft auf Erden. Und er provoziert - Gegenkräfte nämlich, Proteste und ja: sogar Revolten.

Er kann ein Großer werden - oder scheitern

Denn Obamas Doppelbeschluss, gefunden nach Wochen oft solitären Grübelns im elften Monat seines ersten Amtsjahres, wird die amerikanische Nation aufwühlen. Die militärische Aufrüstung am Hindukusch, aber auch die ökologische Umrüstung daheim - beide Missionen bestimmen vielleicht über das Schicksal dieses Präsidenten. Er kann ein ganz Großer werden. Oder scheitern.

Zunächst Afghanistan. Dies ist, obwohl er vor mehr als acht Jahren begonnen hat, nun Obamas Krieg. Im Wahlkampf hat Obama wieder und wieder betont, der Feldzug gegen al-Qaida und Taliban sei der richtige, der notwendige, ja der gute Krieg. Damals galt Afghanistan nur als Amerikas zweite Front, die wahren Schlachten tobten im Irak.

Das stete Lob gerechter US-Gewalt am Hindukusch diente dem Zweck, einen Kandidaten als harten Kerl zu präsentieren, dessen Karriere 2002 mit einer kurzen Rede gegen Bushs Irak-Kriegspläne begonnen hatte. Nicht alles, was der Senator einst sprach, war also so ernst gemeint wie es für den Präsidenten nun wird. Nur, längst wird anderswo gestorben: Kabul, Kandahar und Khost heißen die Orte, von wo aus die US-Armee täglich beflaggte Särge in die Heimat schickt.

"Diesen Job zu Ende bringen"

In eben diese Hölle will Obama nun noch mehr Soldaten senden. Mehr als 30.000 Söhne und Töchter Amerikas sollen einen Krieg gewinnen, den daheim immer weniger Bürger mittragen wollen. Die eigene Partei geht dem Oberbefehlshaber von der Fahne. Drei von fünf Demokraten fordern den Anfang vom Ende allen US-Engagements, an der Heimatfront stehen nur noch die Republikaner in Treue fest zu einem Präsidenten, der ansonsten nicht der Ihre ist.

Das ist Obamas erste Herausforderung: Mit seiner Ansprache an die Nation muss er seine einst glühendsten Anhänger - das linke Drittel der Gesellschaft - zum Durchhalten überreden. Er versucht dies, indem er neuerdings sonderbar lässig verheißt, unter ihm werde Amerika "diesen Job zu Ende bringen". Allein, diese taktische Rhetorik ist gefährlich. Denn damit schürt Obama den Eindruck, die Weltmacht führe nur noch Krieg auf Zeit.

Gewonen hat er noch nichts

Das befeuert die Taliban, das verunsichert die Verbündeten in der Nato - und das birgt die Gefahr, dass Obama auf dem Kapitol die Stimmen der Republikaner verliert. Die aber braucht er, will er demnächst seinen Kriegshaushalt durch das Parlament kriegen.

Während Amerika fern am Hindukusch Krieg führt, droht die Nation daheim im Kulturkampf zu versinken. Zwar sind Obamas Chancen zuletzt gestiegen, dass ihm der Kongress noch vor Weihnachten eine (reichlich verwässerte)Gesundheitsreform beschert. Nur, gewonnen hat er noch nichts. Und dennoch bläst der Präsident bereits zur nächsten Schlacht.

Ende nächster Woche wird Obama verkünden, dass seine Nation bis 2020 ihren Ausstoß an Klimagasen um drei, vier Prozent gegenüber 1990 verringern will. Das mag, für europäische Ohren jedenfalls, recht läppisch klingen. In den Vereinigten Staaten jedoch ist Obama ein donnerndes Echo sicher.

In Suburbia gärt Frust

Amerikas Rechte wird zum Aufstand mobilisieren. Und sie hat schrecklich gute Aussichten, den Präsidenten in die Enge zu treiben. Denn seit Obamas Sieg vor einem Jahr ist die Stimmung gekippt: Viele seiner Wähler sehen entsetzt, wie die Regierung seither Schuldenberge anhäuft und zum Retter von Banken und Autokonzernen heranwächst.

Fast jeder in Amerikas Vorstädten, der politischen Mitte der Nation, kennt einen Sohn oder Vater, Freund oder Nachbarn, der seinen Job verloren hat. In Suburbia gärt Frust, und Misstrauen gegenüber dem Staat. Amerika ist anders: Nirgendwo sonst auf der Welt ist der Anteil der Bürger, denen der drohende Klimakollaps Angst macht, zuletzt um zwanzig Prozent gesunken.

In dieser Stimmung ein Klimagesetz durch den Kongress boxen zu wollen, ist - gelinde gesagt - mutig. Vielleicht auch politischer Selbstmord. Die Linke vergrätzt, die Mitte rebellisch - Europas Lieblingsamerikaner könnte sehr bald ein sehr einsamer Präsident sein.

© SZ vom 30.11.2009/mikö - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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