Süddeutsche Zeitung

Pandemie:Enttäuschung über US-Einreiseverbot

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Präsident Joe Biden verlängert die von Donald Trump erlassenen Beschränkungen unbefristet. Politik und Wirtschaft in Europa befürchten Schäden für die transatlantischen Beziehungen.

Von Caspar Busse, Nico Fried, Berlin, und Matthias Kolb, Brüssel, Berlin/Brüssel

Politiker in Bund und Ländern wie auch Wirtschaftsvertreter haben irritiert auf die Entscheidung der US-Regierung reagiert, die Einreisebeschränkungen für Europäer in die USA wegen der Corona-Pandemie unbefristet zu verlängern. "Das ist leider eine enttäuschende Nachricht", sagte der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder der Süddeutschen Zeitung. "Wir hätten es sehr begrüßt, wenn eine persönliche Verbindung in die USA wieder möglich wäre." Dies sei "wichtig für unsere Partnerschaft und den wirtschaftlichen Austausch". Ein Regierungssprecher teilte mit, die Bundesregierung habe "die Meldungen zur Kenntnis genommen". Sie stehe mit den US-Behörden in Kontakt, um eine Vereinfachung des transatlantischen Reiseverkehrs zu erreichen.

Die Regierung von US-Präsident Joe Biden hatte den sogenannten "travel ban", also die seit März 2020 geltenden Einreisebeschränkungen, am Montag erneut verlängert, obwohl auch Bundeskanzlerin Angela Merkel Mitte Juli in Washington für Lockerungen geworben hatte. Als Gründe nannte Bidens Sprecherin Jen Psaki die hochansteckende Delta-Variante und die steigenden Infektionen in den USA.

Söder räumte ein, dass die Delta-Variante "höchste Aufmerksamkeit" erfordere. Es gebe aber inzwischen wirksame Schutzmaßnahmen gegen Corona. "Mit einer zweifachen Impfung, Abstand und Masken sind Reisen verantwortbar, sofern das Infektionsgeschehen vor Ort unter Kontrolle ist", sagte der Ministerpräsident. Deutliche Kritik hatte zuvor auch der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen (CDU) geübt: "Wie lange soll das so weitergehen?", fragte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag auf Twitter. Der "travel ban" schade der transatlantischen Freundschaft, die auf gesellschaftlichen Kontakten beruhe, und der Wirtschaft auf beiden Seiten. "Reisen in die USA müssen endlich wieder möglich werden!", forderte Röttgen.

Touristen kommen derzeit überhaupt nicht in die USA. Auch für Geschäftsreisende gelten nur wenige Ausnahmen, vor allem in wichtigen Bereichen der Infrastruktur. Die europäischen Fluggesellschaften hoffen schon lange auf Lockerungen. Denn momentan fliegen die Maschinen oft halbleer über den Atlantik. "Wir würden eine Aufhebung der Beschränkungen und damit die Einreisemöglichkeit in die USA für geimpfte, getestete und genesene EU-Bürger und -Bürgerinnen sehr begrüßen", sagte ein Sprecher der Lufthansa.

Das USA-Geschäft war in der Vergangenheit ein großer Umsatz- und Gewinnbringer für die größte europäische Fluggesellschaft. "Für amerikanische Staatsbürger und Staatsbürgerinnen mit vollständigem Impfschutz besteht die Möglichkeit zur Einreise in die EU bereits seit Wochen. Negative Folgen dieser Öffnung sind nicht bekannt", so Lufthansa.

Der Koordinator der Bundesregierung für die transatlantischen Beziehungen, Peter Beyer (CDU), bedauert die Entscheidung der US-Regierung ebenfalls. "Es ist ein Stück weit enttäuschend, dass die USA ihre Einreisebeschränkungen für den Schengenraum nicht lockern werden", sagte Beyer der SZ. Er zeigte allerdings auch Verständnis: Zum Schengenraum gehörten Staaten mit einer aktuell sehr hohen Inzidenz wie Spanien und die Niederlande. "Eine Sonderregelung für Deutschland kommt sicher nicht in Frage, da dies dem Gedanken von Europa und Schengen widersprechen würde", sagte Beyer. Unter den 26 Mitgliedern des Schengenraums, in dem Grenzkontrollen abgeschafft sind, schwanken die Impfraten zudem deutlich. Während in Lettland nur zwei von fünf Erwachsenen vollständig geschützt sind, liegt der Wert auf Malta bei 82,7 Prozent.

In Brüssel teilte die EU-Kommission mit, man stehe weiter "in engem Kontakt" mit der US-Regierung und hoffe, dass die transatlantische Arbeitsgruppe bald wieder beraten könne. Washington habe versichert, dass Reiseerleichterungen für EU-Bürger weiter "hohe Priorität" hätten, sagte ein Sprecher. Allerdings blieb die Frage unbeantwortet, ob die Biden-Regierung vorab über die Verlängerung der Einreisesperre informiert habe. Das für viele EU-Unternehmen wichtige Thema hatten auch Ratspräsident Charles Michel und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Mitte Juni bei ihrem Gipfel mit Biden angesprochen. Der Demokrat habe aber nicht mehr als eine "wohlwollende Prüfung" zugesagt, hieß es in Brüssel.

CDU-Politiker Peter Beyer nannte ein stärkeres Entgegenkommen Washingtons "wünschenswert", nachdem die EU die Einreiseregeln für US-Bürger zuletzt gelockert hatte. Beyer fürchtet Probleme für die Wirtschaft auf beiden Seiten: "Gerade deutsche Unternehmen mit Niederlassungen in den USA brauchen ihre Ingenieure und Mechaniker vor Ort für dringend notwendige Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten", sagte er. Davon hingen auch viele Arbeitsplätze in den USA ab.

Ähnlich äußerte sich der Bundesverband der Deutschen Industrie. "Mit den Einreisestopps schadet sich die US-Regierung selbst und anderen", erklärte BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang. Unter den Beschränkungen litten nicht nur die vielen in den USA aktiven deutschen Unternehmen, sondern auch alle im Produktionsverbund beteiligten Akteure wie Lieferanten, Partner und Kunden vor Ort. Deutsche Unternehmen sind mit 860 000 Jobs der drittgrößte ausländische Arbeitgeber in den USA.

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