USA:Drogen sind die neue Pest der USA

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Ein kleiner Junge demonstriert mit seiner Oma gegen den Fluch der Drogen in Ohio - auch ein Bundesstaat, der an Donald Trump ging (Foto: Spencer Platt/AFP)

Der stark gestiegene Konsum offenbart die tiefe soziale Krise des Landes. Es ist kein Zufall, dass er dort besonders hoch ist, wo viele Leute Trump gewählt haben.

Kommentar von Hubert Wetzel, Washington

Am Donnerstag reiste Donald Trump nach Huntington, eine kleine Stadt in West Virginia. Der Präsident wollte dort am Abend in einer Mehrzweckhalle eine Rede halten und sich bejubeln lassen, bevor er in die Ferien fährt. Der blattvergoldete Golfspieler aus dem Weißen Haus mag solche Besuche in der Provinz, er will so den Eindruck erwecken, er wisse, wie das gemeine Volk lebt, und kümmere sich um dessen Probleme.

Trump hätte seine Zeit in Huntington besser nutzen können. Er hätte zum Beispiel einige Stunden auf der Feuerwache Nummer 4 im Westend verbringen können. Drei Feuerwehrmänner tun dort Dienst, und sie haben jede Menge Arbeit, auch wenn sie kaum Brände löschen. Huntington ist ein Epizentrum der Drogenkrise, die seit einigen Jahren Amerika verheert, alle paar Stunden kippt in dem Ort ein Süchtiger wegen einer Überdosis um. Dann rückt die Feuerwehr aus.

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Ganze Regionen werden von Opioiden überschwemmt

Huntington ist kein Einzelfall. Ganze Regionen der USA, von Neuengland über den Rostgürtel und die Appalachen bis in den Südwesten, werden von sogenannten Opioiden überschwemmt - Heroin und künstliche Substanzen wie Fentanyl und Oxycodon. Millionen Menschen, vor allem aus der ländlichen weißen Mittelschicht, sind süchtig, zwölfjährige Kinder ebenso wie 70-jährige Rentner. Hunderttausende überleben jedes Jahr nur knapp eine Überdosis; und 60 000 Menschen starben voriges Jahr in den Vereinigten Staaten an dem mörderischen Stoff. Sechzigtausend. Das entspricht einer Todesrate von mehr als 20 Drogentoten je 100 000 Einwohner. In Städten wie Huntington, wo es besonders schlimm ist, liegt die Rate weit höher - bei 60 oder 70 Toten pro Jahr. Zum Vergleich: In Deutschland sterben jährlich etwa 1,5 Menschen je 100 000 Einwohner an Drogen.

Die Drogenepidemie zerstört Familien, sie zerfrisst das soziale Geflecht der Städte und lähmt vielerorts die Wirtschaft, weil Firmen keine Angestellten mehr finden, die nicht vorbestraft oder süchtig sind. Es ist daher gerechtfertigt, dass eine von Trump eingesetzte Kommission jüngst empfohlen hat, den nationalen Notstand auszurufen, damit Washington den überwältigten Gemeinden helfen kann - ganz so, als sei der Schwarze Tod über Amerika hereingebrochen.

Doch der Kampf gegen die Drogen ist ungleich schwieriger als der gegen die Pest. Es reicht nicht, Antibiotika zu verteilen oder die Hygiene zu verbessern. Amerikas Drogenepidemie ist eine vielschichtige Krise, die nur mit einer vielschichtigen Antwort in den Griff zu bekommen sein wird. Dazu gehört eine drastische Ausweitung der medizinischen und therapeutischen Betreuung der Süchtigen, die in vielen Gegenden absurd dürftig ist. Dazu gehört eine starke Beschränkung bei der Verschreibung von Schmerzmitteln, die Opioide enthalten. Amerikas Ärzte haben die Bürger jahrzehntelang willkürlich mit diesen Pillen gefüttert und so erst das Heer an Abhängigen geschaffen. Und dazu gehört die Einsicht, dass das Problem mit Polizei und Gefängnissen nicht zu lösen ist. Junkies nicht nur als Kriminelle, sondern auch als Kranke zu sehen, fällt vielen Politikern schwer. Aber wer einmal mit Polizisten in Huntington geredet hat, der erkennt schnell, wie illusorisch die Idee ist, Amerika könne das Drogenproblem verhaften und wegsperren.

Den Menschen fehlen Jobs - und die Aussicht auf ein würdiges Leben

Vor allem aber ist die Drogenepidemie das Symptom einer dramatischen sozialen Krise. Es ist kein Zufall, dass sie dort besonders heftig wütet, wo in den vergangenen Jahren jene Industrie-Arbeitsplätze verloren gingen, die auch Menschen ohne College-Abschluss ein gutes Mittelklasseleben ermöglicht hatten - dort, wo die Leute Trump wählten, weil er die Rückkehr dieser alten Jobs versprach. In West Virginia konnte ein junger Mann früher nach der Highschool Bergarbeiter werden und ordentlich verdienen. Heute sind die Kohleminen dicht, wer Glück hat, findet irgendeine Arbeit zum Mindestlohn von 8,75 Dollar die Stunde. Aber das reicht nicht weit. Und wo es keine Würde und keine Hoffnung gibt, betäuben die Menschen den Schmerz, sei es mit Pillen oder Heroin. Da kostet ein Schuss kaum 20 Dollar. Ein Polizist in Huntington sagt es so: "Das einzige Gegenmittel wären zweitausend vernünftig bezahlte Jobs."

Man muss Trump zugutehalten, dass er über das Drogendesaster zumindest ab und an redet, nachdem sein Vorgänger Barack Obama die Katastrophe acht Jahre lang ignoriert hat. Aber man kann bezweifeln, dass Präsident Trump tatsächlich geeignet ist, diese amerikanische Tragödie zu beenden. Seine ersten sechs Monate im Amt hat er mit dummem Getwitter verbracht, sowie mit dem Versuch, Sozialprogramme zu kürzen und den Armen genau die Krankenversicherung wieder wegzunehmen, die Suchttherapien bezahlt.

© SZ vom 04.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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