US Supreme Court:Zwischen Religion, Meinungsfreiheit und Diskriminierung

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In Washington protestieren Aktivisten vor dem Supreme Court, wo die Richter den Fall Lorie Smith beraten. (Foto: Stephen Shaver/Imago)

Der Oberste Gerichtshof der USA verhandelt zu einer brisanten Frage: Muss eine Grafikdesignerin für homosexuelle Paare eine Website zur Hochzeit erstellen, wenn die Ehe gegen ihren Glauben verstößt?

Von Christian Zaschke, New York

Der Supreme Court der USA beendete in diesem Sommer seine Sitzungsperiode mit einem spektakulären Urteil: Das Gericht hob das landesweite Recht auf Abtreibung auf, das seit einem halben Jahrhundert verbrieft war, und erklärte, es sei künftig Sache der Bundesstaaten, darüber zu befinden. Zahlreiche Staaten erschwerten daraufhin Schwangerschaftsabbrüche umgehend erheblich. Selten haben Urteile des Supreme Courts derart direkte Folgen für Millionen Menschen.

An diesem Montag nun hat das Gericht im Zuge seiner aktuellen Session über eine Klage beraten, die nicht so explosiv ist wie das Recht auf Abtreibung, aber ebenfalls Konsequenzen für Millionen Menschen haben könnte.

Es geht um die Frage, ob es gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung verstößt, wenn man anlässlich einer Hochzeit eines gleichgeschlechtlichen Paares eine Website für die Eheleute gestalten muss. Lorie Smith, eine Grafikdesignerin aus Colorado, argumentiert, dass sich dies nicht mit ihrem christlichen Glauben vereinbaren lasse, weshalb sie verlangt, einen entsprechenden Auftrag gegebenenfalls ablehnen zu können.

Der Supreme Court wird inzwischen von konservativen Richtern dominiert

In Colorado gibt es allerdings, wie in 28 weiteren Bundesstaaten, ein Anti-Diskriminierungsgesetz, das auch die Diskriminierung wegen sexueller Orientierung unter Strafe stellt. Phil Weiser, der Generalstaatsanwalt des Bundesstaates, sagt: "Wer als Unternehmen seine Türen für die Öffentlichkeit öffnet, muss alle bedienen. Man kann Menschen nicht abweisen, weil sie sind, wer sie sind."

Eine ähnliche Fragestellung hat der Supreme Court schon einmal verhandelt, auch diese nahm ihren Ursprung in Colorado. Vor zehn Jahren hatte sich der Bäcker Jack Phillips geweigert, eine Hochzeitstorte für ein homosexuelles Paar zu backen. Der Fall erlangte landesweite Aufmerksamkeit und landete 2018 schließlich vor dem Obersten Gerichtshof.

Damals regelte das Gericht nicht eindeutig, ob das Recht auf Meinungsfreiheit, garantiert im ersten Verfassungszusatz, auch erlaubt, aus religiösen Gründen Kundschaft abzulehnen. Es wird erwartet, dass der Supreme Court diese Frage diesmal beantwortet. Nach der Anhörung vom Montag zu urteilen, scheint das Gericht mehrheitlich der Argumentation der Klägerin zuzuneigen.

Die Zusammenstellung des Gerichtes hat sich seit 2018 entscheidend geändert. Anthony Kennedy, der damals die ideologische Mitte des Gerichts bildete, ist zurückgetreten. Die liberale Ruth Bader Ginsburg ist gestorben. Ersetzt wurden sie durch die extrem konservativen Brett Kavanaugh und Amy Coney Barrett. Der konservative Flügel besetzt nun sechs der neun Stellen am Gericht, was in den USA als Supermehrheit bezeichnet wird. Beim Thema Abtreibung hat die konservative Gruppe gezeigt, dass sie diese Mehrheit für tiefgreifende gesellschaftliche Umwälzungen zu nutzen gedenkt.

Ein Urteil im Sinne der Klägerin könnte weitreichende Folgen haben, befürchten ihre Gegner

Die Unterstützer der Designerin Smith argumentieren, eine Abweisung der Klage bedeute, dass Künstler zu Aufträgen gezwungen werden könnten, die ihrem Glauben widersprächen. Smith sagt, sie habe nichts dagegen, für homosexuelle Kunden zu arbeiten, sie wolle aber eben zum Beispiel keine Website für eine gleichgeschlechtliche Eheschließung gestalten, da sie damit Unterstützung für etwas ausdrücke, das sie ablehne.

Ihre Gegner sagen, sollte sie Recht bekommen, bedeute dies einen schweren Schlag gegen die Anti-Diskriminierungsgesetze und es könnte heißen, dass Unternehmer es künftig mit Hinweis auf die Meinungsfreiheit auch ablehnen könnten, zum Beispiel Schwarze oder Muslime zu bedienen.

Bei der Anhörung am Montag zeigten die konservativen Richter großes Interesse an der Frage, inwieweit die Ausgangslage eine andere sei für Unternehmen, die ein handwerkliches Produkt verkaufen, und solchen, die etwas gestalten. Sprich: Ob nicht der Fall des Bäckers anders gelagert sei, weil dieser Kuchen bloß backe, wohingegen die Grafikdesignerin kreativ etwas gestalte, sich also selbst ausdrücke, weshalb das Recht auf Meinungsfreiheit in diesem Fall zur Anwendung kommen könnte.

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Ferner debattierten sie, inwieweit man zwischen Diskriminierung wegen der Hautfarbe und wegen sexueller Orientierung unterscheiden müsse. Dieser Punkt ist insoweit interessant, als mindestens einer der konservativen Richter, Clarence Thomas, das Recht auf die gleichgeschlechtliche Ehe abschaffen möchte. Wenn das Gericht in diesem Fall entschiede, rassistische Diskriminierung unterscheide sich von Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung, könne das laut LGBTQ-Aktivisten ein Schritt dahin sein, die gleichgeschlechtliche Ehe zu einer Ehe zweiter Klasse zu machen.

Diesmal geht es nicht um einen konkreten Fall, sondern ums Grundsätzliche

Ein interessantes Detail an dem Fall: Der Bäcker Phillips hatte sich seinerzeit geweigert, einen konkreten Auftrag eines homosexuellen Paares anzunehmen. Die Grafikdesignerin Smith hingegen erstellt gar keine Websites für Hochzeiten. Sie klagt präventiv, für den Fall, dass sie das in Zukunft tun soll - und für diesen Fall will sie ihr Recht verbrieft wissen, keine Websites für gleichgeschlechtliche Hochzeiten gestalten zu müssen.

Es geht also nicht ums Konkrete, um Websites, sondern ums Grundsätzliche, um das Recht, bestimmte Aufträge ablehnen zu dürfen.

Unterstützt wird sie in ihren Anstrengungen von einer Organisation namens Alliance Defending Freedom (ADF), einer christlich-konservativen Lobbygruppe und Anwaltskanzlei. Die ADF setzt sich zum Beispiel gegen das Recht auf Abtreibung ein und gegen LGBTQ-Rechte. Eine Anwältin der Gruppe vertritt Smith am Gericht.

Wann der Supreme Court eine Entscheidung verkündet, ist noch unklar. Spätestens zum Ende der aktuellen Session im Juni 2023 muss das Urteil erfolgen.

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