Süddeutsche Zeitung

USA:Diese Staatsfeinde kommen Trump gerade recht

  • In einer Medienmitteilung des Weißen Hauses geht es hauptsächlich um die Gang MS-13.
  • Deren Mitglieder werden als "Tiere" bezeichnet. Schon länger spricht US-Präsident Trump immer wieder über diese Gang.
  • Seine Botschaft: Jeder Latino-Migrant kann ein potenzielles Gangmitglied sein.

Von Alan Cassidy, Washington

Die Schlagzeile hätte von einem Boulevard-Blatt stammen können, von einem klickgetriebenen Nachrichtenportal oder vom aufgeregten Sekretär einer Splitterpartei. Doch sie stammte aus dem Weißen Haus. "Was Sie über die gewalttätigen Tiere von MS-13 wissen müssen", stand über der Medienmitteilung, die Donald Trumps Pressestelle Anfang der Woche verschickte. Bei MS-13 handelt sich um eine Latino-Gang, die mancherorts Angst und Schrecken verbreitet. Den US-Präsidenten beschäftigt sie gerade sehr. Am Mittwoch reiste er nach Long Island, um eine Rede zu halten, in der MS-13 eine größere Rolle zugedacht war.

Die Gang ist durch beispiellose Brutalität wie Mord und Vergewaltigung aufgefallen. Darum eignet sie sich als Feindbild, das sich politisch ausschlachten lässt. Sie erlaubt es dem Präsidenten, die Themen Migration und Kriminalität in den grellsten Tönen miteinander zu verbinden, ohne dass man ihm ernsthaft Rassismus vorwerfen kann. Wenn er wie vergangene Woche im Zusammenhang mit illegalen Migranten über "Tiere" spricht, verweist er danach darauf, dass er ganz sicher nicht alle Einwanderer gemeint habe, sondern nur die von dieser Bande. Und wer will diese schon verteidigen?

Die Gang stammt ursprünglich aus Los Angeles

"Tiere" - in der Mitteilung des Weißen Hauses fällt der Begriff zehnmal. Zum Beispiel, als ein Fall aus Maryland beschrieben wird, in dem Gangmitglieder laut Anklage mehr als hundertmal auf einen Mann einstachen und ihn danach "köpften, zerstückelten und ihm das Herz aus dem Körper rissen", wie es im Kommuniqué heißt. Oder der Fall aus Houston, bei dem eine Frau vergewaltigt und eine andere getötet wurde. Als im Gerichtssaal die Anklage verlesen wurde, hätten "die Tiere von MS-13" gelacht, gegrinst und in die Kameras gewinkt.

Die Gang MS-13, oder Mara Salvatrucha, hat ihren Ursprung in Los Angeles. Sie wurde dort in den 1980er-Jahren von Bürgerkriegsflüchtlingen aus El Salvador gegründet, die nun in Kalifornien eine Fehde mit einer anderen Gang austrugen. Inzwischen ist die Bande auch an der Ostküste aktiv. Ihr Motto ("mata, viola, controla", also töten, vergewaltigen, kontrollieren) nehmen die Mitglieder sehr ernst.

Laut einem Bericht der Organisation Insight Crime, die zu organisierter Kriminalität forscht, wurde der Aufstieg von MS-13 dadurch begünstigt, dass die US-Regierung nach dem Ende des Bürgerkriegs in El Salvador 1992 damit begann, Salvadorianer ohne gültige Papiere zurückzuschicken. Viele unter ihnen waren in einem US-Gefängnis inhaftiert gewesen. Etwa 20 000 Kriminelle schoben die USA laut Insight Crime zwischen 2000 und 2004 ab. In El Salvador trafen sie auf überfüllte Gefängnisse und eine überforderte Regierung. Die Gang wuchs und gedieh, sie gründete Ableger in anderen Ländern. Viele Mitglieder, die in El Salvador Gewalt verbreiteten, kehrten zurück in die USA.

Die Botschaft: Jeder Latino ist ein potentielles Gangmitglied

Wie groß die Gefahr ist, die heute in den USA von MS-13 ausgeht, ist unter Experten umstritten. Nach Angaben des US-Justizministeriums schwankt die Mitgliederzahl schon seit vielen Jahren zwischen 6000 und 10 000 (im ganzen Land gibt es 1,4 Millionen Mitglieder von Gangs). Im Gegensatz zu anderen verbrecherischen Organisationen ist MS-13 zudem nur lose strukturiert. An der Westküste habe ihr Einfluss in den vergangenen Jahren eher abgenommen, sagte die Anthropologin Jorja Leap, die ein Buch über die Gang geschrieben hat, dem Magazin The Atlantic.

Unbestritten ist, dass der Bekanntheitsgrad von MS-13 mit dem Amtsantritt Trumps gestiegen ist. Selbst in seiner Rede zur Lage der Nation im vergangenen Januar redete der Präsident über sie. Auch deshalb ist MS-13 im rechten Lager längst zur Metapher für einen behaupteten Zusammenhang zwischen Kriminalität und illegaler Einwanderung geworden. Das ist die Botschaft, die Trump und seine Anhänger verbreiten: Jeder Latino-Migrant ist ein potenzielles MS-13-Mitglied.

Das Trump-Lager verweist auf die hohe Zahl von unbegleiteten und minderjährigen Einwanderern, die in den vergangenen Jahren über die Südgrenze in die USA gelangt sind. Von 260 000 dieser Migranten, die von der Grenzwache zwischen 2011 und 2017 in Empfang genommen wurden, waren allerdings nur 56 nachgewiesene oder vermutete Mitglieder von MS-13. Das sind nicht sehr viele, doch wenn sie zuschlagen, sorgen sie für Aufsehen. Und schaffen es damit bis in die Medienmitteilungen des Weißen Hauses.

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SZ vom 24.05.2018/csi
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