Süddeutsche Zeitung

USA:Die Südgrenze ist praktisch dicht

Der Oberste Gerichtshof in Washington bestätigt eine von der Trump-Regierung erlassene Vorschrift, die es Migranten aus Zentralamerika de facto unmöglich macht, Asyl zu bekommen.

Von Hubert Wetzel, Washington

Für Migranten aus Zentralamerika wird es künftig praktisch unmöglich, in den USA Asyl zu erhalten. Der Oberste Gerichtshof in Washington bestätigte am Mittwoch eine von der Trump-Regierung erlassene Vorschrift, wonach diejenigen Personen keinen Anspruch auf ein Asylverfahren in den Vereinigten Staaten mehr haben, die vor dem Erreichen der US-Grenze durch ein anderes Land gekommen sind. Diese Regel, die der sogenannten Dublin-Verordnung der EU ähnelt, trifft in erster Linie Migranten aus den von Kriminalität, Korruption und Armut gebeutelten Staaten Honduras, Guatemala und El Salvador, die auf ihrem Weg in die USA oft eines dieser zentralamerikanischen Länder sowie auf jeden Fall Mexiko durchqueren. Aus Washingtoner Sicht sind diese Staaten sicher, die Migranten müssen daher zuerst dort um Schutz nachsuchen - nicht mehr in den USA.

Gegen diese neue Regel hatten verschiedene Flüchtlings- und Bürgerrechtsorganisationen geklagt. Die Vorschrift schaffe das Recht auf ein individuelles Asylverfahren für die meisten Menschen aus Zentralamerika de facto ab, so die Argumentation. Nachdem die Regel von einigen niedrigen Bundesgerichten teilweise oder ganz verworfen worden war, hatte die US-Regierung das Oberste Gericht um eine Entscheidung gebeten. Am Mittwoch fällte der Supreme Court zwar kein Urteil in der Sache, erlaubte der Regierung aber, die neue Vorschrift weiterhin anzuwenden, bis der Fall formell gehört und entschieden worden ist. Das kann noch Monate dauern.

Für Präsident Donald Trump ist das ein wichtiger politischer Sieg - der zweite vor dem Gericht binnen weniger Wochen. Ende Juli hatte der Supreme Court ihm erlaubt, Geld aus dem Verteidigungshaushalt für den Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko abzuzweigen, obwohl diese Verwendung der Mittel nicht vom Kongress gebilligt worden war. Die jetzige Entscheidung des Verfassungsgerichts geht allerdings noch weiter: Durch sie wird die US-Südgrenze für Zehntausende Einwanderer praktisch dichtgemacht.

Die Zahl der Migranten wird drastisch gedrückt. Ein politischer Erfolg für den Präsidenten

Und das ist genau, was Trump erreichen will. In der ersten Jahreshälfte war die Zahl der Migranten, die an der Grenze zu Mexiko aufgegriffen wurden, sehr zur Wut des Präsidenten massiv angestiegen. In einigen Monaten im Frühjahr nahm die von dem Ansturm überforderte US-Grenzpolizei jeweils mehr als 100 000 Menschen fest. In den Sammelstellen und Aufnahmelagern herrschten desaströse Zustände. Sehr viele dieser Migranten beantragten nach dem Überqueren der Grenze offiziell Asyl in den USA. Da die Asylgerichte völlig überlastet sind, bedeutete das in der Praxis in den meisten Fällen, dass diese Personen - vor allem, wenn sie mit Kindern unterwegs waren - mit der Auflage ins Land entlassen wurden, sich später für einen Gerichtstermin wieder zu melden. Viele tauchten dann unter. In Zukunft können diese Menschen mit Verweis auf ihren Reiseweg von den US-Behörden sofort abgewiesen werden.

Die neue Asylvorschrift war nur ein Mittel Trumps, um die Migrantenzahlen zu drücken. Der US-Präsident zwang durch die Drohung mit Strafzöllen auch die mexikanische Regierung, Truppen an ihre Grenzen zu schicken, um Migranten aus Zentralamerika abfangen. Zudem wurden Zehntausende Asylbewerber nach Mexiko zurückgeschickt, um dort den Ausgang ihres US-Asylverfahrens abzuwarten. Durch diese Maßnahmen ist die Zahl der Menschen, die an der Südgrenze aufgegriffen werden, deutlich gesunken; im August waren es etwa 64 000 Personen.

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SZ vom 13.09.2019
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