Süddeutsche Zeitung

USA:Die Mission des Baulöwen

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Eva C. Schweitzer versucht, Trumps Politik zu dechiffrieren. Dabei greift sie auf altbekannte Muster zurück, was dann zu stereotypen Urteilen führt.

Von Viola Schenz

Donald Trump zu deuten, ihn gar zu begreifen, gleicht einer mission impossible. Scharen von Politologen, Staatslenkern, Journalisten, Parteigängern, Psychologen verzweifeln am 45. US-Präsidenten. Ihre Deutungsversuche kreisen in Endlosschleifen um die Frage, ob der Mann unzurechnungsfähig, gemeingefährlich, raffiniert, hochgradig narzisstisch, genial intuitiv, cholerisch, aber eigentlich harmlos - oder einfach alles zusammen ist.

Auch die Journalistin und Amerikanistin Eva C. Schweitzer nimmt sich des Trump-Komplexes an. Sie geht der Frage nach, wie seine Politik die transatlantischen Beziehungen beeinträchtigt. "Für Transatlantiker sind raue Zeiten angebrochen. Aber was bedeutet das für den Bürger?" kündigt der Rückdeckel an. "Das Ende der westlichen Wertegemeinschaft steht auf dem Spiel." Was Schweitzer auf 185 Seiten zusammenträgt, hat insgesamt Hand und Fuß, aber den Nachteil, hinreichend bekannt und beschrieben zu sein. Die Versuchung, Trumps Politik in den ersten Monaten seit Amtsantritt zu entlarven, ist riesig; sie ähnelt jedoch, wenn man damit ein Buch füllen soll, dem berühmten Versuch, Pudding an die Wand zu nageln.

Schweitzer umgeht dieses Dilemma, indem sie sehr weit ausholt. Ihre acht Kapitel beginnen jeweils mit Exkursen: Erster Weltkrieg, Geschichte der Deutsch-Amerikaner, Irak-Krieg, Trumps Familiengeschichte, Kalter Krieg, Trumps Karriere, Geschichte von New York Times und Washington Post oder deutsche Wiedervereinigung. Abgesehen von Sachfehlern - Deutschland hat Frankreich im Ersten Weltkrieg den Krieg erklärt und nicht umgekehrt - ziehen sich diese Ausflüge viele, viele Seiten ohne neue Erkenntnis hin, bis sie in einer Art Sturzflug auf das Motiv des Buches stoßen: "Auch für Friedrich Trump, Donalds Großvater, war der Erste Weltkrieg eine schwere Zeit", heißt es etwa plötzlich. Es folgt ein dürrer Absatz, der das eigentliche Thema aufzugreifen versucht. Wirklich zur Sprache kommt das aber erst am Schluss. Warum viele dieser langen Einleitungen zunächst auch noch Lage, Architektur, Geschichte bekannter Gebäude und Orte (Trump Tower, Manhattan, Florida) episch beschreiben, bleibt unklar. Auch ermüdet die Dauerverwendung von "Baulöwe" als Synonym für Trump. Schweitzer verwendet Passagen aus ihren früheren Zeitungsartikeln, teils wortwörtlich, inklusive manch schiefem Bild (". . . brachte den Börsenkurs ins Wanken"). Es ist völlig legitim, sich selbst zu zitieren, nur könnte man das der Fairness halber in den Quellenanhang mit den vielen anderen Zeitungs- und Magazinartikeln einbringen.

Was bei all dem auf der Strecke bleibt, ist eine originäre Idee, eine Botschaft, eine Antwort auf die Rückdeckelfragen. Ein schriller Präsident allein macht noch kein gutes Sachbuch.

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Quelle:
SZ vom 04.12.2017
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