US-Wahl:Gesucht: Der Mann hinter Donald Trump

US-Wahl: In Kürze soll Donald Trump bekannt geben, wer sein Running Mate sein soll. Wird es eventuell: Newt Gingrich, Mike Pence oder Chris Christie (von links)?

In Kürze soll Donald Trump bekannt geben, wer sein Running Mate sein soll. Wird es eventuell: Newt Gingrich, Mike Pence oder Chris Christie (von links)?

(Foto: AP/AFP/Bloomberg)
  • In Kürze wird der Präsidentschaftsbewerber Trump den Kandidaten für das Amt seines Stellvertreters bestimmen.
  • Der Vizepräsident muss gleich mehrere Voraussetzungen erfüllen und unter Umständen die Regierungsgeschäfte übernehmen.
  • Dies war etwa nach der Ermordung John F. Kennedys der Fall, als Lyndon B. Johnson übernahm.

Von Hubert Wetzel, Washington

Alle vier Jahre geben sich die Amerikaner einem Ritual hin: Sobald einigermaßen feststeht, wer die Kandidaten bei der Präsidentschaftswahl im November sein werden, beginnen die Spekulationen über den möglichen Vizepräsidenten. Im Frühjahr werden erste Namen in die Debatte geworfen, zu Beginn des Sommers kann die Liste leicht ein paar Dutzend Männer und Frauen umfassen, die irgendein Kommentator als den am besten geeigneten Vize identifiziert hat.

Im Hochsommer, wenn die Wahlparteitage näherrücken, schrumpfen die Listen dann - das Feld werde wieder enger, raunen die Experten -, dafür wird nun jeder Halbsatz der noch Verbliebenen unter dem Aspekt der Vizetauglichkeit bewertet.

Am Ende präsentieren die Kandidaten dann ihre Vizes - nicht selten einen Mann oder eine Frau, deren Name zuvor auf keiner der vielen Listen stand. Es gehört durchaus zu dem Ritual, dass es mit einer Überraschung endet.

Ein altgedienter Politiker könnte Trumps mangelhafte Kenntnisse ausbalancieren

Im diesjährigen Wahlkampf sind die Vizespekulationen in ihrer letzten Phase, zumindest was Donald Trump betrifft. Er soll kommende Woche bei einem Parteitag in Cleveland offiziell zum republikanischen Präsidentschaftsbewerber ernannt werden, bis dahin braucht er einen Vizepräsidenten. Ein General a.D. wurde von den Auguren gerade von der Liste gestrichen - er hatte das Recht auf Abtreibung verteidigt. Nach allgemeiner Expertenansicht sind noch drei, vier Männer in der engeren Auswahl, allesamt altgediente Politiker mit Regierungserfahrung. Sie, so die Logik, könnten Trumps mangelhafte Kenntnisse des Regierungsbetriebs etwas ausbalancieren.

Für die Kandidaten ist die Vizewahl eine heikle Sache. Denn eigentlich bräuchten sie drei: einen für den Sommer, der nach dem langen, harten Vorwahlkampf hilft, die Partei wieder zu vereinen; einen für den Herbst, der im November bei der Präsidentenwahl möglichst viele Wählerstimmen einbringt; und einen für den Januar des nächsten Jahres. Dann tritt der neue Präsident sein Amt an. Sollte er danach aus irgendeinem Grund amtsunfähig werden, rückt der Vize auf. Dann wäre es schon gut, wenn der kein kompletter Hallodri ist.

Der "Sommer-Vize" lässt sich verhältnismäßig leicht finden. Klassisch: Der Kandidat adelt einen seiner Rivalen aus dem Vorwahlkampf. So machte der Demokrat John Kerry 2004 John Edwards zum Vizekandidaten; Barack Obama wählte 2008 Joe Biden. Diese Versöhnungslogik steht derzeit hinter den Spekulationen, die Demokratin Hillary Clinton könnte die liberale Senatorin Elizabeth Warren zur Vize machen, um den linken Flügel der Partei zu beruhigen, dem Clinton zu konservativ ist.

Wie die Vize-Auswahl schiefgehen kann

Sehr viel schwieriger ist es, einen guten "Herbst-Vize" auszuwählen, der bei der Wahl Stimmen bringt. In den Wahlkampfteams sind ganze Armeen von Leuten damit beschäftigt, das Leben der möglichen Vizes zu überprüfen. Eine schwarz beschäftigte Kinderfrau? Untauglich! Eine Scheidungsakte, in der Reporter Peinliches finden könnten? Aussortieren! Das oberste Gebot ist: Der Vizekandidat darf dem Präsidentschaftskandidaten nicht schaden.

Er soll ihn aber auch nicht durch Eloquenz oder Charisma überstrahlen. Er soll, wenn möglich, eine Schwäche des Kandidaten ausgleichen, ohne freilich den Kandidaten als schwach zu entlarven. Aus diesem Grund ernannte George W. Bush, politisch eher ein Leichtgewicht, im Jahr 2000 den mit allen Kniffen vertrauten Dick Cheney zu seinem Vize.

Sollte Trump sich für jemanden wie Mike Pence, den Gouverneur von Indiana, wie Chris Christie, den Gouverneur von New Jersey, oder wie Newt Gingrich, den ehemaligen Sprecher des US-Abgeordnetenhauses entscheiden, dann würde er damit wohl dieser Logik folgen. So ein Vize könnte dem unsteten, unerfahren Kandidaten Trump ein bisschen Vertrauenswürdigkeit und Schwere verleihen - gravitas, wie die Amerikaner es nennen - und ihn so wählbarer machen.

Ebenfalls wichtig: Die richtige geografische Herkunft

Dass ein derartiges Ausbalancieren auch schiefgehen kann, musste John McCain 2008 erfahren. Der an Erfahrung und Gravität reiche, aber recht alte Republikaner entschied sich für die junge Gouverneurin Sarah Palin als Vize. Nach ein paar Interviews und Reden Palins ging es bergab. Fachleute sagen allerdings, gegen Obama hätte McCain ohnehin keine Chance gehabt, Palin hin oder her.

Ein weiteres Kriterium, das ein Herbst-Vize erfüllen sollte, ist die richtige geografische Herkunft. Dahinter steckt der Gedanke, dass ein Vize, der zum Beispiel aus einem Südstaat stammt, die Wähler dort magisch anziehe und so dem Kandidaten, der vielleicht aus dem Nordosten kommt, hilft, Bundesstaaten im Süden zu gewinnen. Bei den Vizespekulationen wird kaum eine Theorie so ernst genommen wie die vom Vize, der für seinen Kandidaten einen ungewinnbaren Staat gewinnt. Vor allem seinen Heimatstaat soll der Vize "abliefern".

Die Realität hat diese Theorie freilich in Zweifel gezogen. Wissenschaftlern fällt es schwer, einen klaren Zusammenhang zwischen dem Herkunftsstaat des Vizes und dem Wahlergebnis dort zu finden. Kerry setzte auf Edwards - die Menschen in dessen Heimat North Carolina wählten Bush. Die meisten US-Bundesstaaten wählen verlässlich demokratisch oder republikanisch, wenn sie die Lager wechseln, dann weniger wegen eines Kandidaten, sondern weil sich dort mit der Zeit die Gesellschaft geändert hat. Andererseits: Bei einer engen Wahl können ein, zwei Prozentpunkte mehr, die ein Kandidat wegen seiner Herkunft als Bonus bekommt, wichtig sein.

Nach dem Mord an John F. Kennedy erbte Lyndon B. Johnson das Amt

Wenn ein Kandidat eine Rolle spielt, dann ist es aber eher der Präsidentschaftskandidat als der Vize. So war es wohl bei Bill Clintons Wahlsieg 1992, als der Demokrat viele republikanische Südstaaten gewann. Ronald Reagan gelang 1980 der Einbruch in demokratische Bastionen - nicht seinem Vize George H. W. Bush.

Fast schon existenzielle Bedeutung hat die Auswahl des "Januar-Vizes". Die Verfassung gibt dem Vizepräsidenten formell kaum Einfluss, Macht hat er nur, wenn der Präsident ihm welche überträgt. Ein Vizepräsident ätzte daher in den Dreißigerjahren einmal, sein Amt sei "so viel wert wie ein Eimer voll warmer Pisse".

Das ändert sich dramatisch, wenn der Präsident ausfällt, sei es durch eine tödliche Krankheit wie bei Franklin D. Roosevelt, Mord wie bei John F. Kennedy oder Rücktritt wie bei Richard Nixon. Dann werden die Vizes zu Präsidenten. Harry S. Truman zog 1945 nach Roosevelts Tod ins Weiße Haus ein, er musste den Beginn des Kalten Krieg meistern.

Lyndon B. Johnson - ursprünglich geholt, um für den Ostküsten-Aristokraten Kennedy den Süden zu gewinnen - beerbte seinen ermordeten Präsidenten 1963, als Amerika von Rassenunruhen erschüttert wurde. Beide erwiesen sich als ihrer Aufgabe gewachsen. Nixons Vize und Nachfolger Gerald Ford blieb den Amerikanern zumindest als freundlicher Golfspieler im Gedächtnis.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: