US-Wahlen:Der ganz normale Donald

Donald Trump

Donald Trump: Die Republikaner haben keine Berührungsängste mehr.

(Foto: AP)

Es ist noch nicht lange her, da waren viele Republikaner entschlossen, Donald Trump als ihren Präsidentschaftskandidaten zu verhindern. Davon ist keine Rede mehr.

Kommentar von Nicolas Richter

Der Milliardär und Hobbypolitiker Donald Trump gilt in den USA zunehmend als normal. Im Wettbewerb um das Weiße Haus liegt er mehreren landesweiten Umfragen zufolge schon gleichauf mit der Millionärin und Profipolitikerin Hillary Clinton. Sechs Monate vor der Präsidentschaftswahl sind solche Umfragen zwar noch nicht sehr belastbar, und am Ende entscheiden nicht so sehr landesweite Zahlen, als vielmehr die Stimmung unter Wechselwählern in einem Dutzend Staaten. Und doch ist der Trend sehr beunruhigend: Immer mehr Amerikaner sind offenbar bereit, Trump trotz seiner Ausfälle gegen Ausländer und trotz seiner düsteren Drohungen mit Handelskriegen als einen normalen Kandidaten zu sehen, als einen Politiker wie jeden anderen.

Wer dies alarmistisch findet, sollte sich ansehen, wie leicht Trump die Republikanische Partei erobert hat. Vor ein paar Wochen noch wollten Amerikas Konservative Trump verhindern, notfalls mit einem Drittkandidaten in der Hauptwahl. Doch hat sich kein Drittkandidat gefunden. Niemand wollte in den Verdacht geraten, der Demokratin Clinton ins Weiße Haus zu helfen. Im Namen von Parteiräson und chronischer Clinton-Aversion scharen sich die Republikaner jetzt lieber hinter Trump. Die Partei, die sich sonst für prinzipientreu hält, unterwirft sich damit einem Anführer, der jüngst im Fernsehen noch mit der Größe seines Gemächts prahlte.

Mit einem Präsidenten Trump begäben sich die USA auf einen gefährlichen Weg; der Mann ist unberechenbar, er hetzt gegen Minderheiten, verträgt keine Kritik, besitzt weder Überzeugungen noch ein Programm. Seine Gegner müssten gerade jetzt und sehr eindringlich daran erinnern, nicht erst im Herbst. Jetzt, im Frühsommer, beginnt die breitere Öffentlichkeit, sich mit der Wahl zu beschäftigen. Etwa zu diesem Zeitpunkt vor vier Jahren definierten die Demokraten den republikanischen Kandidaten Mitt Romney als kalten Kapitalisten, und er wurde diesen Ruf nie mehr los. Bei Trump hingegen scheint der Widerspruch gerade ab-, nicht zuzunehmen.

Es ist beunruhigend, wie sich die Republikaner unterwerfen

Die Normalisierung Trumps hat auch mit den Schwächen Hillary Clintons zu tun. Anders als Trump ist sie noch immer nicht die designierte Kandidatin ihrer Partei, noch immer kämpft sie mit ihrem Rivalen, dem Linkspopulisten Bernie Sanders. Anders als Trump hat sie es noch nicht geschafft, ihre Partei zu einen. Und es bleiben ihre notorischen Schwächen als Wahlkämpferin: Noch immer wirkt Clinton verkrampft, gekünstelt, reizbar. Viele Amerikaner halten sie für unehrlich, sie misstrauen ihr, weil sie schon so lange der Macht und dem großen Geld so nahe ist. Sie verkörpert das verhasste Washingtoner System. Die letzte Politikerin also, die den unbeliebten Trump im Weißen Haus noch verhindern kann, ist selbst unbeliebt.

Am Ende wird sich die Präsidentschaftswahl also weniger danach entscheiden, wer die Wähler mehr begeistert, sondern danach, wer sie weniger abstößt. Es galt lange als ausgemacht, dass Clinton in diesem Wettbewerb der Unbeliebten obsiegen würde, weil Trumps Temperament so offensichtlich ungeeignet ist. Aber Clinton kämpft selbst mit einem dauerhaften Nachteil: Sie ist schon so lange die Politikerin Hillary Clinton, dass sie die Politikerin Hillary Clinton bleiben wird. Niemand glaubt im Ernst, dass sie sich noch einmal ändern wird oder überhaupt ändern kann.

Dem wandelbaren Trump hingegen trauen etliche Wechselwähler womöglich trotz seiner bisherigen Exzesse zu, dass er noch andere, elegantere Rollen beherrscht. Amerikaner haben ein kurzes Gedächtnis, und vielleicht nehmen sie dem talentierten Verkäufer nun sogar das kühnste Versprechen ab, das er je abgegeben hat: dass er ein kompetenter, verantwortungsbewusster Präsident werden könnte.

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