USA:Der Neue übertrifft alle negativen Erwartungen

Donald Trump

Donald Trump während eines Abendessens der National Governors Association im Weißen Haus.

(Foto: dpa)

Die Hoffnung, das Amt würde Trump besänftigen, muss man wohl als gut gemeintes Wunschdenken ad acta legen. "Regime change" in Washington heißt das Ziel, und das ist ernst gemeint.

Gastbeitrag von Joschka Fischer

Nach den ersten vier Wochen und einer Inaugurationsrede des Präsidenten Donald Trump wird klarer, was diese politische Wundertüte tatsächlich enthält - nichts Gutes. Die Pessimisten werden diesmal leider die Realisten sein: Es kommt so schlimm wie vermutet, "worst case" ist die Überschrift der nächsten Zukunft.

Die Hoffnung, das Amt und mit ihm einhergehend die politischen und wirtschaftlichen Realitäten würden Donald Trump schon nach und nach auf den tradierten Kurs des politischen Systems der USA und ihrer außenpolitischen Interessen lenken, muss man wohl als gut gemeintes Wunschdenken ad acta legen.

Der Realismus gebietet vielmehr die ernüchternde Einsicht, dass der 45. Präsident der Vereinigten Staaten, vor die Alternative gestellt, ob er sich der demokratischen Verfassungsrealität der USA, die mittels Gewaltenteilung seine Macht begrenzt, anpasst, oder ob er eher versuchen wird, dieses System zu zerbrechen, sich für die zweite Alternative entscheiden wird. "Regime change" in Washington, D. C. heißt das Ziel, und das ist ernst gemeint. So viel lässt sich nach vier Wochen Trump bereits feststellen.

Daraus wird früher oder später eine schwere Krise zwischen dem Präsidenten und dem System (und das heißt der Verfassung) erwachsen, welche die USA in ihren Grundfesten erschüttern und schlimmstenfalls sogar bis zur Unkenntlichkeit verändern wird.

Trump wird an seiner isolationistischen Grundlinie festhalten

Die anhaltenden Angriffe des Präsidenten auf zwei unverzichtbare Säulen jeglicher Gewaltenteilung im politischen System der USA, auf die unabhängige Justiz und eine freie Presse - die 4. Gewalt - erzwingen diese Schlussfolgerung.

Selbst wenn sich das "System", das heißt die Verfassung, als stärker erweisen sollte, was zu hoffen ist, so bleibt die Frage offen, wie viel bleibenden Schaden das damit einhergehende Chaos in der amerikanischen Demokratie und bei ihren Bündnispartnern anrichten wird. Und was wird sein, wenn in dieser Zeit der Unruhe ein schwerer Terroranschlag in den USA stattfinden wird? Erleben wir das dann wirksam werdende Rollenbuch in der Türkei bereits heute? Man kann nur hoffen, dass uns diese Erfahrung erspart bleibt, auch wenn es nicht mehr als eine Hoffnung ist.

In den internationalen Beziehungen kann man erstens feststellen, dass es zwar keinen abrupten Bruch mit den bisherigen Allianzen der USA und ihren eingegangenen Bündnisverpflichtungen geben wird, einen Bruch wird es aber gleichwohl geben, und er hat zu Teilen faktisch ja bereits stattgefunden. Denn Präsident Trump wird an seiner sicherheitspolitisch isolationistischen und wirtschaftlich protektionistischen Grundlinie - America first! - festhalten.

Das Verhältnis zu Russland bleibt dunkel

Die Verbindung einer drohenden innenpolitischen Verfassungskrise mit einem fundamentalen wirtschaftlichen Paradigmenwechsel im Welthandel in Richtung Protektionismus und einer sicherheitspolitischen Wende in Richtung Isolationismus wird massiv disruptive Auswirkungen auf das internationale politische und ökonomische System haben, ohne dass Alternativen auch nur in Ansätzen sichtbar wären. Das bedeutet aber, dass eine anhaltende Instabilität die neuen globalen Realitäten definieren wird, wenn es gutgeht. Im schlechteren Falle hieß die Alternative direkte Konfrontation bis hin zu militärischen Konflikten.

Das Verhältnis des Präsidenten zu Russland bleibt auch nach vier Wochen dunkel, ja richtiggehend mysteriös, was wiederum vor allem in Osteuropa zu anhaltenden Ängsten führt. Die Sorge um einen russisch-amerikanischen Interessenausgleich, einem neuen Jalta also, sind alles andere als ausgeräumt, zumal merkwürdige Hintergrundgeräusche in Washington, trotz aller gegenteiligen Verlautbarungen von Vizepräsident, Außen- und Verteidigungsminister und dem Rücktritt des Sicherheitsberaters, kein Ende finden. Die Rauchentwicklung an diesem Punkt ist zu stark, als dass man den offiziellen Aussagen so einfach Vertrauen schenken könnte.

Europa wird von diesen von Donald Trump losgetretenen Veränderungen und Erschütterungen der bisherigen Weltordnung ganz besonders betroffen werden, da es seinen Wiederaufstieg nach dem Zweiten Weltkrieg im Westen unseres Kontinents auf zwei großen US-amerikanischen Versprechen gründete: militärischem Schutz gegenüber der Sowjetunion und freiem Handel. Hinzu kommt noch die Rolle der USA als "Leuchtturm der Freiheit." Diese dürfte unter Trump ebenfalls perdu sein. Und schließlich ist da die ganz spezifische Bedrohung, die von dem erneuerten russischen Hegemonialanspruch in Osteuropa für den gesamten Kontinent ausgeht.

Wenn die obigen Fundamente wegfallen, wofür nach vier Wochen Trump leider alles spricht, oder sie in ihrem Kern erschüttert werden, was bereits gegenwärtig der Fall ist, dann ändern sich die Grundlagen ganz fundamental, auf denen ein freies Europa bis heute steht.

Wird Marine Le Pen zur Präsidentin gewählt, zerfallen Euro und EU

Die sich daraus ergebende Frage, ob es zum zerfallenden Status quo Alternativen gibt, wäre eigentlich relativ einfach zu beantworten, wenn, ja wenn Europa sich nicht in schweren hausgemachten Nöten und einer anhaltenden Schwächephase befände.

Der 7. Mai, der Tag der zweiten Runde der französischen Präsidentschaftswahlen, wird zum Schicksalstag für die EU werden. Wird Marine Le Pen zur Präsidentin gewählt, zerfallen Euro und EU, Frankreichs Volkswirtschaft und die der EU würden schwersten Schaden nehmen und vermutlich würde eine globale Krise folgen. Scheitert sie, so bräche sich die Welle der Renationalisierung an diesem Tag in Paris, und Europa bekäme eine zweite Chance.

Diese Chance gilt es, nicht nur für eine stärkere Verteidigungsfähigkeit Europas, für seine innere und äußere Sicherheit - denn Europa könnte sich (Stand heute) nicht selbst verteidigen - und für die Stabilisierung der Euro-Zone zu nutzen, sondern sie sollte auch mit kühler Vernunft die Verhandlungen zwischen Brüssel und London über den Brexit bestimmen.

Denn egal, ob das Vereinigte Königreich Mitglied der EU ist oder nicht, seine geopolitische Situation und seine Interessen werden sich dadurch nicht ändern - weder in Verteidigungsfragen noch in Fragen des Terrorismus und des Grenzschutzes. Sie werden fortgelten. Deshalb ist es wichtig, dass die EU einerseits nichts akzeptieren wird, was die Einheit der verbleibenden 27 Mitgliedstaaten gefährden würde, andererseits aber beide Seiten versuchen sollten, alles zu vermeiden, was die Beziehungen dauerhaft vergiften könnte. Das Leben und die gemeinsamen Interessen gehen auch nach einer Scheidung weiter, wie die menschliche Erfahrung lehrt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: