USA:Der erste echte Erfolg für Präsident Trump

Trump und Gorsuch - Supreme Court

Am 31. Januar präsentierte Präsident Trump Neil Gorsuch im Weißen Haus der Öffentlichkeit

(Foto: dpa)

Der Senat bestätigt Neil Gorsuch als Supreme Court-Richter. Trump erfüllt damit ein zentrales Wahlversprechen und verzückt die konservative Basis. Der Preis? Die Spaltung wird noch extremer.

Von Thorsten Denkler, New York, und Matthias Kolb

An diesem Freitag hat der US-Senat mit den Stimmen der republikanischen Mehrheit Neil Gorsuch als neuen Richter für den Supreme Court bestätigt. Der 49-Jährige war bisher Bundesrichter in Colorado und war am 1. Februar von Präsident Trump nominiert worden (hier ein Porträt). Gorsuch hatte sowohl in den privaten Gesprächen mit den Senatoren als auch bei seiner viertägigen Anhörung vor dem Justizausschuss eine gute Figur gemacht - an seiner fachlichen Qualifikation bestehen keine Zweifel.

Dennoch schaukelte sich die Debatte um Gorsuch Bestätigung zum erwarteten Showdown hoch: Fast alle Demokraten verweigerten dem in Harvard ausgebildeten Juristen ihre Zustimmung, so dass die Republikaner eine mehr als 200 Jahre alte Senatsregel (Filibuster) abschafften. Die hatte der Minderheit die Blockade von Supreme-Court-Richtern ermöglicht. Was bedeutet dieser Tag für die US-Politik, das Recht auf Abtreibung und vor allem für den neuen Präsidenten? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Kann Donald Trump zufrieden sein?

Für den 70 Jahre alten Republikaner ist diese Personalie sehr wichtig. Sie ist sein erster echter Erfolg. Er hatte im Wahlkampf stets versprochen, einen "äußerst konservativen" Richter zu nominieren, der das im Roe v. Wade-Urteil garantierte Recht auf Abtreibung kritisch sieht. Dass sich Trump als Abtreibungsgegner präsentierte und den gläubigen Mike Pence zu seinem Vize kürte, gab Millionen religiösen Amerikanern einen Grund, den zweifach geschiedenen Trump zu wählen - trotz Pussygate-Video und all den anderen Skandalen (mehr über die Pro-Life-Bewegung in dieser SZ-Reportage).

Der amtierende US-Präsident kann also künftig auf die Unterstützung einflussreicher christlicher Prediger und Abtreibungsgegner setzen, weil er deren wichtigste Forderung erfüllt hat. An Gorsuchs konservativen Überzeugungen besteht kein Zweifel. Das Anhörungsverfahren verlief komplett sklandalfrei - eine Rarität im Alltag dieser Chaos-Regierung. Zudem ist Gorsuch relativ jung - wird als viele Jahrzente Richter bleiben können. Er ist ein großer Fan des verstorbenen Richters Antonin Scalia, einer Ikone des konservativen Amerikas.

Wieso war der Richterposten überhaupt Teil des Wahlkampfs?

Im Februar 2016 war Gorsuchs Amtsvorgänger Antonin Scalia völlig überraschend gestorben. Der überzeugte Katholik galt als "einflussreichster Richter des vergangenen Vierteljahrhunderts" und war die lauteste und originellste Stimme der Konservativen. Barack Obama nominierte mit Merrick Garland einen angesehenen aber eher moderaten Richter als dessen Nachfolger.

Die Republikaner, die schon damals die Mehrheit im Senat hatten, schlugen einen bisher ungekannten Blockadekurs ein: Obama habe in seinem letzten Amtsjahr nicht mehr das Recht habe, einen so wichtigen Posten neu zu besetzen, sagten sie. Diese Personalie könne nur sein Nachfolger oder seine Nachfolgerin entscheiden. Weil die Republikaner Garland eine Anhörung im Senat verweigerten, blieb Scalias Stuhl im Supreme Court unbesetzt. Trump wie Clinton erklärten in jeder Rede, dass deshalb ihr Sieg noch wichtiger sei.

Wie groß ist die Macht der Richter am Supreme Court?

Da die neun Juristen auf Lebenszeit ernannt werden, haben sie großen Einfluss. Sie können in ihrer Amtszeit mehrere Präsidenten überdauern. Weil die US-Gesellschaft polarisiert ist und im politischen Washington oft Stillstand herrscht, prägt das Oberste Gericht die politische Landschaft der USA mit ihren Entscheidungen wie kaum ein anderes Organ. Dies erklärt sowohl die Blockade von Merrick Garland als auch die enorme Wut der Demokraten, da sie sich um einen ihrer Partei zustehenden Richterposten betrogen fühlen.

Ändern sich die Mehrheitsverhältnisse im Supreme Court mit Neil Gorsuch?

Auf vier Richter, die von Demokraten ausgewählt wurden. kommen nun wieder fünf Richter, die von republikanischen Präsidenten nominiert worden sind. Das sind genau die Mehrheitsverhältnisse, die bis zum Tod von Antonin Scalia galten. Vier dezidiert konservativen Richter (Clarence Thomas, Samuel Alito, Neil Gorsuch und Chief Justice John Roberts) stehen vier liberale Juristen gegenüber: Ruth Bader Ginsburg, Stephen Breyer, Elena Kagan und Sonia Sotomayor.

Entscheidend ist die Meinung des 80-jährigen Anthony Kennedy, der von Ronald Reagan nominiert wurde. Kennedy verteidigte zuletzt das Recht auf Abtreibung und sorgte dafür, dass sich die Rechte für Homosexuelle in den USA massiv verbessert haben. In anderen Fällen (etwa beim umstrittenen Citizen United-Urteil zur Wahlkampffinanzierung) votierte Kennedy mit den Republikanern. Momentan ändert sich also nichts.

Die Republikaner haben die so genannte "nukleare Option" gezogen, um Gorsuch durchzusetzen. Was ist das?

Eine Regel im Senat lautet, dass jeder der 100 Senatoren solange reden kann, wie er will. So kann auch die Beratung über jeden Gesetzesentwurf verlangsamt werden. Mit dem sogenannten Filibuster konnte die Opposition auch Entscheidungen über Nominierte verzögern oder gar unmöglich machen. Mitunter werden stundenlange Marathon-Reden gehalten. So ein talking filibuster ist seit den Siebzigern aber nicht mehr nötig, es genügt eine Eingabe (Details hier).

Eine solche Blockade konnte nur mit einer Mehrheit von 60 Stimmen im 100-köpfigen Senat beendet werden. In der Regel brauchte es also immer ein paar Stimmen der Opposition, um einen Filibuster zu beenden. Weil die Republikaner Präsident Trump - und ihrer eigenen Partei - unbedingt einen Erfolg bescheren wollten, änderten ihre 52 Senatoren die Geschäftsordnung, und schafften an diesem Donnerstag die 60-Stimmen-Hürde für Supreme-Court-Kandidaten ab.

Hatten nicht schon die Demokraten den Filibuster eingedampft?

Ja, haben sie. 2013 haben die Republikaner nahezu alle Kandidaten mit filibustern verhindert, die Obama für höhere Ämter in Verwaltung und Gerichten vorgeschlagen hatte. Es ging um fast 100 Personen. Diese totale Blockade konnten die Demokraten nur auflösen, in dem sie mit der so genannten nuklearen Option die notwenige Mehrheit für ein Ende der Debatte von 60 Stimmen auf eine einfache Mehrheit herabsetzten. Nur für die Besetzung von Richterposten am Supreme Court blieb die 60-Stimmen-Regel bestehen. Die haben die Konservativen jetzt auch noch gekippt.

Wie schlimm ist es, dass es keine Filibuster rund um die Richter-Posten mehr gibt?

Dank des Filibusters hatten es US-Präsidenten selten gewagt, Extremisten von rechts oder links in höchste Ämter zu befördern. Selbst der von Donald Trump nominierte Neil Gorsuch gilt zwar als strammer Konservativer. Aber eben auch als einer, der seine "Ansichten am Küchentisch lässt", wenn er zur Arbeit geht, wie er über sich selbst sagt. Die Demokraten aber wollten in diesem Fall jeden Eindruck vermeiden, sie würden Trump an irgendeiner Stelle die Hand zur Zusammenarbeit reichen.

Auch wenn viele Senatoren die Eliminierung des letzten judicial filibuster als Fehler bezeichnen, ist die Aufregung nicht allzu groß. Der Schritt war nahezu unumgänglich geworden. Beide Parteien haben sich völlig verhakt in ihren Maximalpositionen. Und hätte Hillary Clinton die Wahl gewonnen, dann wären die Demokraten wohl zum gleichen Schritt bereit gewesen, um "ihren" Kandidaten durchzubringen.

Wann kann Trump den nächsten Richter ernennen?

Das ist völlig offen. Solange keiner der neun Juristen stirbt oder zurücktritt, bleibt alles beim Alten. Die Demokraten blicken mit Sorge auf die Alters-Struktur: Zwei demokratische Richter sind vor 1940 geboren. Sie wurden von Bill Clinton eingesetzt. Auch Anthony Kennedy, dessen Votum oft den Ausschlag gibt, ist schon 80.

Die Wahrscheinlichkeit ist nicht gering, dass der eine oder andere davon noch in der Amtszeit von Trump sterben oder abdanken wird. Trump könnte dann mit ein, zwei Nominierungen die Richterbank für sehr lange Zeit verändern - und zwar in eine deutlich konservativere Richtung.

Wie werden die Ereignisse der vergangenen Woche den Senat verändern?

Der Senat verstand sich bisher - im Gegensatz zum Repräsentantenhaus - als eine stärker überparteiliche und konsensorientierte Institution. Was "heiß" aus dem House of Representatives komme, kühle dort ab, heißt es. Die 100 Senatoren werden auf sechs Jahre gewählt und nicht nur auf zwei, wie die Abgeordneten. Alle zwei Jahre werden jeweils nur ein Drittel der Senatoren neu gewählt - jeder Bundesstaat schickt zwei Vertreter, unabhängig von der Bevölkerungszahl. Das verspricht mehr Kontinuität.

Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinweg galt bisher als hohes Gut unter den Senatoren - in Bezug auf wichtige Personalien ist diese kaum mehr gefragt. Es wird sicher künftig weniger konsensual zugehen. Allerdings gilt der legislative filibuster weiter: In Bezug auf wichtige Gesetze zu Steuerfragen oder der Gesundheitsreform sind weiterhin 60 Stimmen nötig, um etwas zu beschließen.

Dem Versprechen des obersten Republikaners Mitch McConnell, diese Sperrminorität zu erhalten, kann man glauben: Auch die Konservativen könnten einmal in die Minderheit geraten.

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