TV-Debatte der Demokraten:Harris holt aus - und trifft Biden

USA - Die Demokratin Kamala Harris in einer TV-Debatte 2019

Senatorin Kamala Harris erlebt in der TV-Debatte einen erfolgreichen Abend.

(Foto: AFP)
  • Im zweiten Teil der ersten TV-Debatte der US-Demokraten treten in Miami weitere zehn Präsidentschaftsbewerber gegeneinander an.
  • Besonders für die Senatorin Kamala Harris ist es ein erfolgreicher Abend.
  • Der in Umfragen führende Joe Biden kann sich ihrer verbalen Angriffe kaum erwehren.

Von Thorsten Denkler, New York

Kaum eine Viertelstunde vergeht in dieser zweiten TV-Debatte der demokratischen Präsidentschaftskandidaten, da hat die kalifornische Senatorin Kamala Harris ihren ersten großen Moment. Der Kongressabgeordnete Eric Swalwell hat gerade versucht, Joe Biden bloßzustellen. Der habe vor 32 Jahren gesagt, es sei Zeit, den Staffelstab an einen Jüngeren abzugeben. Biden war damals 44. Swalwell ist heute 38 Jahre alt. Biden hatte recht, sagt Swalwell. Damals. Und auch heute. Die Lacher sind auf seiner Seite.

Biden bleibt cool, erklärt seine Strategie in der Bildungspolitik. Botschaft: Du hast einen billigen Punkt gemacht. Ich habe die Argumente. Sehr präsidial. Bernie Sanders grätscht dazwischen, er ist mit 77 Jahren der älteste Kandidat auf der Bühne. Jetzt brüllt er, als wäre er ein pubertierender Halbstarker. Dass es ja wohl nicht um Jugend gehe, sondern wer die unbedingte Entschlossenheit hat, gegen die Mächtigen der Wall Street anzugehen, gegen die großen Konzerne. Dann brüllen sich die Alten und die Jungen im Rund an.

Bis Kamala Harris dazwischengeht. "Hey, Guys!", ruft sie. Und ihre Stimme lässt ahnen, wie sie als Anklägerin in Kalifornien verdächtigen Kriminellen gegenübertrat. "Wir wollen doch nicht, dass die Amerikaner einen Kampf ums Essen sehen müssen. Sie wollen wissen, wie wir das Essen auf ihre Tische bekommen." Ruhe im Karton. Erst glaubt Swalwell, einen Punkt gemacht zu haben, dann Biden. Und am Ende steckt Harris sie alle in den Sack. So hat sich das Biden wohl nicht vorgestellt.

Biden steht in der Mitte der Bühne. Aus einem einfachen Grund. Der Vizepräsident unter Barack Obama führt in den Umfragen das Feld der Bewerber um die demokratische Präsidentschaftskandidatur an. Im Schnitt kommt er auf 31 Prozent Zustimmung. Würden die Abstände zwischen den Kandidaten in Metern pro Prozentpunkt gemessen, der zweitplatzierte Senator Bernie Sanders aus Vermont würde es kaum noch auf die Bühne schaffen. Und Kandidaten wie der Kongressabgeordnete Eric Swalwell müssten von außerhalb des Adrienne Arsht Center for the Performing Arts in Miami, Florida, zugeschaltet werden. Er kommt im Schnitt nicht mal auf ein Prozent und bei weitem nicht an Biden heran. Wenn hier also einer etwas zu verlieren hat, dann ist es Biden.

Am Mittwoch hatten hier unter anderem die Senatorin Elizabeth Warren, der frühere Bauminister unter Obama, Julián Castro, und der New Yorker Bürgermeister Bill de Blasio versucht, die Herzen der US-Amerikaner zu gewinnen. Eine Debatte, die Warren als große Favoritin eröffnete und als Siegerin verließ.

An diesem Donnerstag stehen gleich vier Schwergewichte auf der Bühne. Neben Biden, Sanders und Harris ist das noch der Bürgermeister von South Bend, Indiana, Pete Buttigieg. Der liegt zwar mit sieben Prozent auch weit hinter Biden zurück. Aber in seinem Fall ist es eine große Überraschung, dass er nicht wie die meisten anderen Kandidaten im Um-ein-Prozent-Nirwana feststeckt. Vor seiner Kandidatur kannte ihn außerhalb von Indiana so gut wie niemand.

Diese TV-Debatten sind wie ein großes Sieb. Wer es hier nicht schafft, Eindruck zu hinterlassen, der wird es schwer haben, die kommenden Wochen politisch zu überleben.

Für Sanders und die anderen kommt es deshalb vor allem darauf an, wieder Bewegung in die recht festgefahrenen Umfragen zu bringen. Bisher ist es neben Überraschungskandidat Buttigieg nur Warren gelungen, sich vorzuarbeiten. Von einem Platz im Mittelfeld jetzt auf Rang drei aller 24 Kandidaten, von denen es insgesamt 20 in eine der ersten beiden TV-Debatten geschafft haben. Hier, vor einem Millionenpublikum, muss das gelingen. Es gelingt vor allem Harris.

Unterschiede gibt es nur in Details zu besichtigen

Es geht gerade um Rassismus in der Gesellschaft. Harris bittet für einen Moment um das Wort. Sie hat etwas mit Biden zu besprechen. Es wird persönlich. Sie glaube selbst nicht, dass Biden ein Rassist ist. Was ja die Möglichkeit eröffnet, dass andere ihn für einen halten könnten. Schon mal eine ziemliche Breitseite. Aber die Tatsache, dass Biden sich nicht von zwei seiner ehemaligen Senatoren-Kollegen distanzieren will, die einst für die Rassentrennung eintraten, "das tut weh", sagt Harris. Biden schaut starr geradeaus.

Harris ist noch nicht fertig mit ihm. Sie gehörte zu den ersten schwarzen Kindern, die mit dem Bus zu Schulen gebracht wurden, an denen sonst nur weiße Kinder unterrichtet wurden, sagt sie. Biden aber habe damals als frischer Senator ein Gesetz auf den Weg gebracht, dass der Bundesregierung verbieten sollte, solche Busverbindungen verpflichtend für alle Städte zu machen. Und zwar mit Unterstützung ebenjener Senatoren, die er vor wenigen Tagen noch für ihre Kollegialität gelobt hatte.

Biden schaut Harris endlich mal an. Er versucht sich an einer Rechtfertigung. Das sei eben Sache der lokalen Ebene und nichts, was vom Bildungsministerium vorgegeben werden sollte. Etwas schwach.

Harris holt aus und landet ihren Punkt: Es sei die Pflicht des Bundes, dagegen vorzugehen, wenn Städte die Rassentrennung aufrechterhalten. Jubel kommt auf. Der Applaus währt deutlich länger, als an jeder anderen Stelle in dieser Debatte. Für jeden erkennbar schafft es Biden nicht, heute, 45 Jahre später, seine damalige Haltung als Fehler einzugestehen.

Dieser Abend wird immer mehr zum Kamala-Harris-Abend. Es scheint, als würde sie in jeder Debattenrunde den Ton setzen. Alle anderen haben sich darauf vorbereitet, Biden oder Sanders als Punchingball für ihre Argumente zu nutzen. Auch Harris. Aber niemand hatte wohl auf dem Schirm, wie gut Harris auf diese Debatte vorbereitet ist. Sie wirkt sicher, kraftvoll und überzeugend.

Sanders will die Revolution, koste es, was es wolle. Eine Krankenversicherung für alle, gegen die großen Konzerne, gegen das große Geld. Biden will vor allem Trump schlagen und da weitermachen, wo er mit Obama aufgehört hat. Buttigieg ist irgendwie immer für einen Mittelweg. Krankenversicherung für alle, ja. Aber im bestehenden System mit starken privaten Krankenkassen. Harris will das Land ernsthaft verändern. Das ist ihre Botschaft. Viele Demokraten werden sie an diesem Abend gehört haben.

Ansonsten sind sich inhaltlich ohnehin alle in fast allem einig. Der Klimawandel ist nicht nur eine Krise, er ist ein nationaler Notstand. Und als es um Immigration geht, weigern sich alle Demokraten, eine Sicherheitsdebatte zu führen. Sie erinnern lieber an die moralischen Grundwerte der USA, dass Menschen in Not geholfen wird.

Unterschiede gibt es nur in Details zu besichtigen. Fast alle stimmen etwa zu, dass es im juristischen Sinne kein Verbrechen mehr sein soll, illegal und ohne Papiere die Grenze zu den USA zu überqueren. Sondern nur noch eine Art Ordnungswidrigkeit. Diese Frage hatte am Abend zuvor Kandidat Castro aufgeworfen. Er wolle jeden demokratischen Mitbewerber daran messen, ob er dieses Vorhaben unterstützt, hatte er gesagt. Und viel Applaus dafür bekommen. 24 Stunden später wird seine Frage plötzlich zum Lackmustest für die Diskutanten.

Biden hebt zwar auch die Hand, aber irgendwie nicht richtig überzeugt. Mehr, als wolle er sich melden, um etwas dazu zu sagen. Er bekommt die Gelegenheit, windet sich aber, die Frage klar zu beantworten. Auf die dritte Nachfrage sagt er nur: Diese Menschen sollten nicht "im Fokus" von Abschiebungen stehen. Ein Anhänger von Sanders, Warren, Castro oder auch Harris würde jetzt sagen: Test nicht bestanden, Joe.

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